„Wenn der nur halb so gut fährt, wie er ausschaut, …“ haben wir uns gedacht und waren sehr gespannt darauf, die elektrische Neuauflage des R5 in die Finger zu bekommen. Doch was dann kam, hat uns wirklich überrascht. Zu sehen hier im Video.
Es ist selten, dass ein neues Auto auf Anhieb so ziemlich jedem gefällt. Designexperimente hier, Fadesse dort und immer wieder fehlt ein emotionaler Bezug zu einem Auto. Dabei kauft man es oft nicht nur aus rationalen Gründen, sondern auch ein bisschen mit dem Herzen. Aus der Emotion heraus. Man verbringt doch recht viel Zeit damit. Identifiziert sich vielleicht sogar damit. Oder wird von anderen darüber identifiziert.
Der damalige VW-Chef Diess hat, als er im Konzern noch etwas zu sagen hatte, die Devise ausgegeben „E-Autos brauchen keine Emotion“. So kann es zur ID-Reihe, mit der Diessens Nachfolger, sagen wir, jetzt nicht die allergrößte Freude haben.
Und in diese Zeit blutleerer Autos fährt Renault rein wie ein Blitz des Zeus und lässt mit dem neuen R5 etwas aufleben, das für viele die „gute alte Zeit“ ist. Genauso wie wir zig Songtexte von früher spontan textsicher mitsingen können, wissen viele noch, wie damals ihre Autos gerochen haben. Beim einen oder anderen war da ein R5 dabei, schließlich wurde der in der Zeit von 1972 bis 1984 über neun Millionen Mal verkauft.
Ansonsten steht er einfach für ein Lebensgefühl – und das funktioniert auch bei Leuten, die noch nicht so lange auf der Welt sind. Warum sonst wurden wir bei den Testfahrten in Frankreich von Menschen so ziemlich jeden Alters angesprochen, mit gerecktem Daumen beglückwünscht oder mit Handykameras fotografiert? Begeisterung allerorten.
Was tun, wenn …?
Doch was bringt die ganze Optik, die ganze Emotion, wenn sich der neue R5 fährt wie ein Dacia Spring? Ja, was ist, wenn er sich anfühlt wie der rumänische Billigststromer? Die Frage haben wir uns gestellt, aber der R5 hat uns schnell gezeigt, wie absurd sie ist. Kurz gesagt: Er fährt sich phantastisch!
Wobei die Sache mit dem Dacia gar nicht sooo weit hergeholt gewesen wäre, denn angekündigt war der elektrische R5 vor allem als Massenauto um unter 25.000 Euro. Nun ja, eine solche Version kommt auch (wenn auch vielleicht nicht nach Österreich), aber das, was Journalisten jüngst in Nizza und Umgebung zu fahren die Gelegenheit hatten, war die Topversion mit dem größeren der beiden erhältlichen Akkus und dem größten der drei Motoren. Preis je nach Ausstattung 32.400 oder 34.400 Euro. Also bis an die 10.000 Euro mehr, aber dafür bekommt man richtig viel Auto – wenn man „viel“ nicht in schierer Größe bemisst.
Klein und leicht, aber nicht abgespeckt
Mit 3,92 Meter Länge und 2,54 Meter Radstand ist der R5 minimal größer als der elektrische Mini Cooper, ist aber deutlich leichter als der in China produzierte Brite. Das Topmodell des kleinen Galliers mit netto 52 kWh großem Akku und 110 kW/150 PS bringt ohne Fahrer vorbildliche 1449 kg auf die Waage. In Topausstattung sind es auch nur 1469 kg. Der Mini mit ähnlich dimensioniertem Akku wiegt über 150 kg mehr, hat allerdings 218 PS.
Doch ein Kind von Traurigkeit ist auch der Renault nicht. In 8,0 Sekunden sprintet er auf Tempo 100 und fühlt sich mehr als ausreichend motorisiert an. Wem das zu wenig ist, der ist von übermotorisierten E-Autos verwöhnt und hat möglicherweise den Bezug zu Realität und Notwendigkeit verloren. Auf deutschen Autobahnen würde man sich vielleicht mehr als die 150 km/h Höchstgeschwindigkeit wünschen, aber angesichts der mäßigen Schnellladeleistung ist es ratsam, eher nicht so auf die Tube zu drücken, wenn man beizeiten ankommen will (siehe weiter unten).
Das Fahrwerk sprengt die Klassengrenzen
Den Fahrspaß holt sich der elektrische R5 weniger aus dem Antrieb als aus Fahrwerk und Lenkung. Eine Mehrlenkerhinterachse ist in einem Kleinwagen aller Ehren wert. Er liegt satt und verbindlich auf der Straße, ist dennoch komfortabel und fühlt sich nicht an wie ein Kleinwagen. Abgesehen vom Wendekreis, der mit 10,30 Meter in engen Gassen und Parkhäusern Platz schafft, wo keiner ist.
Dazu kommt eine wirklich erstklassige Lenkung, die direkt reagiert und herrliche Rückmeldung liefert. Der R5 lenkt gokartmäßig spontan ein. Das ist ganz großes Kino und war für uns nicht zu erwarten, nur wenige Tage nach dem letzten Test mit dem Renault Scenic.
Auch das Bremsgefühl mit dem neuen entkoppelten One-Box-System passt im R5. Davon, dass beim Tritt aufs Bremspedal im Hintergrund zwischen Rekuperation und Scheibenbremsen vermittelt wird, bekommt der Fahrer nichts mit.
Mit dem neuen R5 bleibt kein Auge trocken, kann man sagen, zumal wenn es am Col de Turrini oberhalb von Nizza wie aus Kübeln schüttet, wie bei unseren Testfahrten. Sogar unter diesen widrigen Bedingungen nervt der kleine Franzose nicht mit Untersteuern, sondern begeistert auf der ganzen Linie. Vor allem bergab zählt da jedes Kilo.
Die Sache mit dem Platz
Wie der Mini Cooper ist der R5 E-Tech Electric kein vollwertiger Viersitzer, dazu fehlt es ihm auf der Rückbank an Beinfreiheit. Es sei denn, vorne und hinten sitzen nur Menschen mit 1,60 Meter Körpergröße. Vorne halten es aber selbst groß gewachsene Klaustrophobiker aus.
Der Kofferraum ist merklich größer als der des Mini. 250 Liter passen ins Hauptfach, unter einer Klappe gehen sich weitere 27 Liter aus, etwa fürs Ladekabel. Blöd nur, wenn man es braucht, wenn Gepäck drauf liegt. Umgeklappt bekommt man 959 Liter.
Hier etwas Kritik an der Renault-Marketingabteilung. Denn die sorgt mit missverständlichen Angaben für ein falsches Bild von der Größe des Ladevolumens. Einerseits geben sie 326 plus 41 Liter an sowie ein Gesamtvolumen von 1106 Liter – diese Angaben sind jedoch irrelevant, weil sie nicht mit den Konkurrenten vergleichbar ist.
Die eigentliche Währung ist die VDA-Norm, nach der das Kofferraumvolumen mit kleinen Normquadern statt mit Flüssigkeit ausgelitert wird, was viel realistischer ist. Auf diesen Schmäh fallen auch viele Über-Autos-Schreiber und -Erzähler herein und loben den ach so großen Kofferraum.
Bediensystem macht das Leben leicht
Wie in den anderen aktuellen Renaults baut auch im R5 das Bediensystem auf Google auf. Der Tacho-Screen misst je nach Ausstattung 7 oder 10 Zoll, der Touchscreen generell 10 Zoll. Mit der Menüführung kommt man auch auf diesem kleinen Screen gut zurecht. Echte Tasten für die Klimafunktionen machen das Leben leichter.
Ganz besonders leicht macht das Leben die „My Safety“-Taste, mit der man auf Knopfdruck seine eigene Konfiguration von Limitwarner, Spurhalteassistent & Co abrufen kann.
Vielleicht nicht alle Antriebe für Österreich
Insgesamt soll es für den R5 drei verschiedene Leistungsstufen für den Antrieb geben: 70 kW/95 PS, 90 kW/122 PS und 110 kW/150 PS. Wer wirklich mehr Leistung braucht, wartet auf die Alpine A290, das ist sozusagen der neue R5 Turbo, mit 220 PS.
Zur Wahl stehen zwei Batterien mit netto 40 und 52 kWh. Für die beiden stärkeren Motoren wird man sich eine der beiden aussuchen können. So bekommt man entweder 321 oder 410 Kilometer WLTP-Reichweite. Das geht für ein für die Stadt oder generell für kleinere Aktionsradien gedachtes Auto absolut in Ordnung und hält das Gewicht gering.
Ob der schwächste Motor in Österreich angeboten wird, steht noch zur Diskussion. Er käme ausschließlich mit der kleinen Batterie und ohne Schnelllademöglichkeit, dafür aber als einziger R5 zu einem Basispreis von unter 25.000 Euro. Man müsste sich schon sehr gut überlegen, ob man dauerhaft mit 11 kW Ladeleistung auskommt. Auch angesichts des Wiederverkaufswertes.
Alle übrigen Varianten lassen sich serienmäßig schnellladen - wobei schnell relativ ist: Maximal geht das mit 80 kW beim kleinen und 100 kW beim großen Akku. Renault gibt eine Ladezeit von 30 Minuten an. Aber Achtung, auch hier wieder ein Marketing-Schmäh: Statt, wie üblich, 10 bis 80 Prozent gibt Renault hier den Wert für 15 bis 80 Prozent an. Schaut einfach besser aus.
Assistenten der Oberklasse
In Sachen Assistenzsysteme lässt sich der R5 extrem gut ausstatten, bis hin zum Quasi-Autopiloten, der es erlaubt es, bei einer Geschwindigkeit von unter 50 km/h Richtung Straßenrand auszuweichen, um Platz für Motorräder und Roller zu schaffen oder eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge zu bilden. Es gibt Notspurhaltefunktion vorwärts wie rückwärts, den Ausstiegsassistenten, die Multikollisionsbremse, und er kann auch beim Rückwärtsfahren im Notfall selbst bremsen.
Ein Hoch auf die Intuition
Angeblich war das Concept Car des R5 gar nicht für eine Realisierung vorgesehen, bevor es der damals neue Renault-Chef Luca de Meo bei der Konzern-Übernahme zu Gesicht bekam und sogleich die Devise ausgab: Den will ich haben. Und so wurde der Elektro-Kleinwagen in der Rekordzeit von drei Jahren fertig entwickelt, wurden Lösungen gefunden, die beim Mockup zwar designt, aber nicht zu Ende gedacht waren. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick, wenn man es romantisch betrachtet. Und der Erfolg wird ihm wohl recht geben.
Fahrzit
Der R5 E-Tech Electric ist zwar nicht das erhoffte für alle leistbare Elektroauto (da die Version unter 25.000 Euro allzu abgespeckt ist), wirklich teuer ist er aber trotzdem nicht, weil er nicht nur unfassbar gut aussieht, sondern auch mindestens ebenso gut fährt. Kurz gesagt: Der Renault 5 E-Tech Electric ist ein großer Wurf. Und mit R4 und Twingo hat Renault noch zwei weitere heiße Retro-Pfeile im Köcher.
Warum?
Weil er unfassbar gut aussieht und gute Laune verbreitet
Weil er richtig gut fährt
Warum nicht?
Weil die 25.000-Euro-Variante nicht einmal schnellladen kann – wenn sie überhaupt nach Österreich kommt.
Oder vielleicht …
… Mini Cooper E/SE, Citroen e-C3
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