Italien hat die ersten Migranten in ein Aufnahmezentrum im Nicht-EU-Land Albanien gebracht, Polen will das Recht auf Asyl vorübergehend aussetzen. Deutschland plant ein neues Paket, um Straftäter leichter abschieben zu können. In der internationalen Presse wird teils vor solchen Alleingängen gewarnt: Viele fordern eine EU-weite Lösung.
„Neue Zürcher Zeitung“ fordert mehr Tempo und Entschlossenheit
„Selbst die in ihrer moralischen Selbstgewissheit führenden Nationen wie Schweden, die Niederlande oder jetzt allmählich auch Deutschland müssen erkennen, dass sie von den Ansprüchen überfordert werden, welche die Integration Hunderttausender Immigranten aus weit entfernten religiösen, sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Kontexten an sie stellt. (...)
Es braucht viel mehr Tempo und Entschlossenheit, damit Migranten ohne Asylgrund – die Mehrheit der Ankommenden – wirksam von der Reise abgeschreckt oder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können. Letzteres geschieht europaweit bloß in 20 Prozent der Fälle.
Es steht viel auf dem Spiel. Geht es so gemächlich und widersprüchlich weiter mit der europäischen Asylpolitik, wird am Ende das ganze Asylrecht zur Disposition stehen. Denn irgendwann wird die Bevölkerung nicht mehr bereit sein, zwischen legitimen Asylbewerbern in Not und irregulären Einwanderern zu unterscheiden, die sich in Europa einfach ein besseres Leben erhoffen. Sie wird sich gegen alle irregulären Immigranten stellen. Wer die humanitäre Tradition des Asylrechts retten will, muss jetzt entschlossen handeln.“
„de Volkskrant“: Tusk will vor Wahl Migration reduzieren
„Polens Sorgen sind an sich verständlich. Das Land ist von einer hybriden Kriegsführung betroffen: Russland und Belarus lassen Migranten bis zur polnischen Grenze durch – in der Hoffnung, Polen und die Europäische Union so destabilisieren zu können. Polen wird auf diese Weise von einem Land attackiert, das mit zahlreichen Mitteln versucht, den europäischen Widerstand gegen seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu brechen. (...)
Das Vorhaben des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk scheint allerdings nicht allein aus echter Besorgnis über Russlands hybride Kriegsführung zu resultieren, sondern auch aus dem Wunsch, die Migration im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr drastisch zu reduzieren. (...)
Eine strengere Migrationspolitik ist nur in einem europäischen Kontext und unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit möglich. Andernfalls droht eine Situation, in der sich die Mitgliedstaaten gegenseitig mit harten Maßnahmen übertreffen – in der Hoffnung, die Migranten anderen Ländern zuschieben zu können. Das wäre katastrophal für die Rechtsstaatlichkeit und für die Migranten, aber auch für das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Europäischen Union.“
„De Standaard“: Debatte in Italien noch lange nicht vorbei
„Italien gibt die Asylverfahren damit nicht aus der Hand. Der große Vorteil eines solchen Drittlandes besteht – zumindest auf dem Papier – darin, dass Asylsuchende nicht auf italienischem Staatsgebiet untergebracht werden. Das geschieht erst, wenn ein Antrag genehmigt wird. Weniger klar ist, was passiert, wenn ein Asylgesuch abgelehnt wird. Im Prinzip müssten die Betroffenen dann in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. Doch was geschieht, wenn dieses Land jegliche Zusammenarbeit verweigert? Das weiß niemand.
Auch die rechtliche Debatte über das System scheint noch lange nicht abgeschlossen zu sein. Auf den ersten Blick kollidiert es mit allen möglichen internationalen Konventionen und den Werten, die Europa zu wahren vorgibt. Außerdem bleibt unklar, ob viele Länder bereit sein werden, ihr Territorium für solche Verfahren zu öffnen, selbst wenn es dafür finanzielle Anreize gibt. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob solche Rückführungszentren nicht alter Wein in neuen Schläuchen sind. Schon vor Jahren träumten manche in Europa von „regionalen Abschiebeplattformen“ in Nordafrika. Doch mangels Interesse in diesen Ländern kamen solche Projekte bisher nicht zustande.“
„ABC“ (Madrid) fordert Lösung aus Brüssel
„Was vor Jahren noch wie Initiativen aussah, die dem europäischen Geist der Gastfreundschaft zuwiderliefen, findet nun seinen Weg in den politischen Diskurs in Europa. Deutschland hat Grenzkontrollen eingeführt und damit den Schengen-Raum faktisch außer Kraft gesetzt, und Polen beabsichtigt, das Asylrecht einzuschränken, um die von Russland und Belarus geförderte Einwanderung einzudämmen. Kurzum, es herrscht die allgemeine Auffassung, dass Europa auf das Problem der illegalen Einwanderung nicht mehr mit den gleichen Mustern wie in den vergangenen Jahrzehnten reagieren kann, weil sie nicht mehr wirksam sind, um eine geordnete Migration zu gewährleisten – und weil sie zu einseitigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten führen. (...)
Die Brüsseler Herangehensweise an die illegale Einwanderung muss dringend aktualisiert werden, aber ohne Eile. (...) Das Lob auf Multikulturalismus und Vielfalt, die die Einwanderung mit sich bringt, wurde dazu benutzt, den Zusammenhalt der europäischen Gesellschaften zu schwächen und die politische Identifikation der Einwanderer mit den Werten von Gleichheit und Freiheit zu verringern, die in einigen ihrer Herkunftskulturen wenig geschätzt werden.“
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