„Krone“-Interview

Lisa Schmid: Lieder aus einem „eigenen Wien“

Musik
24.10.2024 09:00

Neben dem Nino aus Wien, Ernst Molden und Co. ist auch genug Raum für eine weibliche Liedermacherszene. Lisa Schmid veröffentlicht dieser Tage ihr zweites Album „Bittersüß“ und verarbeitet darauf Erinnerungen, Familientragödien und Erlebnisse in klanglich leichtfüßige Songs. Im großen „Krone“-Interview gab uns die Künstlerin tiefere Einblicke in ihr Tun.

(Bild: kmm)

Obwohl Lisa Schmid gerade einmal 40 Jahre jung ist, ist der Tod ihr ständiger Begleiter. So richtig ins Rollen kam der morbide Zugang 2019 mit dem Solo-Kabarettprogramm „Ehrengrab“ im Theater in der Drachengasse. Damit sicherte sich Schmid den Titel „Kabarett Talent 2020“ und spielte später damit am Wiener Zentralfriedhof vor der Aufbahrungshalle. Parallel zum kabarettistischen Zugang versucht sie sich auch an der Musik. Das Debütalbum 2022 nennt sich „Nachtschwarz“, ein Jahr später legt sie die EP „Asche“ nach, vor wenigen Wochen kuratierte sie sogar das musikalische Programm anlässlich des Jubiläums von 150 Jahren Wiener Zentralfriedhof. Dass Tod und Dunkelheit gerade in Wien gute Verkaufsargumente sind, ist Schmid bewusst. Dass ihr dieser Tage erscheinendes Zweitwerk „Bittersüß“ überraschenderweise davon abrückt, ist hingegen passiert.

Album voller Ambivalenzen
„Ich habe schon generell einen Humor, der stark mit dem morbiden Zugang zum Tod verknüpft ist“, erzählt Schmid im „Krone“-Gespräch, „wenn der Gevatter aber bei deiner eigenen Familie an der Tür klopft, dann verändern sich die Gefühle unweigerlich. Man kann 100 Kabarettprogramme und Songs darüber geschrieben haben und ist trotzdem traurig.“ Nicht zuletzt deshalb heißt das neue Werk „Bittersüß“. Es geht um Krisen, Dramen und das Ende, aber auch um das Weitermachen, den Aufbruch und die Hoffnung. „Wehmut und Schwermut hängen irgendwie zusammen und auf dem Album gibt es viele Ambivalenzen. Wenn ich Songs schreibe, dann steckt nie ein Plan dahinter. Ich mache einfach und schaue, was am Ende dabei herauskommt. Wir haben dann versucht, all diesen Songs einen Übertitel zu geben und sind bei ,Bittersüß‘ gelandet, weil es am besten passt.“

Wenn Schmid von „wir“ spricht, meint sie sich und Gitarrist David Poglin. Während sie selbst für die Texte verantwortlich ist, schreibt man gemeinsam die Musik. „Ich hatte anfangs ein paar Gitarrenstunden bei David, aber daraus erwuchs schnell eine Freundschaft und musikalische Partnerschaft heran. Ich will immer alles sofort und bin fordernd, David ist meist sehr entspannt. Zwischendurch kann der Ton im Studio ziemlich arg werden, aber so ist das halt, wenn man sich nicht immer zu 100 Prozent einig ist.“ Das rustikale, aber stets faire aufeinander Zugehen lässt sich mitunter in der Heimat verorten. Poglin ist in Rudolfsheim-Fünfhaus zu Hause, Schmid lebt seit der Geburt in Wien-Donaustadt. Dem Bezirk, dem sie auf diesem Album auch eine gleichnamige Hymne gewidmet hat.

Gerne Klischees bedienen
„Transdanubien ist so ein eigenes Wien, aber ich bediene gerne diese Klischees“, so Schmid, „ich habe mir schon viele Wohnungen angeschaut, will aber eigentlich nie von hier weg. Ich habe versucht, von hier wegzuziehen, aber es ist mir noch nie gelungen.“ In der Donaustadt wurde sie von ihrem Opa gestählt, dem der Song „Liebe Grüße aus Lignano“ gewidmet ist. „Wir waren dort so oft auf Familienurlaub. Opa hat mich immens geprägt, zu ihm konnte ich immer aufschauen. Während andere Mädchen mit Barbiepuppen gespielt haben, waren wir im Sommer am Fischteich, haben Bisamratten geschossen und Fische ausgenommen. Er war zu meiner Oma leider immer ein autoritärer Macho, aber zu mir ein großartiger Großvater. Er hat immer gesagt, als Mädchen müsse ich mich behaupten und dürfe mir von keinem Typen was gefallen lassen.“

Die Familie geht Schmid über alles. Eine geliebte Oma habe ihr den Weg zum Kabarett geebnet, der anderen schrieb sie am Sterbebett den Album-Closer „Steh ned wannand on mein Grob“. „Ich pendelte für sie zwischen Wien und dem Burgenland hin und her, sie befand sich am Ende in 24-Stunden-Pflege. Ich habe ihr das Lied am Bett vorgespielt und packe es bis heute nicht, dass sie es noch gehört hat.“ Ihr Tod im August 2023 hat das neue Album stark geprägt – allerdings anders als erwartet. „In der dunkelsten Zeit meines Lebens ist im Großen und Ganzen irgendwie gegenteilige Musik dabei rausgekommen.“ Wiewohl viele Themen eine gewisse Schwere aufweisen, klingt der Sound der Liedermacherin zum Teil leichtfüßiger und beschwingter als man es bisher gewohnt war. „Ich habe gelernt, dass der Mensch überall ist. Ein gutes Jahr später fühlt es sich für mich an, als wäre sie nicht gestorben, sondern noch immer da. Es herrscht nur eine andere Form der Kommunikation zwischen uns.“

Werte sind wichtig
„Bittersüß“ ist nebenbei auch ein weiteres Kapitel, um sich als Liedermacherin am umkämpften Markt zu behaupten. „Ich bekam oft die Kritik, man würde meinen Gesang auf dem ersten Album nicht so gut verstehen. Das kann ich nachvollziehen und daran haben wir auch gearbeitet. Ich musste mir aber schon viel anhören. Sprüche wie ,die Joni-Mitchell-Zeiten sind vorbei‘ oder ,zieh dir lieber was Nettes an und nimm deine Lieder mit‘ sind mir nicht unbekannt. Egal, ob im Kabarett oder in der Musik – es gibt immer ältere Männer, die dir ihre Welt erklären wollen. Seit ich diesen Job mache, sind mir die Werte, die mir mein Opa mitgegeben hat, besonders wichtig. Ich bin froh, dass ich immer auf mein Bauchgefühl höre und nicht auf andere.“ Auf „Bittersüß“ verarbeitet Schmid ihre Erfahrungen und macht sie anderen zugänglich. „Man lebt ja immer in seinem eigenen Universum. Wenn man dann sieht, dass sich auch andere mit deinen Liedern identifizieren können, haut mich das jedes Mal wieder vom Sessel.“

Album-Release-Show in Wien
Morgen, am 25. Oktober, stellen Lisa Schmid und David Poglin ihr Album „Bittersüß“ im Spielraum Gasometer B in der Wiener Guglgasse live vor. Unter www.kupfticket.com gibt es noch Karten für die Album-Release-Show.

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