Fordert Ski-Revolution

Braathen: „Will in diesem Sport etwas bewirken“

Ski Alpin
21.10.2024 05:58

Lucas Braathen hat ein Jahr der Selbstfindung hinter sich. Der überraschende Rücktritt des damals besten Slalom-Fahrers der Welt entpuppte sich nachträglich als einjähriges Sabbatical. Nun ist Braathen als gereifter Ski-Botschafter unter brasilianischer Flagge zurück und erhebt den Anspruch, seinen Sport zu verändern. Der Ski-Zirkus ist mit ihm wieder um eine Attraktion reicher.

Nicht viele 24-Jährige reden darüber, wie sie den Ski-Rennsport verändern möchten. Lucas Pinheiro Braathen doziert minutenlang mit beeindruckender Eloquenz darüber. Hie und da streut er eine vermeintliche Lebensweisheit ein oder gibt Buchtipps. „Outliers“ von Malcolm Gladwell, vor allem aber „Range“ von David Epstein hat es ihm besonders angetan. Dieses Buch zeigt auf, warum in einer spezialisierten Welt gerade Generalisten erfolgreich sind. „Je breiter das Spektrum an Eindrücken und Erfahrungen im Leben ist, desto besser kannst du in deiner Nische oder deinem spezifischen Job werden“, erklärt Braathen.

Eindrücke hat er im Sabbatjahr genug gesammelt. Nur ein Auszug seines Tuns: Er designte Mode und modelte, heizte Menschen als DJ ein, vertiefte sich monatelang in der Technologieabteilung seines Ausrüsters Atomic und widmete sich seiner Nachwuchs-Foundation. „Es war ein Jahr, in dem ich viel über mich selbst gelernt habe. Es fühlt sich an wie ein Semester in der Schule des Lebens.“

Braathen will Veränderungen
Schon im Jänner traf er die Entscheidung, in den Weltcup zurückzukehren. Gemeinsam mit seinem Vater baute er ein multinationales, vor allem aber hochkarätiges Betreuerteam auf. Mike Pircher, der Ex-Trainer von Marcel Hirscher, und Kurt Kothbauer, zuletzt Physio von Marco Odermatt, gehören dazu. Als 23-Jähriger meist deutlich erfahrenere Menschen einzustellen, fand Braathen einigermaßen witzig – und bereichernd, wie er sagt. Er habe einen Leitsatz von Steve Jobs beherzigt. „Er hat gesagt, bei Apple stellen wir keine Leute ein, um ihnen zu sagen, was sie tun sollen, sondern wir stellen sie ein, damit sie uns sagen, was wir tun sollen.“

Seine Nische sei letztendlich das Skifahren. „Das ist es, was ich erkannt habe. Es ist, als hätte ich in dieser Branche noch etwas zu erledigen. Ich will in diesem Sport etwas bewirken. Ich glaube, dass es Raum für große Veränderungen gibt. Und ich denke, es ist meine Verantwortung, diese Figur zu sein.“

Ski-Crashkurs für Brasilianer
Braathen, der fünf Weltcup-Rennen in Riesentorlauf und Slalom gewonnen hat, war nach einem Streit mit dem norwegischen Verband im Oktober 2023 überraschend zurückgetreten. Er hatte für eine schwedische Bekleidungsmarke geworben, die nicht zu den offiziellen Ausrüstern der Norweger gehört hatte. Für ihn war dies ein inakzeptabler Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Nun vertritt der Doppelstaatsbürger Brasilien, das Land seiner Mutter. Der bisher letzte Sambatänzer im Schnee war Jhonatan Longhi, der es zwischen 2008 und 2016 vergeblich versucht hat, auch Weltcuppunkte zu ergattern.

Der brasilianischen Presse hat Braathen inzwischen einen Crashkurs gegeben. Die Erinnerung daran – „Ja, man fährt mit 140 Stundenkilometern um Plastiktore herum einen Berg hinunter“ – amüsiert ihn nicht nur. Die Rolle als Erklärbär macht ihn stolz. „Ich repräsentiere das Land in einer Sportart, in der es noch nicht vertreten ist. Das ist wirklich besonders.“ Auch familiär ist es speziell. „Zum ersten Mal wird meine Oma verstehen, was Skifahren ist, weil sie es am TV-Bildschirm sehen wird.“

Gleichsam sei die Sportkultur in Brasilien brutal. „In Brasilien geht es nur ums Gewinnen. Alles oder nichts.“ Gebe es aber einen Star, dann werde dieser frenetisch bejubelt. Sein Ziel ist demnach klar. „Ich will wieder ganz oben sein“, sagte Braathen. „Ich würde nicht zurückkehren ohne die Absicht, wieder der Beste zu sein.“ Sein Wirken sieht das neue Sölden-Testimonial aber nun viel breiter. „Ich bin hier, um Menschen dazu zu inspirieren, sich das zu trauen, was sie am meisten glücklich macht.“ In seinem Fall sei das Skifahren, habe er gemerkt. „Um etwas zu bewirken, musst du aber der Beste sein, man muss außergewöhnlich sein. Gewinnen ist außergewöhnlich.“

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