Prozess um tote Rehe

Richterin: „Kann Ihnen keinen Vorsatz nachweisen“

Oberösterreich
11.10.2024 15:00

Es war ein Paukenschlag, als die Einzelrichterin am Freitagnachmittag im Landesgericht Linz ihr Urteil im Rehkitz-Tötungsfall von Eidenberg bekanntgab: Freispruch für den 57-jährigen Angeklagten. Dem Nebenerwerbslandwirt und FPÖ-Lokalpolitiker war ein bedingter Vorsatz nicht zweifelsfrei nachweisbar. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Ich bin nicht schuldig“, hatte der Angeklagte von Beginn an beim Prozess im Landesgericht Linz erklärt. Den Vorwurf, er habe sechs Rehkitze mutwillig auf einer Wiese in Eidenberg niedergemäht, ließ der 57-jährige Nebenerwerbslandwirt und FPÖ-Kommunalpolitiker aus dem Mühlviertel nicht gelten. 

Er habe am 4. Juni, am späten Nachmittag, seine Pachtwiese gemäht, weil es davor – aufgrund zahlreicher Niederschläge – nicht möglich gewesen sei. An diesem Nachmittag sei es sehr heiß gewesen, das Gras bis zu 70 Zentimeter hoch und sehr dicht gestanden. Er startete seine Arbeiten gegen 16 Uhr. 

Dabei seien ihm zwei Rehgeißen aufgefallen. Während des Mähens habe er dann plötzlich zwei Kitze in der Wiese liegen gesehen. „Ich bin abgestiegen, habe ein Büschel Gras genommen und sie vorsichtig am Waldrand hinter Bäumen abgelegt.“ Er habe weitergemäht – von Außen nach Innen. 

„Ist schon zu spät“
Dann seien ihm drei tote Kitze aufgefallen. „Die waren 100-prozentig tot. Ich stand unter Zeitdruck und habe deshalb weitergearbeitet.“ Als er beinahe die gesamte Wiese abgemäht hatte, habe ihn der Anruf eines Jägers erreicht, der anfragte, wann er mit den Mäharbeiten beginnen werde, weil er einen Kollegen mit einer Drohne vorbeischicken wolle. „Ich habe ihm gesagt, dass das schon zu spät ist, ich fast fertig bin und es nichts mehr bringen wird“, so der Angeklagte.

Nach etwa 15 Minuten seien zwei Personen gekommen. Er habe gestoppt, der jüngere der beiden habe an die Traktortür geklopft und ihm Vorwürfe gemacht, warum er mähe. „Er hat sich aufgeregt und gesagt, dass er seine Drohne fliegen lassen will. Ich hab‘ gesagt, das braucht es jetzt nicht mehr und ihm gesagt, er soll weggehen. Dann habe ich noch 20 Minuten gemäht und bin danach heimgefahren.“

Am nächsten Vormittag habe er die drei toten Rehkitze genommen und am Waldrand abgelegt. Das Futter habe er heimgebracht. 

Keiner Schuld bewusst
„Haben Sie alles richtig gemacht?“, will die Richterin wissen. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst, habe kein verletztes Tier gesehen“, betonte der Angeklagte.

„Hatten Sie keine Verpflichtung, zu schauen, ob Rehe in der Wiese sind?“, bohrt die Richterin nach. „Es gibt halt Unfälle“, meint der Landwirt.

Insgesamt vier Rehkitze wurden getötet, zwei weitere so schwer verstümmelt, dass sie mit einem Gnadenschuss erlöst werden mussten. Der Privatbeteiligtenvertreter der Jagdgemeinschaft Eidenberg, Rupert Wagner, fordert 1686 Euro (281 Euro pro Kitz) Schadenersatz.

„Vorsichtig fahren“
Er verweist darauf, dass es seitens der Landwirtschaftskammer Info-Newsletter für die Bauern gebe, wie man vermeiden könnte, dass Rehe zu Tode gemäht werden. Der Angeklagte behauptet, diese nicht bekommen zu haben. „Sie wissen also nicht, welche Maßnahmen man setzen kann, damit nichts passiert?“, will er wissen. „Vorsichtig fahren“, antwortet der 57-Jährige.

Vier Zeugen sagen aus – zwei Jäger und zwei Anrainer. Laut ihren Aussagen war bekannt, dass es sich bei der Pachtwiese um eine sogenannte „Setzwiese“ handelt, in der sich viele Rehe aufhalten. Der Angeklagte erklärt jedoch, diese Wiese zum ersten Mal selbst gemäht zu haben: „Mir war das nicht bekannt.“

Es gibt kein Gesetz
Der Privatbeteiligtenvertreter verweist darauf, dass es ein Tierschutzgebot gebe, wonach Landwirte Schutzmaßnahmen zu treffen hätten. Gesetzlich festgelegte Bestimmungen dazu gibt es offenbar aber nicht.

Staatsanwalt Dietmar Gutmayer modifiziert seinen Strafantrag dahingehend, dass der Angeklagte – entgegen den landwirtschaftlichen Usancen – zu mähen begonnen habe, ohne die Wiese vorher abgeschritten zu sein oder sonstige Vorkehrungsmaßnahmen getroffen zu haben.

„Auch wenn er zum ersten Mal auf dieser Wiese gemäht hat, bin ich überzeugt davon, dass ihm bekannt war, dass sich dort Rehe aufhalten. Er hat aber gar nichts getan, auch nicht, nachdem er die beiden lebenden Kitze aus dem Gras geborgen hat.“ Dadurch sei es dazu gekommen, dass eine erhebliche Anzahl an jungen Rehen getötet bzw. verletzt worden sei. „Tierquälerei haben sie in jedem Fall zu verantworten.“ Er wirft dem 57-Jährigen einen bedingten Vorsatz vor, fordert eine unbedingte Geldstrafe und eine bedingte Freiheitsstrafe.

Zwei lebende Kitze gerettet
Der Verteidiger des Angeklagten verlangt einen Freispruch. Er verweist darauf, dass es keine gesetzlichen Verpflichtungen oder Verordnungen gebe, die Vorkehrungen zum Tierwohl beim Mähen verpflichtend vorschreiben. In rechtlicher Hinsicht könne man seinem Mandanten daher nichts vorwerfen.

Dieser Ansicht schließt sich die Richterin an, sie fällt einen Freispruch im Zweifel. „Wenn es Vorsatz gewesen wäre, hätten sie nicht die zwei lebenden Kitze aus der Gefahrenzone gebracht.“ Der Landwirt hätte auch keinen Vorteil davon gehabt, die Rehe totzumähen. „Ich kann Ihnen keinen Vorsatz nachweisen.“ Der Staatsanwalt gibt zum Urteil vorerst keine Erklärung ab, es ist damit noch nicht rechtskräftig.

Reaktion des Anklagten: Er dreht sich schmunzelnd in Richtung der Prozessbeobachter um und sagt: „Na, jetzt seht‘s ihr es!“

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