(Bild: KMM)

Unmoralisches Angebot

Warum die Ukraine bei Österreich bleiben wollte

 

Die Westukraine fiel  1772  durch die „erste polnische Teilung“ an Österreich. Die „Ruthenen“, wie die Ukrainer von der österreichischen Bürokratie bezeichnet wurden, waren 1918 die einzige slawische Nationalität des Vielvölkerstaates, die den Zerfall des Habsburgerreiches bedauerten.

Wie das alte Österreich zur heutigen Westukraine kam? Durch eine Landesteilung, die auch für damalige Verhältnisse höchst unmoralisch war, nämlich der berüchtigten ersten polnischen Teilung im Jahr 1772. „Erste“ Teilung deshalb, weil noch zwei weitere folgen sollten: 1793 und 1795.

Der Liebhaber der Zarin sollte König werden

Der Hintergrund: Die Doppelmonarchie Polen-Litauen war damals ein Ausnahmefall in Europa; sie war eine Wahlmonarchie, die auch als „Adelsrepublik“ bezeichnet wurde, denn Polens König wurde vom Adel gewählt. Bei der Wahl von 1764 hatte Russland seine Finger im Spiel. Zarin Katharina die Große hatte ihren ehemaligen Liebhaber Stanislaus Poniatowski durchgesetzt.

Gegen den russischen Einfluss regte sich Widerstand in Polen, angeführt von der sogenannten „Konföderation von Bar“, einer politischen Vereinigung polnischer Adeliger. Als Russland ab 1768 Krieg gegen das Osmanische Reich führte, wurden die Türken und die polnische Opposition damit quasi zu Verbündeten.

Zarin Katharina die Große (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Zarin Katharina die Große

Katharinas Feldzug gegen die Türken war von Erfolg gekrönt, Russland gewann 1770 sogar eine Seeschlacht in der Ägäis. Die Zarin schwärmte schon von den orthodoxen Griechen – die damals unter türkischer Herrschaft waren -, die man vielleicht unter einem russischen Großfürsten unabhängig machen könne. Russlands militärische Erfolge beunruhigten die europäischen Großmächte, denn eine zu große Schwächung des Osmanischen Reiches wollte man unbedingt verhindern. Das wohltemperierte Gleichgewicht der Großmächte durfte auf keinen Fall kippen.

Polen wurde geteilt, Österreich bekam ein besonders großes Stück

So kam die Idee auf, Russland sollte sich lieber an Polen schadlos halten, anstatt sich Teile des Osmanischen Reiches einzuverleiben. Sprich: Polen sollte aufgeteilt werden. Vor allem Friedrich II. der Große von Preußen verfolgte diesen Plan, denn er wollte durch eine Teilung Polens endlich die ersehnte Landverbindung nach Ostpreußen herstellen. Österreich stand dem Teilungsplan ursprünglich ablehnend gegenüber, deshalb boten Russland und Preußen den Österreichern ein besonders großes Stück von Polen an: Galizien, das mit eineinhalb Millionen Einwohnern auch noch mehr Bevölkerung hatte als die für Preußen und Russland vorgesehenen Teile.

Maria Theresia hielt die Teilung des Nachbarstaates zwar für eine Aktion „wider jeden Treu und Glauben“, stimmte aber schließlich zu, um nicht leer ausgehen oder Krieg führen zu müssen. Der Vertrag über die Erste Teilung Polens wurde am 5. August 1772 unterzeichnet. Friedrich amüsierte sich köstlich über den inneren Kampf zwischen Maria Theresias politischem Kalkül und ihren Moralvorstellungen und spottete: „Die Königin von Ungarn (so der offizielle Titel Maria Theresias) weinte und nahm …“.

Österreichs Regentin Maria Theresia (Bild: picturedesk.com/akg-images / picturedesk.com)
Österreichs Regentin Maria Theresia

Als Dankeschön erhielt Österreich auch noch die Bukowina

Als eine Art Dankeschön für die Intervention zugunsten der Osmanen, die im Frieden mit Russland nur relativ wenig verloren, erhielt Österreich 1774 als Draufgabe dann auch noch die Bukowina mit Czernowitz, die bisher Teil eines osmanischen Vasallenstaates (Moldau) gewesen war. Die neuen Provinzen der Habsburgermonarchie setzten sich wie folgt zusammen: Die Oberschicht bestand in der Bukowina aus Rumänen, in Galizien aus Polen. Aber fast die Hälfte der bäuerlichen Bevölkerung bestand in beiden Provinzen aus Ukrainern, von der österreichischen Bürokratie meist als „Ruthenen“ bezeichnet.

Trotz der unrühmlichen Art und Weise, wie der westliche Teil der Ukraine zur Habsburgermonarchie kam, entwickelte sich ein gutes Verhältnis zwischen Österreich und seinen neuen Bürgern. Die Westukrainer kamen in den Genuss eines modernen Verwaltungsstaates, eines großen gemeinsamen Marktes, und ab 1867, so wie alle Bürger der Habsburgermonarchie, eines Staatsgrundgesetzes, das allen Bürgern gleiche Grund- und Freiheitsrechte garantierte.

Habsburg und die Ukraine: Man schätzte einander

Die Habsburgermonarchie wiederum erhielt mit der Westukraine eine reiche Kornkammer und die Maria Theresia nachfolgenden Kaiser äußerst loyale Untertanen. Vor allem der alte Kaiser Franz Joseph war als Garant der Einhaltung der Grundrechte eine Lichtgestalt in seinen östlichsten Provinzen. Bei Wahlen zeigten die Menschen in großer Zahl ihre Anhänglichkeit, in dem sie demonstrativ „Kaiser Franz Joseph“ auf die Wahlzettel schrieben – obwohl der Kaiser bei den Kreis- und Reichsratswahlen natürlich nie antrat.

Die „Ruthenen“ waren 1918 dann auch die einzige slawische Nationalität, die mit einem Fortbestand Österreich-Ungarns zufrieden gewesen wären. Denn die Alternative lautete: Aufteilung zwischen Polen und (Sowjet-)Russland.

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