Ex-Agent wurde aktiv

Wie Benko seinen Chefberater ausspionieren ließ

Wirtschaft
23.10.2024 15:00

Im Jahr 2023 hat ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter aus Israel René Benkos langjährigen Handelsstrategen auskundschaften lassen. Mit dubiosen Methoden. Die „Krone“ kennt die Hintergründe.

Die Eckdaten sind bekannt. René Benko hat mit seinem Signa-Konzernkonglomerat die mit Abstand größte Pleite der österreichischen Nachkriegsgeschichte hingelegt. Das so intransparente wie verschachtelte Konstrukt krachte Ende 2023 unter einer milliardenschweren Schuldenlast in sich zusammen. Seither kümmern sich Heerscharen an Anwälten, Ermittlern und Sanierungsverwaltern um die Aufarbeitung einer Insolvenz, die sowohl in ihrer Dimension als auch in ihrer Komplexität ihresgleichen sucht.

Unstrittig ist: René Benko war der Kopf eines Signa-Molochs, den er bis zuletzt, bis zum Untergang 2023 beherrschte, obwohl er zehn Jahre davor, nach seiner strafrechtlichen Verurteilung, jedwede Organfunktion zurückgelegt hatte. Für Benkos intensive Involvierung existieren mittlerweile Hunderte Belege. Gut belegbar ist auch, dass der heute 47-jährige Tiroler, der seit seinem Konkurs als Unternehmer Anfang März 2024 den Anschein erwecken möchte, er habe auch mit seinen Stiftungen wenig bis nichts mehr zu tun, offenbar weiterhin in die Geldbunker seiner Familie hineinregiert.

Nun erfährt die Affäre um einen Finanzjongleur, der als Immobilienspekulant in den Hoch-Zeiten seiner Signa-Gruppe sogar dem englischen Königshaus Konkurrenz machen wollte, eine neue Dimension.

Mafiös anmutende Methoden
Denn: Recherchen von „Krone“ und „News“ legen nahe, dass René Benko womöglich nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene über Jahre sämtliche Grenzen übertreten hat; er hat auch im menschlichen Bereich Rote Linien überschritten und sich offensichtlich wenig um rechtliche Rahmenbedingungen geschert. Er ließ einen Vertrauten ausspionieren, der ihm viele Jahre nahestand. Er bediente sich dabei mafiös anmutender Methoden, die man sonst nur aus Spielfilmen kennt. Er traute – zumindest gegen Ende – offenbar niemandem mehr. Nicht einmal mehr seinen engsten Vertrauten.

Am 10. Jänner 2024 erhält René Benko auf seine Signa-E-Mail-Adresse, die zwei Monate nach dem Crash der Signa Holding nach wie vor aktiv ist, eine Mail geschickt. Der Anhang trägt den Namen: „Scan Mr. Buller“. Das PDF-Dokument birgt einen Inhalt mit hoher Brisanz.

In den 39 Seiten befinden sich private finanzielle Details, die den höchstpersönlichen Lebensbereich eines ehemaligen Signa-Chef-Strategen betreffen. Es geht um Dieter Berninghaus, Benkos langjährigem Oberberater im Handelsbereich. Das Konvolut beinhaltet finanzielle Details rund um Berninghaus, die mit normalen, legalen Mitteln nicht zu beschaffen sind. Darunter sogar: geschäftliche Beauftragungen, für die Berninghaus‘ Frau verantwortlich zeichnet. Aber auch: alle Details über das Aktiendepot des Unternehmens, das Frau Berninghaus als Geschäftsführerin leitet.

Krebserkrankung
Um die Dimension dieser Aktivitäten in ihrer Gesamtheit erfassen zu können, muss man einen Schritt zurückgehen – in den Mai 2023. Damals, wenige Monate vor dem endgültigen Untergang der intransparenten Signa-Gruppe, meldet sich der Signa-Handelsexperte Dieter Berninghaus im sich bereits in Schieflage befindlichen Signa-Universum ab. Aus gutem Grund: Berninghaus ist an Krebs erkrankt, sämtliche Ärzte raten ihm mit Nachdruck, sich schleunigst Untersuchungen und Operationen in England bzw. den USA zu unterziehen.

Doch Benko traut seinem langjährigen Vertrauten Berninghaus nicht mehr. Er, der laut Aussage ehemaliger Weggefährten mitunter den Eindruck erweckte, er könne über Wasser gehen, hat ganz offensichtlich jegliche Bodenhaftung verloren. Also lässt Benkos Signa einen international gefragten Spezialisten für nachrichtendienstliche Aktivitäten beauftragen: Moshe Buller, einen ehemals leitenden Agenten des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, der sich schon vor Jahren mit einer Gruppe ehemaliger Geheimdienstler in die Selbstständigkeit verabschiedet hat.

Bullers Unternehmen „International Intelligence Agency (IAA)“ operiert über Niederlassungen in Israel, Hongkong und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das US-Büro sitzt im New Yorker Chrysler Building. Buller ist ein eher offensiver Vertreter seiner verschwiegenen Zunft: Er tritt mitunter auf Konferenzen wie dem World Police Summit auf. Auch auf der Website der Organisation „World Economic Council (WEC)“ mit einer Anschrift in der Wiener Innenstadt taucht sein Name auf. Buller wird dort als „Ambassador“ bezeichnet, als Vertreter für Israel.

Ex-Geheimdienstmann Moshe Buller (Bild: © Tina Fineberg/The New York Times/Redux/laif)
Ex-Geheimdienstmann Moshe Buller

Vertrauliche Bankdaten
Buller scheint bestens vernetzt. Er liefert. Mehr, als René Benko sich wohl zu erhoffen wagte. In dem 39-seitigen Konvolut („Scan Mr. Buller“), das sich der Signa-Gründer an diesem 10. Jänner 2024 vor Augen führt, befinden sich sogar Rechnungen an die Landschaftsarchitekten von Frau Berninghaus. Dazu noch: eine komplette Übersicht der jüngsten Aktien-Transaktionen einer Berninghaus-Firma bei einer Schweizer Regionalbank. Es geht um ein Depot über mehrere Millionen Schweizer Franken. Ganz offensichtlich werden unlautere Methoden angewendet, um in den höchstpersönlichen, tief privaten Lebensbereich eines über Jahre maßgeblichen Signa-Managers einzudringen und den Benko-Vertrauensmann auszuspionieren.

Auszug aus dem Aktiendepot bei einer Schweizer Kantonalbank (Bild: zVg )
Auszug aus dem Aktiendepot bei einer Schweizer Kantonalbank

Wohl aus gutem Grund, so legen es Recherchen von „Krone“ und „News“ nahe, hat René Benko dieses Konvolut am 10. Jänner 2024 erhalten – und bald danach wieder aus dem Posteingang verschoben.

Auffällige Honorarnoten
Die Verrechnung dieser absurden Aktivitäten des israelischen Geheimdienst-Spezialisten Moshe Buller erfolgte offenbar über einen langjährigen Benko-Vertrauensanwalt: über Stefan Prochaska, der Benko bereits im Chorherr-Verfahren betreute.

Benko-Anwalt Stefan Prochaska (Bild: natascha unkart)
Benko-Anwalt Stefan Prochaska

Stefan Prochaska dokumentierte diverse Leistungs-Abrechnungen sogar in seinen offiziellen Honorarnoten an die Signa Holding, die der „Krone“ und „News“ vorliegen. Er schrieb an die von Benko kontrollierte Signa Holding, die über Jahre als oberste Kerngesellschaft firmierte, höhere fünfstellige Honorarabrechnungen, in denen sich nicht nur Hinweise auf „Gespräche mit (dem) Ermittler“ finden, sondern auch dramatisch hohe Barauslagen, die für grenzwertige Aktivitäten verwendet worden sein könnten.

Hohe Barauslagen auf einer Honorarnote von Benko-Anwalt Prochaska (Bild: zVg)
Hohe Barauslagen auf einer Honorarnote von Benko-Anwalt Prochaska
Leistungsbeschreibung vom 9. Mai 2023: „Bericht über DB“ und „Bericht an RB“ (Bild: zVg)
Leistungsbeschreibung vom 9. Mai 2023: „Bericht über DB“ und „Bericht an RB“

Laut einer internen Aufstellung wurden zumindest zwei dieser hohen Anwaltsrechnungen aus dem Jahr 2023 an die Kanzlei Prochaska überwiesen. Heikel ist in diesem Zusammenhang ein Mailverkehr zwischen Signa-Holding-Geschäftsführer Marcus Mühlberger und dem Chef-Controller der Signa-Gruppe, der die Zahlungen an Prochaska im Blick hatte.

Mühlberger fragte gut zwei Monate nach der Insolvenzeröffnung der Signa Holding unter dem Betreff „Prochaska“ nach: „Hast Du die Unterlagen für seine Anmeldung? Danke.“

Daraufhin antwortete der Finanzmanager der Signa: „Er hat keine Forderung geltend gemacht…. Er weiß wahrscheinlich, warum….“

„Fassungslos und extrem schockiert“
Ex-Geheimdienstler Moshe Buller bestätigte auf Anfrage, dass sein Unternehmen „Ermittlungen zu Herrn Berninghaus“ durchgeführt habe. Das Büro von Benko-Anwalt Prochaska sei jedoch nur so etwas wie „ein erster Meeting-Raum“ gewesen – „und nicht mehr“. Herrn Benko habe er „nie getroffen“.

Benko-Anwalt Stefan Prochaska ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Der ausspionierte Berninghaus teilte über seinen Rechtsvertreter mit: „Dieter Berninghaus und seine Familie sind fassungslos und extrem schockiert über die hier ans Tageslicht gekommenen Fakten.“ Diese müssten nun genau analysiert werden. „Zu möglichen rechtlichen Schritten kann sich die Familie zum heutigen Zeitpunkt daher nicht äußern.“

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