FPÖ-Chef Herbert Kickl hat am Mittwoch über sein Gespräch mit Bundeskanzler Karl Nehammer berichtet. Der Freiheitliche ist verstimmt über die Äußerungen des ÖVP-Vorsitzenden. Mit der Volkspartei will er aber trotzdem zusammenarbeiten ...
Kickl wolle einen Beitrag zur „Transparenz“ leisten, erklärte der Freiheitliche am Mittwochmittag. Die Worte Nehammers seien „seltsam“, er warf dem Kanzler vor, impulsiv zu sein. Kickl: „Warum denn diese Eile?“ Hier wolle jemand den „Sack zu machen“.
Der FPÖ-Chef monierte persönliche Interessen: „Der Noch-Bundeskanzler ist auch zwei Wochen nach der Wahl in der Wahlkampfrethorik hängengeblieben.“ Er hätte einen „beleidigten und gekränkten“ ÖVP-Chef erlebt. Kickl wundere sich über den breiten Unwillen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Hier werde eine Chance vertan.
Er vermisse innerhalb der ÖVP „Zuversicht“ zu den großen Themen. Der „Nehammer-Text“ sei schon geschrieben gewesen, bevor er mit Kickl gesprochen hätte. Dieselben „Bausteine“ hätte der blaue Obmann auch im Privatgespräch gehört. Das Motto sei: Die Tür geschlossen halten, um „Positives“ zu vermeiden. Kickl zufolge ginge es Nehammer um den Erhalt des „Kanzlersessels“. Dahingehend sei das Gespräch „erhellend“ gewesen.
Kickl gibt nicht auf
Dabei wollte man die ÖVP etwa überzeugen, dass die gemeinsame Regierungsarbeit bis zum Ibiza-Skandal „gut für Österreich“ gewesen sei. Beide Protagonisten der einstigen türkis-blauen Koalition, Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen blauer Vize Heinz-Christian Strache seien nun „weg“. Inhaltlich habe die Mehrheit einen Mitte-rechts-Weg gewählt.
„Ich habe versucht, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, damit wir einen Schritt weiterkommen“, erklärte Kickl zum Gespräch mit Nehammer. Der FPÖ-Chef habe sich um eine „Entkrampfung“ bemüht: „Eine Zusammenarbeit kann nicht nur unter Freunden möglich sein, jetzt ist Professionalität wichtig, weil es um die Zukunft unseres Landes geht.“
Dieses Prinzip müsse auf die Politik umgelegt werden: „Gar nicht so selten könne aus einer Kameradschaft auch eine Freundschaft entstehen. Der entscheidende Punkt ist der Wille, in einen Prozess des Verhandelns zu kommen und dann Schritt für Schritt Vertrauen für eine künftige Koalition aufzubauen.“
FPÖ hat schon Sondierungsplan
Für Sondierungsgespräche hätte sich die FPÖ außerdem eine „gemeinsame Lagebeurteilung“ und einen Kassensturz gewünscht. Auch einen Fahrplan für Sondierungsgespräche hatte die FPÖ vorbereitet. Dieser umfasst sechs Themenblöcke, von Wirtschaft über Asyl bis Gesundheit. Der Beginn war für den 22. Oktober geplant, das Ende für den 14. November.
Kickl fragte die anwesenden Journalisten abschließend: „Wer ist hier nicht bereit für Verantwortung?“ Nehammer müsse sich nun bewegen. „Wir beide werden uns bewegen müssen.“ Die andere Variante für Türkis sei die Babler-SPÖ. Der Freiheitliche fürchtet einen weiteren „Linksschwenk“. Er appelliere an die „vernünftigen Vertreter“ der Volkspartei: „An uns liegt's nicht!“
ÖVP-Chef schließt Tür zu Kickl
Kickl und Nehammer hatten sich nach der Nationalratswahl, wie von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragt, am Dienstag zu einem Gespräch getroffen. Nehammer hatte danach eine Koalition mit Kickl erneut ausgeschlossen und kein gutes Haar an seinem Gesprächspartner gelassen.
„Ich werde als Bundeskanzler genauso wenig wie als Bundesparteiobmann den Steigbügelhalter für Herbert Kickl machen“, stellte dieser klar. Das sei „keine Frage der Sympathie zwischen uns beiden, es ist nicht die Frage, ob der eine den anderen mag“.
Es gehe um die Frage „des politischen Tuns“, und da habe Kickl in der Vergangenheit oft bewiesen, dass er nicht bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Nehammer sieht offenbar keine Basis für eine Zusammenarbeit.
Kickl habe sich mit seinem Handeln mehrfach gegen die Interessen der Österreicher und Österreicherinnen gestellt. „Mit seiner Zuneigung zu Pferden und Investitionen in diesem Bereich“. Außerdem habe der FPÖ-Chef das Einfallstor für russische Interessen geöffnet und verbreite Verschwörungstheorien, etwa in Bezug auf die WHO.
Auch ÖVP-General ätzt über Kickl
Die neuerliche Abfuhr erteilte am Mittwoch auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. „Kickl versucht verzweifelt, Bundeskanzler zu werden, agiert dabei wehleidig und durchschaubar“, schrieb er in einer Aussendung.
Kickl versucht verzweifelt, Bundeskanzler zu werden, agiert dabei wehleidig und durchschaubar.
Christian Stocker, ÖVP-Generalsekretär
Der FPÖ-Chef habe selbst unmissverständlich klargestellt, dass es eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ nur mit ihm als Kanzler geben werde – „das wird es mit der Volkspartei aber nicht geben“. Kickl sei „ein Spaltpilz, kein Brückenbauer oder Kanzlerkandidat“, so Stocker.
Kommt jetzt die „Zuckerlkoalition“?
Als wahrscheinlichste Koalitionsvariante neben Blau-Türkis gilt derzeit die „Zuckerlkoalition“ bestehend aus ÖVP, SPÖ und NEOS. Kickl bezeichnete diese Variante als „Koalition der Verlierer“.
In diese Richtung gibt es in den kommenden Tagen Gespräche: Am Mittwoch trifft NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger den Kanzler, am Donnerstag den SPÖ-Chef, bestätigte ein Sprecher einen entsprechenden Artikel der „Presse“. Zu diesen Gesprächen werde es vorerst „keine Kommunikation“ geben.
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