(Bild: KMM)

Geniale Starthilfe

Warum der Marshallplan so erfolgreich war

 

200 Milliarden US-Dollar ließen sich die USA den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg kosten. Das Erfolgsrezept: Hilfe auf Augenhöhe, Vertrauen in Europas Erfahrungen und die Gewissheit, dass ein wiedererstarktes Europa einen sicheren Absatzmarkt für US-Produkte garantierte.

Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft, der Zweite Weltkrieg war zu Ende. Zwei Jahre später wurde Europas Zukunft entschieden: Am 5. Juni 1947 hielt US-Außenminister George C. Marshall (1880-1959) eine bedeutsame Rede an der Harvard University. Marshall stellte dort seinen Plan eines europäischen Wiederaufbauprogramms der Öffentlichkeit vor.

Bedeutsam war seine Rede deshalb, weil er die amerikanische Öffentlichkeit und in weiterer Folge den US-Kongress davon überzeugen konnte, ein riesiges Hilfsprogramm für Westeuropa zu schmieden. Im Unterschied zu den finanziellen Unterstützungen in Form von Krediten des privaten Kapitalmarkts, die Europas Staaten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 erhielten, überzeugte Marshall seine politischen Mitbewerber und Landsleute nun von einem völlig neuen Modell: Anstatt eines reinen Nothilfefonds oder eben Anleihen auf privater Basis sollte nun ein über mehrere Jahre hinweg greifendes strategisches Programm für den Wiederaufbau Europas in Angriff genommen werden.

Milliarden, damit Europa wieder in Schwung kam

Die riesigen Summen, die dieser „Marshallplan“ (genau: das „European Recovery Program“) vorsah, machte zwar so manchen Kongressabgeordneten sprachlos – 13 Milliarden US-Dollar, nach heutigem Wert rund 200 Milliarden Dollar, sollten Europas Staaten zwischen 1948 und 1952 zur Verfügung gestellt werden – doch die starken Argumente, die der Außenminister lieferte, überzeugten seine Kritiker: Europas Situation im Frühjahr 1947, als Marshall von einer Europareise zurückkam, war geradezu hoffnungslos. Die Erleichterung über das Ende des Zweiten Weltkriegs war angesichts Resignation und Mutlosigkeit gewichen.

Unterzeichneten den Marshallplan 1948 in Wien, von links: US-Gesandter John Erhardt, Vizekanzler Adolf Schärf und Außenminister Karl Gruber (Bild: picturedesk.com/Kern, Fritz / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com)
Unterzeichneten den Marshallplan 1948 in Wien, von links: US-Gesandter John Erhardt, Vizekanzler Adolf Schärf und Außenminister Karl Gruber

Es fehlte an Grundnahrungsmitteln – Österreich etwa konnte im Frühjahr 1946 nur dank der Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen vor einer Hungerkatastrophe bewahrt werden -, die Industrieproduktion war um 40 Prozent eingebrochen, der Kontinent kam nicht vom Fleck.

Am bedrohlichsten war aber die vorherrschende Zukunftsangst. Europas Staaten, so der allgemeine Tenor, würden Jahrzehnte in Armut bevorstehen, darüber ließen die Staatenführer ihre Bürger nicht im Zweifel. Würde der Friede in Europa halten? Würde angesichts dieser Misere der Kontinent Stalin wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen? Würden neue autoritäre Strömungen aufkommen?

Europas Selbstheilungskräfte wurden aktiviert

Am 3. April 1948, wurde das European Recovery Program, das George C. Marshall ein Jahr zuvor vorgestellt hatte, schließlich vom US-Kongress verabschiedet. Nach vielen wissenschaftlichen Untersuchungen über die langfristigen Auswirkungen des Marshallplans kann man Folgendes zusammenfassen:

Erstens war der wichtigste Effekt trotz aller Milliarden nicht finanzieller, sondern psychologischer Natur. Europas „Selbstheilungskräfte“ wurden gestärkt, der Kontinent erhielt die richtige Starthilfe, um zu seiner alten wirtschaftlichen Größe zurückzufinden.

Zweitens erfolgte die amerikanische Hilfe auf Augenhöhe. Europas Staaten entschieden selbst, wie sie die bereitgestellten Güter verteilten, wie sie die freigegebenen Gelder investierten. Dafür mussten die europäischen Regierungen planen, ihren Investitionsbedarf schätzen, vor allem aber: sich mit den anderen europäischen Staaten an einen Tisch setzen.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb der Stadt Wien im Rahmen des Marshallplans (Bild: picturedesk.com/Austrian Archives / brandstaetter images / picturedesk.com)
Ein landwirtschaftlicher Betrieb der Stadt Wien im Rahmen des Marshallplans

Für Protektionismus und Handelsschranken, die die europäische Wirtschaft der Zwischenkriegszeit so geschwächt hatten, war im Nachkriegseuropa kein Platz mehr.

Vorteil: Wissenskapital und viel Erfahrung 

Drittens – und nicht zu unterschätzen: Europa mochte nach dem Zweiten Weltkrieg zwar wirtschaftlich am Boden liegen, aber der Kontinent konnte auf eine jahrhundertelange Erfahrung in Marktwirtschaft und auf funktionierende Strukturen zurückgreifen. Ohne dieses Wissenskapital hätte der Marshallplan nie derart gut greifen können.

Bei aller Hilfe erkannten die USA freilich auch den Nutzen, mit der ihre Großzügigkeit gegenüber Europa künftig vergolten werden würde. Allen Dulles, von 1953 bis 1961 CIA-Chef, hatte es auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Der Plan gründete auf unserem Wunsch, am Wiederaufbau Europas mitzuwirken, das mit uns auf den Weltmärkten konkurrieren kann und wird, und schon deshalb erhebliche Mengen unserer Produkte kaufen wird.“

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