Der Rechnungshof (RH) vermisst bei der Regierungsinitiative zur digitalen Schule die Messung deren konkreter Auswirkungen auf die Kompetenzen der Schüler. So sei unklar, ob die Ausgabe günstiger Notebooks und Tablets an die Kinder bzw. von Gratis-Geräten an Lehrkräfte oder der Ausbau der IT-Infrastruktur an Schulen zu besseren Kenntnissen geführt hat. Kein gutes Haar lässt der RH am mittlerweile eingestellten Portal Digitale Schule.
Mit dem Ende des ersten COVID-Lockdowns präsentierte die Regierung einen 8-Punkte-Plan für eine digitale Schule. Bekanntester Punkt daraus ist die Ausgabe günstiger bzw. kostenloser digitaler Endgeräte an die Schülerinnen und Schüler der fünften Schulstufe (v.a. erste Klasse AHS/Mittelschule). Allerdings wurden damit keine ergebnisorientierten Ziele verbunden, anhand derer überprüft werden könnte, ob die Ausgaben des Bildungsministeriums ihre Wirkung entsprechend entfaltet haben, monierte der RH in einem am Freitag veröffentlichten Bericht. Immerhin habe man in Umsetzung einer RH-Empfehlung aber 2023 an einer internationalen Vergleichsstudie (International Computer and Information Literacy Study (ICILS) teilgenommen, deren Ergebnisse aber erst Ende 2024 vorliegen werden.
Weiterer Kritikpunkt der Prüfer: Zwar wurden die Schülerinnen und Schüler mit Geräten ausgestattet – allerdings wurde nicht festgelegt, wie sie pädagogisch eingesetzt werden sollen. Dementsprechend war die konkrete Umsetzung an den Schulen unterschiedlich und reichte vom fächerübergreifenden Einsatz bis zur Verwendung lediglich im IT-Unterricht.
Gratis-Geräte manchmal gar nicht genutzt
Auch die Gratis-Geräte für die Lehrkräfte wurden nicht flächendeckend genutzt, wie Überprüfungen in Kärnten und Niederösterreich ergaben. In Kärnten wurden im AHS-Bereich vier Prozent der Lehrergeräte erst im Zuge der RH-Erhebung erstkonfiguriert, für weitere elf Prozent konnte diese Information nicht erhoben werden. Sprich: 15 Prozent der Geräte wurden nicht nachweislich aktiviert. Für Niederösterreich lagen überhaupt keine Daten vor. Apropos fehlende Daten: Weder Ministerium noch die beiden geprüften Bildungsdirektionen hatten einen Überblick über die digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte.
Die Ausstattung mit Geräten war der größte Kostenpunkt im 8-Punkte-Plan. Insgesamt gab das Bildungsministerium zwischen Jänner 2021 und August 2023 dafür gut 140,9 Millionen Euro aus. 119,7 Millionen davon flossen in Endgeräte. Einnahmen aus dem Selbstbehalt brachten hingegen 21,7 Millionen. Für zusätzliches Lehrpersonal gab das Ministerium in den beiden erfassten Schuljahren rund 16,7 Mio. Euro aus, zudem 1,3 Millionen für Verwaltungspersonal.
An der Geräteinitiative nahmen 95 Prozent der berechtigten Schulen teil, es wurden 236.039 Geräte verteilt. Um mitzumachen musste jede Schule ein eigenes Digitalisierungskonzept entwickeln. Das sah der Rechnungshof als gut an, kritisierte aber Verzögerungen im Qualitätsmanagement. So seien Überprüfungen schwierig und der digitale Unterricht sehr unterschiedlich ausgestaltet.
Kostenexplosion bei „Portal digitale Schule“
Einen eigenen Teil widmete der RH dem mittlerweile eingestellten Ministeriums-Projekt „Portal Digitale Schule“. Damit sollten die digitalen Kommunikationskanäle zwischen Lehrern, Schülern und Eltern gebündelt werden – damit beauftragt wurde ein Beratungsunternehmen. Nicht nur wurden damit die erhofften Nutzerzahlen bei weitem nicht erreicht, die Kosten dafür explodierten geradezu: Anstatt der veranschlagten rund drei Millionen Euro wurde das Vierfache ausgegeben.
In den Ausbau der schulischen IT-Basisinfrastruktur investierte das Ministerium 18,3 Millionen Euro. Laut RH hat es den konkreten Fortschritt aber nicht gemessen. Der Rechnungshof forderte auch ein besseres Reagieren bei Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen in laufenden Projekten.
Ministerium verweist auf „starken Innovationsschub“
Das Bildungsministerium hob in einer Reaktion am Freitag den „starken Innovationsschub“ durch den 8-Punkte-Plan hervor. Zu den konkreten Ergebnissen zählten etwa „umfassende Online-Fortbildungsmöglichkeiten“. Man habe kurzfristige wie langfristige Maßnahmen gesetzt, diese würden laufend beobachtet. Den RH-Bericht will das Ministerium genau prüfen, „um weiteres Potenzial für Verbesserungen zu erheben“.
FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl ortete hingegen „das nächste kostspielige Scheitern der ÖVP-Bildungspolitik“. Der 8-Punkte-Plan sei ein „einziger teurer Rohrkrepierer, bei dem obendrein die Bildungsziele völlig verfehlt wurden“. Die Freiheitlichen hätten das Vorhaben von Beginn weg kritisiert.
Kritik übte auch der Generalsekretär und Rechnungshofsprecher der NEOS, Douglas Hoyos, in einer Aussendung: „Der Bildungsminister hat die Digitalisierung von Österreichs Schulen verschlafen.“ Er beklagte das Fehlen verpflichtender Fortbildungen in digitaler Didaktik für Lehrkräfte und wünschte sich „mutige Reformen“ von einer neuen Regierung.
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