Explosive Liveshows und mit viel Introvertiertheit versehene Texte müssen kein Widerspruch zueinander sein. Das beste Beispiel dafür sind die Kieler Indie-Rocker Leoniden, die mit ihren „Sophisticated Sad Songs“ dieser Tage die Wiener Arena beehren. Jakob Amr und Lennart Eicke sprechen mit uns über Wanda, Parov Stelar, Kerzenschein und Punkrock.
Kurzer Flashback zurück in den Sommer. Bei der zweiten Ausgabe des Lido Festivals in Linz heizt die Sonne Ende Juni erbarmungslos auf Beton und Asphalt. Die Klimaanlage im Backstagebereich stockt, aber die deutsche Indie-Rock-Band Leoniden kann sich vor Begeisterung kaum halten. „Es gibt hier einen eigenen Barbershop und Pfannkuchen mit veganen Würstchen und veganen Speck. Selbst die Erdnussallergiker bei uns in der Band sind total begeistert und nebenbei kann man auch noch in der Donau baden.“ Auch bandmäßig war man im Großen und Ganzen angetan. „Leider haben wir uns mit Tränen überlappt, die hätten wir gerne gesehen. Bevor der Electro Swing anfängt, sind wir aber weg“, lachen Jakob Amr und Lennart Eicke im „Krone“-Gespräch, „der ist mittlerweile auch bei uns in Kiel angekommen. Das muss aber nicht sein. Man muss nicht alles mögen.“
Glück und Talent
Vom norddeutschen Kiel aus haben Leoniden eine beispiellose Erfolgsgeschichte gestartet, die 2021, mitten in der Pandemie, einen sensationellen Höhepunkt erlebte. Mit dem Drittwerk „Complex Happenings Reduced To A Simple Design“ landete man auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Noch dazu war das Werk ein üppiges Doppelalbum, das vor Haken und Kurven nicht zurückschreckte und das komplette musikalische Œuvre der Band vermittelte. „Wir sind aber nicht über Nacht berühmt geworden und hatten nie einen TikTok-Hit“, erzählen die beiden und schwächen den Erfolg etwas ab, „so eine Nummer eins hat auch viel mit Glück zu tun. Wenn Helene Fischer oder Taylor Swift ein Album veröffentlichen, haben wir nicht einmal theoretisch eine Chance, so fair muss man bleiben.“
Dass die Band so gesund und kongruent gewachsen ist, das macht die beiden Häuptlinge besonders stolz. „Wir haben 21, zum Teil schwer zugängliche Songs geschrieben. Nicht so eine 21-Track-Doppelvinyl der Toten Hosen oder so, die mit solchen Erfolgen rechnen können. Wichtig ist aber, dass wir beim Songwriting keine Sekunde daran denken, sonst setzt es im Studio gleich einmal Backpfeifen. Es gibt nichts Schlimmeres, als eine Band zu sein, die nur das Gängigste und Poppigste macht, um Erfolg zu haben. Wir machen in erster Linie das, was uns gefällt und was wir für richtig halten.“ Unter den vielen Touren in den letzten sieben, acht Bandjahren, waren auch welche mit Wanda. „Die machen sich keinen Stress und ziehen ihr Ding einfach durch. Das ist grandios. So gehen wir auch an die Sache ran.“
Mit Missverständnissen aufräumen
Nach einem derart monumentalen Doppeldecker lag es fast auf der Hand, dass ein Nachfolger eher in die andere Richtung gehen würde. So weist das genial betitelte „Sophisticated Sad Songs“, das im August erschien, nur zehn Songs aus und bricht auch musikalisch mit vielem, was man noch 2021 von den Leoniden musikalisch serviert bekam. „Wir wollten vor allem mit zwei Missverständnissen aufräumen, die uns schon seit den frühen Tagen der Band begleiten“, erzählt das Duo unisono, „einerseits die Behauptung, Leoniden würden keine fröhliche Musik machen. Andererseits die These, traurige Musik müsse vor einem schwarzen Vorhang mit Klavier, Kerzen und weißen Lilien stattfinden. Ganz im Gegenteil – das kann auch auf einem Punk-Konzert passieren, wo Leute miteinander tanzen, und Energie freigesetzt wird.“
Nun, es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Leoniden-Texte für gewöhnlich von einer gewissen Melancholie durchzogen sind. Andererseits konterkariert man die inhaltliche Schwere mit explosiven Konzerten und einer markanten Stage-Performance. „Unsere Konzerte funktionieren aber auch nicht so klassisch nach dem Sender-Empfänger-Modell. Es ist eher wie ein Pingpong zwischen den beiden Polen. Das bauscht sich dann auf, wird immer größer und am Ende zu etwas Ganzheitlichem. Wenn Lennart seine Gitarre gefühlt 600 Meter in die Luft schmeißt, ist es auch jedes Mal lustig zu sehen, wie Neulinge bei uns überrascht davon sind. Dabei ist das ein Teil von uns, ein Teil der Leoniden-Show.“ „Sophisticated Sad Songs“ hat auf dem Cover-Artwork einen sich anbahnenden Moshpit gezeichnet. Auch da spielen die Leoniden mit den Bedeutungsebenen. „Wir kokettieren damit ein bisschen mit dem Ende der Pandemie und damit, dass jetzt wieder Stimmung herrscht.“
Der Guss aus einer Welt
Die Leoniden reklamieren für sich eine Sonderstelle am heimischen Musiksektor. „Der deutsche Popmarkt ist sehr harmlos und weichgekocht. In gewisser Weise gleichgeschaltet. Wir passen da nirgends richtig rein und sind die exotischen Freaks. Wir machen teilweise schon anspruchsvolle, teilweise auch anstrengende Musik. Auf dem Doppelalbum hatten wir ein Intro, das könnte von Turnstile sein. Dann wieder einen Song, der nach Jon Hopkins klingt. Jetzt wirkt das alles mehr aus einem Guss und aus einer Welt. Es gibt doch Platz für Musik wie unsere. Das ist ein bisschen wie mit Bilderbuch und Wanda hier in Österreich. Bilderbuch sind in gewisser Weise mutiger und artifizieller, Wanda ist dafür so ein krasses Gesamtpaket, das man ausschneiden und in jede beliebige Epoche stellen könnte“ Vielleicht passiert das auch einmal mit den Leoniden.
Live in Wien
Am 18. Oktober sind die Leoniden live in der Wiener Arena zu Gast. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das Konzerthighlight mit den aufstrebenden deutschen Indie-Rockern.
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