Ein Drittel der Frauen und Mädchen sei von verbaler oder psychischer Gewalt im Netz betroffen, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar fast zwei Drittel. Darauf hat das Netzwerk der Frauen- und Mädchenberatungsstellen in einer Pressekonferenz hingewiesen. Trotz guter Gesetzeslage bekämen Betroffene zu wenig Hilfe.
Teils weil es an Bewusstsein, auf vielen Ebenen aber auch am technischen Wissen mangle. Das Projekt #Gemeinsam gegen Cyber-Gewalt mit dem Frauenservice Graz setzt nun dort an.
„Hate Speech“ und Überwachung
Betroffene würden immer häufiger von Angriffen über das Internet und smarte Geräte berichten. Dabei gehe es oft um „Hate Speech“ (digitale Hassrede), noch öfter um Cyber-Gewalt in Beziehungen, meist durch (Ex-)Partner, berichteten die Beraterinnen. Laut einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (European Institute for Gender Equality, EIGE) haben 70 Prozent der Frauen, die online belästigt werden, auch körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Besonders besorgniserregend sei der Einsatz von Stalking-Software, sagte Sophie Hansal, Geschäftsleiterin des Netzwerks.
Sexuelle Belästigung am häufigsten
Eine Erhebung unter 322 Frauen ermittelte sexualisierte Belästigung als die häufigste Form: 70 Prozent der Befragten waren betroffen, sagte Helena Essl vom Frauenservice Graz. Eine Frau schilderte, wie sich „während eines Online-Meetings ein privater Videochat öffnete, sich ein Teilnehmer auszog und sie bedrängte“. Zwei von drei Frauen berichteten, Beschimpfungen und Drohungen erlebt zu haben. „Eine Teilnehmerin beschrieb, dass ihr ein Mann wiederholt Nachrichten schickte und schließlich sogar ihren Aufenthaltsort herausfand, wodurch sie sich nicht mehr sicher fühlte“, so Essl. Ein Drittel gab an, kontrolliert oder überwacht worden zu sein.
Die Betroffenen seien massiv in ihrem Alltag eingeschränkt. Sie beschrieben Unsicherheit, Bedrohung und Angst. Über die Hälfte leidet laut der Befragung an psychischen Folgen. Die Mehrheit der Täterinnen und Täter war unbekannt oder anonym, ein Drittel waren Ex-Partner bzw. -Partnerinnen, hieß es.
Viele Opfer unzureichend informiert
Fast jede zweite befragte Frau fühlt sich nicht gut genug informiert, wie sie sich online sicher bewegen kann. Am häufigsten wünschten sie sich spezialisierte Beratungsstellen für technische Unterstützung bei Cyber-Gewalt. Oft würden sich Betroffene nicht mit wichtigen Funktionen ihrer Endgeräte auskennen – von Sicherheitseinstellungen über sichere Passwörter bis zur GPS-Ortung – und die technische Verwaltung dem Partner überlassen, sagte Katharina Pertschy vom Frauenservice Graz. Das bekannte Schlagwort dazu ist „Digital Gender Gap“, das einen gravierenden Unterschied zwischen Männern und Frauen im Zugang zu digitalen Technologien beschreibt.
Es kristallisiert sich zunehmend der Bedarf an IT-Expertise für besonders komplexe oder umfangreiche Fälle heraus.
Jenny-Kerstin Bauer, Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen
Die Strafverfolgung stecke trotz gesetzlicher Nachbesserungen „in den Kinderschuhen“, zu viele Anzeigen würden eingestellt, meinte Jenny-Kerstin Bauer, stv. Leiterin des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Betroffene wie Täter hätten oft das Gefühl, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, das erhöhe die Gewaltbereitschaft. Der Bedarf an Schulung sei groß, dafür sei eine langfristige sichere Finanzierung nötig. „Es kristallisiert sich außerdem zunehmend der Bedarf an IT-Expertise für besonders komplexe oder umfangreiche Fälle heraus, zum Beispiel in Form von Technikkompetenzzentren für geschlechtsspezifische Cyber-Gewalt“, so Bauer.
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