20 Jahre nach der Reunion, zehn Jahre nach dem Comebackalbum und ein halbes Jahr nach der Integration von Bassistin Emma Richardson befinden sich die einstigen Indie-Rock-Heroen Pixies spät an der Spitze ihrer eigenen Kreativität. Gitarrist Joey Santiago blickte im „Krone“-Talk zurück auf die weniger friedlichen Zeiten.
Manchmal werden Träume wahr, auch wenn man vielleicht ein bisschen von ihrer prinzipiellen Ausrichtung abweichen muss. Pixies-Gitarrist Joey Santiago hat seit geraumer Zeit die große Vision, einen Filmsoundtrack komponieren zu dürfen. „Der Sound sollte so gut sein, dass man sofort den Film dazu vor Augen hat, ohne ihn wirklich zu sehen“, erzählt er der „Krone“ im Interview. „The Night The Zombies Came“ ist zwar „nur“ das zehnte Studioalbum seiner Kultband und kein richtiger Filmsoundtrack, durch seinen cineastischen Ansatz und die Verbindung zwischen den einzelnen Songs kommt das zehnte Werk des Quartetts aus Boston aber so filmisch rüber wie kein Album davor. 20 Jahre nach dem Comeback der Pixies sind Black Francis und Co. fast so gut kalibriert wie zu ihren Hochzeiten. Die 13 neuen Songs sind nicht konzeptionell und haben schon gar nichts mit dem schlichtweg cool klingenden Albumtitel zu tun, sie beweisen aber eindrucksvoll, dass Gitarrenmusik von etablierten Musikern auch im Jahr 2024 noch funktionieren kann.
Reibereien bis zur Implosion
Ein kurzer Rückblick: Die erste Karrierephase der Pixies war kurz. Zwischen 1986 und 1993 pressten Francis und Co. fünf Studioalben aus ihren artifiziellen Leibern, „Surfer Rosa“ (1988) und „Doolittle“ (1989) sollten zu legendären Exzerpten in der Indie-Rockwelt werden. Das träumerische Kultstück „Where Is My Mind?“ sollte mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Entstehung durch den Einsatz im Film „Fight Club“ (1999) zum Kultstück werden – seit damals sind die Pixies auch dem Mainstream ein Begriff. All der großartigen Musik zum Trotz gab es immer wieder Reibereien, Missstimmungen und Kämpfe innerhalb der Band. Solange, bis die Implosion unvermeidlich war. Black Francis kündigte die Band öffentlich auf, informierte die einstigen Mitstreiter erst später via Fax. Nach diversen Soloprojekten gab es ein gutes Jahrzehnt der Wiederfindung, doch es sollte weitere zehn Jahre bis zum Album „Indie Cindy“ dauern. Da, 2014, war Bassistin und Fanliebling Kim Deal bereits durch Paz Lenchantin ersetzt.
Dass die Tür für die selbst gegangene Deal immer offen sei, revidierten die restlichen Bandmitglieder im Laufe der Zeit. Es wäre der neuen Bassistin Paz Lenchantin gegenüber nicht fair, würde das drohende Damoklesschwert „Personalwechsel“ weiterhin über ihr pendeln. Vor wenigen Monaten war auch diese Beziehung beendet. Ähnlich kryptisch wie sich die Band zwei Dekaden davor auflöste: Lenchantin hätte davon nichts gewusst, wäre überrascht gewesen. Black Francis sieht das naturgemäß anders. Am Viersaiter spielt seit einem halben Jahr die Britin Emma Richardson, die einen gehörigen Vertrauensvorschuss bekam und auf „The Night The Zombies Came“ nicht nur im Hintergrund mit trällern, sondern zuweilen auch die Hauptstimme übernehmen darf. Ob Francis knapp vor dem 60er die Altersmilde in die Glieder schoss oder er schlichtweg gut hinhörte und ihr berechtigterweise vertraut – geschenkt. Freuen wir uns einfach, dass es jetzt so ist.
Kollegen und Freunde
Das neue Album ist zudem das musikalisch beste seit den 90er-Jahren. Über die letzten zehn Jahre und fünf Studiowerke haben sich die Pixies immer besser aufeinander eingegroovt, womit man anfangs nicht zwingend rechnen konnte. „Wichtig ist, dass wir alle sehr gut miteinander auskommen“, betont Santiago den neuen Hausfrieden, „heute können wir Job und Privatleben viel besser unterscheiden. Manchmal sind wir Kollegen, manchmal aber auch Freunde. Wenn es um wirtschaftliche Dinge geht, reden wir sehr ernsthaft darüber. Verabreden wir uns aber einfach nur zum Abendessen, hat das Geschäftliche nichts zu suchen. Wir alle haben wieder Spaß und das ist elementar wichtig, um die Band am Leben zu erhalten. Black Francis wäre der Erste, der sofort wieder weg wäre, wenn es uns nicht so gut ginge wie momentan.“
An die wilden Jugendjahre denkt Santiago mit gemischten Gefühlen zurück. „Als die Band auseinanderbrach, waren wir jung, egoistisch und nicht sehr nervenstark. Wir fühlten uns unzerstörbar, explodierten dann aber doch. Macht jemand in der Band eine schwere Zeit durch oder hat er private Probleme, wird offen darüber geredet. Wir hören zu und versuchen uns zu unterstützen, das war früher sicher nicht immer so. Der Respekt füreinander war eigentlich immer da, aber wir haben die Karten nicht so offen auf den Tisch gelegt. Damals haben wir sehr viel Dreck unter den Teppich gekehrt und es war spürbar, dass uns irgendwann damit die Luft zugeschnürt werden würde. Wir diskutieren heute viel mehr und manchmal geben wir auch nach, weil es dem größeren Ganzen dient. Viele Dinge kann man nur ändern, indem man sich selbst zurückstellt.“
Tour ohne Österreich
Dass so manch alteingesessene Fans ihre Probleme mit der personell leicht adaptierten Pixies-Inkarnation haben, ärgert Santiago nur aus einer Warte heraus. „Wenn man etwas Neues probiert und die Leute schimpfen, bevor sie etwas gehört oder gesehen haben, macht mich das wütend. Jeder hat seine Chance verdient, bevor er kritisiert wird. Das ist so, als würdest du das ungeborene Baby einer schwangeren Frau nicht mögen. Warum bloß? Du kennst das verdammte Baby doch noch gar nicht, um urteilen zu können.“ Aktuell können die Pixies laut eigenem Bekunden aus rund 90 Songs für eine Liveshow wählen. Bei der hohen Qualität auf „The Night The Zombies Came“ kann man jetzt erstmals auf eine dreistellige Zahl erhöhen. Das schmeckt all jenen, die die Pixies 2025 auf ihrer großen Tour live sehen können. Nicht unter diesen Ländern befindet sich Österreich. Black Francis und Co. schippern zielgerichtet an unseren Landesgrenzen vorbei ….
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