625 Kilometer Reichweite, dazu viel Platz und eine Routenplanung, die Ladestopps automatisch einkalkuliert. Klingt, als wäre der „Renault Scenic E-Tech Electric 220 PS“ long range – die „reichweiteste Variante“ – ein richtig gute Reiseauto. Ob er das wirklich ist, klärt „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hier im Videofahrbericht.
Im ersten Fahrbericht von der internationalen Präsentation hat der sympathisch auftretende Scenic ziemlich gut abgeschnitten. Manche Dinge lassen sich aber bei einer solchen Gelegenheit angesichts begrenzter Zeit nicht vertiefend betrachten. Wie ist der Verbrauch in der Realität? Wie ist das Auto im Alltag? Eine Sache, die damals gestört hat, erwies sich auf Dauer dann doch als weniger gravierend.
Innenraum
Die Kante bzw. Ecke der Handyablage an der Mittelkonsole, an der immer das Bein anliegt, ist zwar nicht ideal, aber beeinträchtigt den Komfort weniger, als es den Anschein hatte. Es sitzt sich also angenehm, auch auf dem Fahrerplatz, zumal auf dem Sportsitz der Version Esprit Alpine. Lediglich der Fußraum vor der Rückbank ist eingeschränkt. Und die Mittelablage ist zu tief angebracht. Dafür fällt positiv auf, dass in das mit Teppich verkleidete (!) Türfach eine 1,5-Liter-PET-Flasche passt.
Der Kofferraum ist voluminös (545 Liter), die Ladekante ist aber hoch, sodass man sich tief hineinbücken muss. Ein doppelter Boden ist nicht erhältlich, daher bleibt nach dem etwas umständlichen Umklappen der Rücksitzlehne eine hohe Stufe. Unter einer Klappe befindet sich ein Fach fürs Ladekabel. Es dort zu platzieren erwies sich als unpraktisch.
Laderoutenplanung
Das Google-Navi hat auf Zuruf über die nicht immer verständnisfreudige Sprachbedienung („Hey Google!“) blitzschnell eine Route fertig und Augenblicke später auch schon Ladestopps eingeplant. Deren Wahl lässt aber oft zu wünschen übrig, weil man häufig mit viel zu hohem Ladestand (SoC) an den Stecker geschickt wird. Im Extremfall waren es 59 Prozent.
Zudem werden diese Ladestopps fix als Zwischenziele eingeplant. Sie ändern sich nicht, wenn man mehr oder weniger als prognostiziert verbraucht oder zwischenzeitlich auflädt. Es ist auch nicht möglich vorzugeben, mit welchem SoC man an Ladestopps ankommen möchte. Für das Reiseziel kann man diesen Wert grob vorgeben.
Einmal standen wir vor dem verschlossenen Tor eines Shopping-Center-Geländes, wo eine Ladestation stehen sollte, die das Navi ausgesucht hatte. Dass diese erst um 7 Uhr früh zugänglich war, lässt sich nur herausfinden, wenn man jede geplante Station einzeln am Screen überprüft.
Ladevorgang
Praktisch ist, dass sich neben der Ladeklappe ein Entriegelungsknopf befindet. Lästig ist, dass sich das Auto manchmal verriegelt, während man das Kabel von der Station nimmt, und dann nicht wieder entriegelt, wenn man die Klappe öffnen möchte.
Während des Ladens schaltet sich das Bediensystem ab. Wenn man im Auto sitzen bleiben möchte, kann man also weder den Ladevorgang überwachen (außer per Handyapp), noch Musik hören. Denn wenn man den Startknopf drückt, wird das Laden beendet. Immerhin muss man dann an der Ladesäule nichts mehr machen, sondern kann einfach den Stecker abziehen und weiterfahren.
Das Laden geht generell nicht sehr schnell. Die maximale Ladeleistung beträgt 150 kW. Real waren es 147 kW, die auch nicht lange gehalten wurden. Renault gibt als Ladedauer von 15 bis 80 Prozent 37 Minuten an. Üblich ist die Spanne von 10 bis 80 Prozent: 38 Minuten waren es hier.
Reichweite
Die WLTP-Angabe ist vielversprechend: 625 Kilometer. Die Realität sieht anders aus. Bei Temperaturen im Teenager-Bereich oder Anfang 20 Grad betrug der Reiseverbrauch rund 22 kWh/100 Kilometer, was bei einer Nettokapazität von 87 kWh knapp 400 Kilometer bedeutet. Da man aber kaum einen knallvollen Akku bis auf null leer fährt, ist relevanter, wie weit man von 80 bis 20 Prozent kommt - und das sind nicht einmal 280 Kilometer. Bei Temperaturen im niedrigen einstelligen Bereich betrug der Reiseverbrauch (hauptsächlich Autobahn mit maximal 137 km/h, Tempomat) rund 28 kWh. Macht knapp 220 Kilometer von Ladestopp zu Ladestopp.
Zwei Dinge sind allerdings vorbildlich: Serienmäßig sind sowohl die Wärmepumpe als auch der 22-kW-Lader an Bord.
Reisekomfort
Das Fahrgefühl ist auf Reisen im Wesentlichen angenehm. Sobald man nach dem Anfahren den Bereich des besonders lauten Fußgängerwarntons verlassen hat, geht es leise zu im Scenic. Allerdings tritt ab 120 km/h ein Brummen auf, das mit steigendem Tempo immer vernehmlicher wird. Das optionale Harman-Kardon-Sound-System hilft.
Apple CarPlay ist drahtlos, und es ist auch gut integriert. Man kann also leicht zwischen Handyfunktionen und Bordsystemen switchen, anders als teilweise bei BMW oder Mazda oder so. Aber: Mit der Verbindung hakt’s manchmal. Bei einer Fahrtunterbrechung wird die Verbindung oft nicht wieder automatisch hergestellt – und wenn man sich da nicht vor der Weiterfahrt drum kümmert, wird’s kompliziert. Es kommt auch vor, dass man dann am Bildschirm einen Song auf Spotify startet, der dann aber nicht übers Soundsystem, sondern übers Handy abgespielt wird.
Das Fahrwerk ist straff komfortabel, Bremse und Lenkung sind etwas gefühllos. Das Fahren macht trotzdem Spaß, weil der Scenic „gut ums Eck“ geht. Mit 1,9 Tonnen ist er relativ leicht, da ja allein der Akku schon über eine halbe Tonne wiegt. Aber ein Sportwagen ist er nicht, anders als es der Name Alpine erwarten lässt. Mit 218 PS (hier täuscht die Modellbezeichnung) und 300 Nm ist er absolut adäquat motorisiert.
Über Lenkradpaddles kann man die Rekuperation einstellen kann, von fast segeln bis richtig stark. Vorbildlich.
Ein echter Komfortgewinn: Mit einer Taste links vom Lenkrad lassen sich die lästigen Zwangsassistenten abschalten. Einfach im Menü zusammenklicken, wie man’s gerne hätte, dann reicht zukünftig ein Doppeldruck auf die Taste, damit man seine Ruhe hat.
Die Preise
Basispreis für den Renault Scenic mit 87 kWh und 210 PS sind 48.800 Euro. In Ausstattung Esprit Alpine sind es 50.890 Euro. Mit Extras (Mattlackierung, Fahrassistenzpaket, Harman Kardon, elektrochromatisches Glaspanoramadach) kommt der Testwagen auf 57.220 Euro, abzüglich Förderung.Was man in der Preisliste vergeblich suchen wird, sind LED-Matrix-Fernlicht oder ein Head-up-Display.
Fahrzit
Der Renault Scenic ist im Prinzip ein gutes E-Auto für den Alltag, aber man braucht Geduld. Einerseits, was die Ladezeit betrifft, andererseits, indem man über seine Schwächen hinwegsieht. Hoffen wir auf ein baldiges Update. Das meiste sollte sich leicht über die Software lösen lassen. Dann sammelt der Franzose noch mehr Sympathiepunkte.
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