„Krone“-Interview

Schett: „Es ist menschlich, nicht perfekt zu sein“

TV
19.10.2024 06:00

Heute startet das ATP-Tennisturnier in Wien mit der Qualifikation, morgen (Sonntag) verabschiedet sich Dominic Thiem bei einem Showmatch und ab Montag geht es richtig los. Die ganze Woche mit dabei sind ServusTV und Expertin bzw. Ex-Profi Barbara Schett, die uns im großen „Krone“-Interview tiefere Einblicke in ihre zweite Karriere gibt.

„Krone“: Frau Schett, man sieht Sie mittlerweile schon länger im Fernsehen als Moderatorin, Kommentatorin und Expertin als einst am Feld als Tennisprofi. Fühlen Sie sich schon mehr als Fernsehexpertin, denn als Tennisspielerin?
Barbara Schett:
 Bei den French Open 2025 feiere ich 20 Jahre in diesem Job, auf der WTA-Tour habe ich aktiv zwölf Jahre gespielt. Ich kann mich noch sehr gut an meine Zeit im Profitennis erinnern und bin sehr froh, dass ich dem Sport treu bleiben konnte. Der Tenniszirkus ist wie eine große Familie und ich habe hier eine tolle Zweitkarriere starten können. Agenten, TV-Experten und Manager sind oft noch dieselben, nur das Spielerfeld ändert und verjüngt sich natürlich. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich insgesamt 32 Jahre mit dem Profitennis verbunden bin, wird mir kurz schlecht. (lacht)

Wie hat Ihre Fernsehkarriere eigentlich begonnen? Ist da jemand an Sie herangetreten, oder haben Sie sich am Ende ihrer aktiven Sportlerkarriere auch schon darum bemüht?
Ich bin kein Mensch, der Dinge dem Zufall überlässt und so wie jetzt Dominic Thiem wusste ich damals auch schon ein Jahr im Voraus, dass ich aufhören würde. Da habe ich dann aktiver begonnen Netzwerke zu knüpfen, weil ich wusste, ich möchte in diesen Bereich hineingehen. Wichtig war mir, dass meine Karriere nach dem Sport auf mehreren Säulen aufgebaut ist. Ich bin ja nicht nur im TV tätig, sondern auch schon 20 Jahre lang Botschafterin des WTA-Turniers in Linz. Mit dem ÖTV habe ich immer wieder Trainingslager mit Jugendlichen veranstaltet und dann bin ich auch noch Markenbotschafterin. Vor knapp 20 Jahren kam dann von Eurosport International der Anruf, ob ich nicht für sie bei den French Open arbeiten möchte – der Rest ist Geschichte. Anfangs habe ich nur ein paar Interviews gemacht, jetzt mache ich auch Moderationen oder bin Expertin. Das sind alles verschiedene Arbeitsbereiche und die Vielseitigkeit taugt mir total.

Gibt es unter diesen Subsparten auch Favoriten?
Bei ServusTV bin ich beim Stadthallen-Turnier jetzt als Expertin im Einsatz. Das ist ein bisschen weniger Arbeit als bei den Grand Slams für Eurosport zu moderieren. Dort ist man von früh bis spät im Einsatz und am Ende richtig geschlaucht. Ich halte es aber allgemein für wichtig, dass man sich früh genug umschaut, was nach der aktiven Karriere kommt. Wenn du nicht gerade Federer oder Nadal bist, werden die Menschen nicht unbedingt auf dich warten. Du bist deines eigenen Glückes Schmied. Ich war schon im Tennis immer sehr diszipliniert und das kommt mir jetzt auch hier zugute.

Es gibt ein paar Ex-Sportler, wo man sofort merkt, die fühlen sich vor der Kamera wohl und das passt – bei Ihnen ist das auch der Fall. War diese natürliche, gegenseitige Liebe zur Kamera schon immer da?
Am Anfang wurde viel aufgezeichnet, aber bei Eurosport gab es einen tollen Produzenten, der viel Vertrauen in mich hatte und mich auch vermehrt in Richtung Live-Einstiege förderte. Vor zehn oder 15 Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, Sendungen zu moderieren. Da ist ein ganz anderes Level an Vorbereitung nötig und man muss gerade im Tennis extrem flexibel sein. Ein Match kann 90 Minuten oder auch fünf Stunden dauern. Wie viele Menschen in ihren Tätigkeiten habe ich weiter dazugelernt, bin reifer und damit auch sicherer geworden. Ich bin nicht mehr nervös, aber eine gewisse Anspannung ist immer da. Bei Eurosport haben wir teilweise sieben bis zehn Millionen Menschen Einschaltquoten. Das ist enorm, das muss man mitbedenken. Ich habe aber schon viel erlebt, was live so passieren kann – mich bringt nichts so schnell aus der Ruhe.

Schett im Stadthallen-Tenniseinsatz mit ServusTV-Sportchef Christian Nehiba. (Bild: ServusTV/Manuel Seeger)
Schett im Stadthallen-Tenniseinsatz mit ServusTV-Sportchef Christian Nehiba.

Als ehemalige Profi-Spielerin ist es natürlich auch einfacher, zu Interview mit Aktiven zu gehen und ihnen Dinge zu entlocken, die ein gewöhnlicher Journalist vielleicht nicht so leicht herauskriegen würde. Bekommen Sie da oft das Aizerl Extrainfo aus jemandem raus?
Auch bei den jüngeren Spielern spricht sich herum, dass man selbst einmal ein Teil des Ganzen war und diesen Respekt kriegt man vom Spieler dann auch zurück. Ich dachte immer, da verliert man den Anschluss, aber die Trainer erklären es den Jungen, dann schauen sie auf YouTube und kennen sich aus. Wenn jemand mit mir über Taktisches gesprochen hat, war das natürlich ganz anders, als wenn es jemand tut, der selbst aktiv war. Da ist natürlich eine tiefgründigere Unterhaltung möglich. Da kann man sich auch mal ein bisschen weiter aus dem Fenster lehnen. Wenn ich Novak Djokovic dann mal sage: „Was war das für eine Vorhand bitte? Die hätte ich besser gemacht“, dann ist er nicht angefressen, sondern man kann es mit Schmäh nehmen. Ich weiß halt eher, was man in welcher Situation fragen kann. Da war ich Journalisten gegenüber nicht immer einfach, aber ich habe sicher einen anderen Zugang, weil ich von innen komme.

Sie werden wahrscheinlich nicht mit jedem Spieler so viel Schmäh führen können wir mit einem Novak Djokovic, der meist auch als Gewinner vom Feld zu den Interviews geht …
Natürlich nicht. Mit manchen bin ich enger, mit anderen nicht. Manche führen Interviews lieber, andere mögen das gar nicht. Wichtig ist aber, dass der Respekt da ist und den habe ich mir längst bei allen erarbeitet.

Sie haben Sie den gesamten Tennissport durch die Fernsehkarriere mit anderen Augen zu sehen begonnen?
Als Tennisspieler bist du viel egoistischer und kannst oft nicht verstehen, warum du da jetzt rumstehen und auf ein Interview warten musst. Ich habe auf der anderen Seite schon an Toleranz dazugewonnen und verstehe, dass man halt oft einfach die gleichen Fragen stellt, weil es sein muss. Außerdem sind Medien unheimlich wichtig. Dass die Tennis-Profis so viel Geld verdienen, liegt zu einem sehr großen Anteil an den Fernsehübertragungen und den vielen Geschichten und Interviews in Print-, Radio- oder Onlineprodukten. Nimm dir also Zeit, sei respektvoll und höflich und sprich mit ihnen – es steigert am Ende deinen eigenen Wert und wir alle sitzen im selben Boot.

Sind Ihnen in den knapp 20 Jahren Fernsehberichterstattung besonders markante Hoppalas passiert? Es heißt ja immer, aus Fehlern lernt man am meisten.
Fehler passieren immer wieder, ich sehe das relativ entspannt. Bei einer Livesendung bei den French Open bekam ich mal die Info, dass Djokovic, der gerade gegen Diego Schwartzman spielen sollte, ins Hotel zurückgefahren wäre, weil es regnete. Also ohne auf die Absage zu warten. Das war aber eine Fehlinfo, er war immer da und war dann ziemlich angefressen, dass ich die falschen Gerüchte verbreitet habe. Das musste ich am nächsten Tag berichtigen und es war natürlich unangenehm, weil man wie der größte Trottel dasteht. Passieren tut aber immer was. Bei einem Grand Slam sind 128 Spieler am Tableau, wenn da mal ein Vorname nicht gleich im Kopf präsent ist, geht die Welt aber auch nicht unter. Schlimme Dinge sind nie passiert. Mal fällt dort ein Licht aus, oder die Kabelverbindung hat was. Das lässt sich alles lösen. Bei Live-Sendungen ist es auch menschlich, wenn man nicht perfekt ist.

So ein Enfant Terrible wie der Australier Nick Kyrgios kann aus Ihnen aber nicht mehr werden?
Ausgeschlossen. Wenn er sich am Abend in den Spiegel schauen und mit sich seinen Frieden machen kann, ist das völlig okay. Meine Zugangsweise ist das aber nicht.

Gab es für Sie andere Sportler, die Ihnen in deren Zweitkarriere beim Fernsehen anfangs als Vorbild dienten?
Es gibt vor allem sehr wenige Frauen, die im Tenniszirkus so unterwegs sind, wie ich es bin. Andrea Petković ist da nachgekommen und macht recht viel, Daniela Hantuchová ist auch sehr aktiv, aber dahinter wird es schnell dünn. Für sie bin ich ein Vorbild, was natürlich sehr schön für mich ist. Im Fernsehen sind wir vielleicht schön anzuschauen, aber es steckt immens viel Arbeit dahinter. Der Zeitaufwand bei einem Grand Slam ist so groß, dass es viele nicht machen möchten. Die Kollegen wie John McEnroe, Jim Courier und Co. kennt man natürlich - da gibt es auch immer sehr nettes Feedback. Schön ist ja vor allem, dass es ein weltweiter Sport ist und man sich überall immer wieder sieht.

Sie haben es gerade angesprochen: Haben Sie stark gegen Klischees zu kämpfen? Ist es für eine Frau in Ihrer Rolle manchmal ähnlich schwer wie im extrem maskulin geprägten Fußball?
Ich habe schon das Gefühl, man muss immer ein bisschen mehr machen. Beim Fachlichen noch etwas mehr wissen. Man sollte immer gut ausschauen und es wird penibel darauf geachtet, was man anzieht – das ist bei Männern definitiv nicht der Fall. Heute habe ich längst genug Selbstvertrauen, dass ich auch klar anspreche, wenn mir etwas nicht passt. Aber leichter haben wir Frauen es bestimmt nicht.

In kaum einem Sport auf der Welt ist man so stark entwurzelt wie beim Tennis. Der Tross reist praktisch elf Monate im Jahr quer über den Globus. Sie sind mit Mann und Kind längst in Australien gesettlet, aber in Ihrer Aufgabe beim Fernsehen noch immer enorm viel unterwegs. Ist das jetzt trotzdem eine andere, angenehmere Art des Unterwegsseins?
Ich kann es mir zu einem großen Teil aussuchen, was ich mache und wenn es mir zu viel wird, dann streiche ich was, aber gut 20 Wochen im Jahr bin ich noch immer unterwegs. So intensiv lebt man in keiner anderen Sportart. Australien ist jetzt auch nicht gerade ums Eck, aber da habe ich meinem Mann, der selbst aktiv gespielt hat, viel zu verdanken. Er unterstützt mich unfassbar und weiß, wie sehr ich Tennis auch fürs Fernsehen lebe. Wir sind nur zweimal pro Jahr knapp einen Monat voneinander getrennt – jetzt ist gerade wieder so ein Fall. Mitte November verbringen wir bis Weihnachten die Zeit in Österreich, dann geht es wieder retour. Wir leben aber immer noch nach dem Tennisplan. Bei uns wird nicht nach Ostern oder Wochen gerechnet, sondern „nach Indian Wells“ oder „vor den French Open“. (lacht) Ohne meinen Mann wäre das alles nicht möglich.

Als Sie vom aktiven Tennis zurückgetreten sind, waren sie erst 28. Dominic Thiem ist jetzt 31 und Tennis-Legende Thomas Muster zeigte etwas Unverständnis darüber, dass er sich noch länger zurückkämpfen möchte. Wie sehen Sie das als jemand, der auch schon jung die Karriere beendete?
Letztendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden und diese Entscheidung ist natürlich nie leicht. Früher gab es öfter frühe Karriererücktritte, heute hört mit Anfang 30 keiner mehr auf. Wir alle hätten Dominic noch gerne länger gesehen und ich glaube, er hätte noch ein paar gute Jahre, aber er hat seine Gründe und das ist zu akzeptieren. Nur er selbst weiß, wie es seinem Handgelenk wirklich geht und wie es um seine Gemütsstimmung bestellt ist. Thomas Muster ist auch ein ganz anderer Typ als der Domi. Bei Nadal haben sich alle gefragt, ob er nicht hätte früher aufhören sollen. Wie du es machst, es wird nie allen passen.

Kommen wir noch zum Stadthallen-Turnier. Wer ist Ihr Favorit und wie weit kann Thiem beim letzten Turnier seines Lebens kommen?
Schade ist ja, dass Jannik Sinner als Titelverteidiger nicht da ist. Als ich sah, dass er lieber in Saudi-Arabien spielt, habe ich ihm gleich eine Nachricht geschrieben, dass ich sehr enttäuscht von seiner Abwesenheit bin. Er hat sich scherzhaft entschuldigt und gemeint, wir werden uns schon bald wo sehen. (lacht) Mit Spielern wie Zverev oder Dimitrov ist das Turnier ja immer noch sensationell besetzt. Der Cut in der Weltrangliste liegt bei ca. 50, das ist ein Wahnsinn. Wenn Dominic eine oder zwei Runden schafft, wäre das bei dem Teilnehmerfeld schon ein Wunder. Vielleicht kann ihn das heimische Publikum noch einmal extra anspornen, zum Abschied werden alle kommen wollen. Realistischerweise gehe ich aber nicht davon aus, dass es da zu keiner großen Sensation kommt.

Den von Ihnen prognostizierten Sieger haben Sie mir in der Antwort aber verwehrt …
Ach, Prognosen mag ich so gar nicht. Zverev ist sicher der große Favorit. Ich muss das nicht weiter eingrenzen auf eine Person oder?

Auf wen freuen Sie sich eigentlich am meisten, wenn Sie an ein Interview denken?
Gute Frage! Ich hätte sehr gerne mit Daniil Medvedev geredet (musste kurzfristig absagen – Anm. d. Verf.) Ich finde ihn irrsinnig lustig und mit ihm lässt es sich hervorragend Blödeln und Scherzen. Mit Sascha Zverev hatte ich auch schon viele schöne Interviewmomente, aber er kann auch sehr wortkarg sein, das hängt stark von der momentanen Verfassung ab.

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