Erst kurz vor Ausbruch der Pandemie haben sich drei Berliner Vollblutmusiker zur Band Future Palace zusammengefunden. Nach Corona-bedingten Startschwierigkeiten ist das Trio mittlerweile unaufhaltsam am Vormarsch. Mit ihrem Drittwerk „Distortion“ kommen sie dieser Tage ins Wiener Flex. Zuvor sprachen sie mit der „Krone“ über Ruhm, Depressionen und die Tücken des Erfolgs.
Haben sich Bands früher beim elften Bier im örtlichen Beisl gefunden, passiert heute vieles auf virtuellem Wege. Oder zumindest begründet man dort den Bandnamen, der zu einer Karriere führen sollte. So geschehen beim Berliner Trio Future Palace, das ursprünglich nur eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe mit diesen Namen taufte, daraus aber die grob skizzierte Band gedeihen ließ. Die gemeinsame Magie begann Ende 2018, als die beiden länger miteinander bekannten Musiker Manuel Kohlert (Gitarre) und Johannes Früchtenicht (Schlagzeug) auf die Sängerin Maria Lessing trafen, die für ihre damalige Band ein Feature einsang. Von der stimmlichen Stärke überrascht, beschloss das männliche Duo recht schnell, die Dame auch für eine dauerhafte Zusammenarbeit einzuspannen. Dass man ausgerechnet mit Ausbruch der Corona-Pandemie über das Label Arising Empire in die Vollen ging, tat vor allem für das Livegeschäft weh.
Österreich-Live-Veteranen
Anstatt das im September veröffentlichte Debütalbum „Escape“ ansprechend zu betouren, war man zur Untätigkeit gezwungen und musste zusehen, wie das Werk an den Charts vorbeischrammte. Dafür ergab sich ausreichend Zeit, um an neuen Songs zu feilen. Als im Frühling 2022 das Zweitwerk „Run“ das Licht der Welt erblickte, hatte man schon die erste Headliner-Tour über die Bühne gebracht und mit Singles wie „Paradise“ große Erfolge im Sektor des Post-Hardcore und Alternative-Rock gemacht. Gut zwei Jahre später steht das sympathische Trio vor der bereits siebenten Österreich-Show. Innerhalb von knapp zwei Jahren sammelte man unzählige Auftritte zusammen, erst vor wenigen Monaten gab man auf der Red Bull Stage eine umjubelte Nova-Rock-Premiere, die auch der Band gut im Gedächtnis blieb.
„Wir lieben Festivals“, erklärt das Trio im „Krone“-Interview, „hier ist so viel los. Man kann Riesenrad fahren, sich tätowieren lassen oder sich einfach mal Bands aus ganz anderen Genres anschauen. Außerdem ist 15 Uhr die beste Auftrittszeit. Da hat man noch genug Zeit, um die Headliner und Top-Acts selbst zu sehen und ist mit der eigenen Arbeit schon fertig. Auf Festivals siehst du immer neue Menschen und neue Acts. Favoriten und solche, von denen du Fan wirst, das passiert auf einer normalen Nightliner-Tour natürlich nicht. Außerdem sind die Line-Ups immer bunter und musikalisch breiter gelagert.“ Future Palace vermengen ihren Sound mit sehr viel Elektronik und Pop-Zitaten, was die Band auch für jene Musikfreunde zugänglich macht, die bei allzu harten Metal-Klängen vielleicht nur die Nase rümpfen würden.
Den Nerv einer Generation treffen
„Ich finde Pop-Shows auch viel interessanter“, so Gitarrist Kohlert, „die Bühnendeko, die Tänzer und all die Choreografien – da passiert einfach viel verrücktes Zeug. Ich würde es begrüßen, wenn im Metal auch mehr Entertainment stattfinden würde. Hätten wir das Budget, würden wir uns auch Tänzer auf die Bühne holen.“ Die finanziellen Mittel steigen jedenfalls, denn mit ihrem Anfang September veröffentlichten Drittwerk „Distortion“ ging die deutsche Hauptstadt-Combo den nächsten großen Schritt. Die Mischung aus (immer härter werdendem) Modern Metal mit Breakdowns und Lessings persönlichen, von mentalen Problemen und problematischen Erfahrungen durchzogenen Texten treffen den Nerv einer Generation, die sich in der gegenwärtigen Welt missverstanden und abgehängt fühlt.
„Wir haben sehr vielseitige Fans, was ich sehr begrüße“, sagt Früchtenicht, „in Kopenhagen haben wir mal vor studentischem Publikum gespielt, bei anderen Gigs sind altbackene Metalheads zu sehen. Ich finde es richtig gut, dass wir so verschiedene Menschen vereinen können.“ Zur großen Sympathie geraten Future Palace auch durch ihre Bodenständigkeit. Ähnlich wie die mittlerweile weltweit erfolgreichen und musikalisch nahen Electric Callboy sind die Musiker bei Future Palace zugänglich. „Es gibt mittlerweile Festivals, wo wir ohne Fotowünsche nicht mehr über das Gelände kaufen können“, erinnert sich Lessing, „das ist krass, weil wir eine völlig andere Eigenwahrnehmung haben. Wir glauben immer, uns würde eh kein Schwein kennen. Es ist schön, dass uns die Leute erkennen und anreden, nicht falsch verstehen, aber Bands normal aus dem Publikum aus angucken, das geht nicht mehr so leicht wie früher.“
Umgang mit dem Persönlichen
Luxusprobleme freilich, das wissen die Musiker natürlich. Im Sinne des richtigen Verhaltens könne man sich auch hier etwas von den Electric Callboys abschneiden. „Wir haben auf Tour gesehen, wie sie ihre Crew und jedes einzelne behandeln. Es sind einfach die besten Freunde, die gemeinsam unterwegs sind und sich alle mit Respekt begegnen. Die waren immer nett und cool, das kann man beileibe nicht von allen Bands behaupten.“ Lessing lehnt sich mit ihren intimen Texten oft sehr weit aus dem eigenen Sicherheitsfenster raus, mittlerweile hat sie aber einen guten Umgang damit gefunden. „Es gibt so viele Acts, die auf der Bühne leere Sachen sagen. Es haben so viele Menschen so viel Scheiße erlebt, dann kann man den Schmerz auch teilen. Natürlich biete ich eine Angriffsfläche, ich bekomme aber auch sehr viel von den Menschen zurück.“
Nicht zuletzt dreht sich das neue Album „Distortion“ stark um mentale Probleme und Unzulänglichkeiten. Zudem tasten sich Future Palace inhaltlich auch erstmals in Themenbereiche wie Krieg oder Klimawandel vor. „Es geht aber vor allem um kognitive Verzerrungen, die dazu führen, dass auf dieser Welt so vieles falsch läuft“, führt Lessing aus, „enorm viele Kriege entstehen aus Narzissmus oder gekränktem Stolz. Leute glauben, sie wären die Größten und bräuchten immer mehr. Es fehlt an Empathie und sie entwickeln soziopathische Züge. Ich liebe Psychologie und befasse mich gleichermaßen freiwillig wie unfreiwillig damit. Ich habe versucht, so viele mentale Krankheiten und eigene Erfahrungen wie möglich auf einem Album zu versammeln. Mittlerweile habe ich auch gelernt, diese Emotionen ungefiltert auf der Bühne rauszulassen.“
Live im Wiener Flex
Mit den deutlich härteren Songs auf „Distortion“ werden sich Future Palace auf jeden Fall wieder eine neue Publikumsschicht erschließen. Am 18. Oktober kommt das Trio ein siebentes Mal nach Österreich, um das Wiener Flex abzureißen. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das harte Highlight der Woche.
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