„Generäle wie Hitler“

Möchtegern-Diktator: Trumps Wahn unter der Lupe

US-Wahl 2024
28.10.2024 16:59

Donald Trump und sein Umfeld haben sich unter dem Eindruck des nahenden Wahltermins zu bemerkenswerten Aussagen hinreißen lassen. Seit Wochen scheint herauszuplatzen, was sonst nur hinter verschlossenen Türen formuliert wurde. Eine Einordnung der vergangenen Wochen.

Das Militär als Waffe gegen persönliche Feinde einzusetzen, ist nicht neu. Warlords, Diktatoren und Putschisten haben von dieser düsteren Taktik schon häufig Gebrauch gemacht. Präsidentschaftskandidat Trump will es ihnen gleichtun und das Militär auf „Feinde aus dem Inneren“ hetzen. Selbst gewählte Offizielle seien für ihn legitime Ziele, betonte er in den vergangenen Tagen mehrfach.

Bei Trumps groß inszeniertem Wahlkampfabschluss im New Yorker Madison Square Garden (siehe Video oben) vor etwa 19.000 MAGA-Anhängern wiederholte er diese und andere Parolen. Einwanderer wurden pauschal als Mörder, Vergewaltiger und Gangster diffamiert. Seine Vorredner warfen zudem mit einem bedrückenden Selbstverständnis Verrücktheiten um sich.

„Amerika ist für Amerikaner und nur für Amerikaner“, proklamierte etwa Trumps Chefdemagoge Stephen Miller. „Wir müssen diese anderen Leute abschlachten“, forderte der New Yorker Immobilieninvestor Grant Cardone, ein Freund Trumps, im Hinblick auf die politische Konkurrenz.

Trump bei seinem Wahlkampfabschluss im Madison Square Garden in New York City (Bild: AFP/Michael M. Santiago/Getty Images)
Trump bei seinem Wahlkampfabschluss im Madison Square Garden in New York City
Trump ließ sich im Madison Square Garden feiern. (Bild: AFP/Anna Moneymaker/Getty Images)
Trump ließ sich im Madison Square Garden feiern.

„Hillary Clinton, was für ein kranker Kotzbrocken“, brüllte der konservative Radiomoderator Sid Rosenberg. Er fuhr fort: „Die ganze verfickte Partei. Ein Haufen Degenerierter. Judenhasser und Abschaum.“ David Rem, im Programm als Jugendfreund Trumps vorgestellt, sagte über Kamala Harris: „Sie ist der Teufel, sie ist der Antichrist.“ Dabei wedelte er mit einem Kruzifix. 

Erleben wir Trump 2.0?
Die Veranstaltung war eine Art Best-of des bisherigen Wahlkampfs – aber lauter und schroffer. Jetzt stellt sich die Frage: Sind die faschistischen Fantasien von Trump und seinem Umfeld eine neue Evolutionsstufe seines politischen Denkens oder handelt es sich dabei um die öffentliche Aussprache eines gärenden Demokratiehasses, der sein Wesen schon sehr lange beherrscht?

Dass der selbst ernannte Business-Tycoon Brutalität mit Stärke gleichsetzt, ist ausreichend dokumentiert. Diktatoren wie Xi Jinping, Kim Jong Un und insbesondere Wladimir Putin faszinieren Trump. Der Republikaner ist bekannt dafür, die „Vorzüge“ einer Diktatur leidenschaftlich zu skizzieren.

Er selbst kündigte während des aktuellen Wahlkampfs an, „Diktator für einen Tag“ sein zu wollen, falls er wieder ins Weiße Haus gewählt werden sollte. Im Alleingang wolle Trump dann die Grenze zu Mexiko schließen und sich über Umweltstandards zugunsten der Öl-Industrie hinwegsetzen.

Das Liebäugeln mit dem Faschismus
Bei einem Termin mit strenggläubigen Christen in Florida ließ er zudem offen, ob es nach seinem Sieg überhaupt noch eine Abstimmung geben würde. Trump forderte die Menge auf, „hinauszugehen und zu wählen, nur dieses Mal.“ Sobald er das Oval Office beziehe, sei eine Stimmabgabe nicht mehr nötig. 

Während eines Wahlkampfauftritts im Swing State Pennsylvania liebäugelte Trump auch mit einem staatlich angeordneten Angriff auf die Zivilbevölkerung. Als Präsident könne er sich vorstellen, der Polizei einen  „wirklich gewalttätigen Tag“ einzuräumen, um Kriminelle aus dem Weg zu räumen. Seine Anhänger applaudierten frenetisch.

Nach der Eskalation folgt die Relativierung
Trumps Wahlkampfteam war bei jedem dieser Fälle darauf fokussiert, seine Äußerungen abzuschwächen. Mal hätte ihr Chef gescherzt, mal sei er von „den Medien“ falsch zitiert oder Ziel einer Schmierkampagne geworden. Feststeht, Trump legt diese Blutrünstigkeit und Verachtung für demokratische Prozesse nicht erst seit diesem Wahlkampf an den Tag.

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Die chinesischen Generäle würden wissen, was zu tun ist.

(Bild: APA/AP)

Donald Trump über Demonstrationen

Ehemalige Weggefährten und Mitarbeiter zeichnen das Bild eines gestörten Narzissten, der Ungehorsam verabscheut und Tyrannen wie Adolf Hitler etwas abgewinnen kann. Der pensionierte US-General Mark Milley gab gegenüber Enthüllungsreporter Bob Woodward zu Protokoll, dass der 78-Jährige ein „Faschist durch und durch“ und „die gefährlichste Person für dieses Land“ sei. 

Wegbegleiter berichten von Gewaltfantasien
Trump steht offenkundig bis heute unter dem Eindruck, dass der Oberste Volksvertreter der USA wie ein Alleinherrscher regieren sollte – ohne die berühmten „Checks and Balances“. Der Republikaner soll laut einem Bericht des „Atlantic“ ungläubig reagiert haben, als er nach seiner Wahl 2016 darauf hingewiesen wurde, dass amerikanische Militärangehörige einen Eid auf die Verfassung und nicht auf den Präsidenten schwören. 

Der pensionierte US-General Mark Milley weiß, wie Trump hinter verschlossenen Türen spricht. (Bild: AFP/Brendan Smialowski)
Der pensionierte US-General Mark Milley weiß, wie Trump hinter verschlossenen Türen spricht.

Als Katalysator seiner faschistischen Allüren gelten unter anderem die landesweiten Proteste gegen Polizeibrutalität nach dem elenden Tod des Afroamerikaners George Floyd im Jahr 2020. Wütende Ausschreitungen hätten den damaligen Präsidenten in Rage versetzt. „Die chinesischen Generäle würden wissen, was zu tun ist“, soll er anwesenden Personen zufolge während einer internen Krisenbesprechung moniert haben.

Im Raum war damals auch Mark Esper, zu dieser Zeit Trumps Verteidigungsminister. Der Konservative erklärte dem National Public Radio im Jahr 2022: „Wir erreichten den Punkt in dem Gespräch, an dem er General Milley offen ansah und sagte: Können Sie sie nicht einfach erschießen, einfach in die Beine schießen oder so?“ Als Verteidigungsbeamte gegen Trumps Wunsch argumentierten, verlor er die Fassung und schrie: „Ihr seid alle verdammte Verlierer!“

Die Faszination Adolf Hitler
Trump interessierte sich dem Vernehmen nach gegen Ende seiner Präsidentschaft mehr und mehr für die Diktatur als Regierungsform und die absolute Kontrolle über das Militär. „Ich brauche die Art von Generälen, die Hitler hatte“, soll Trump unter anderem gesagt haben, was mehrere Wegbegleiter mittlerweile bestätigten. „Wissen Sie, Hitler hat auch einige gute Dinge getan“, habe auch John Kelly mehrfach von Trump zu hören bekommen, erklärte der ehemalige Stabschef nun der „New York Times“. Die Republikaner sprechen Kelly jegliche Glaubwürdigkeit ab. 

Rücktrittrede von US-General glich einer Abrechnung
Schützenhilfe erhält der ehemalige Trump-Vertraute jedoch von anderen Wegbegleitern des Ex-Präsidenten. US-General Milley erinnerte bei seiner Rücktrittszeremonie im vergangenen Jahr: „Wir leisten keinen Eid auf einen König oder eine Königin oder auf einen Tyrannen oder Diktator, und wir leisten keinen Eid auf einen Möchtegern-Diktator. (…) Wir leisten einen Eid auf die Verfassung, und wir leisten einen Eid auf die Idee, die Amerika ist, und wir sind bereit zu sterben, um sie zu schützen.“

Jene Beschützer der US-Verfassung will Trump aus dem Weg räumen. Nach dem Kapitolsturm und der immer gleichen Lüge einer „gestohlenen Wahl“ radikalisierte sich sein Umfeld weiter, wie sein Wahlkampfabschluss in New York City eindrücklich zeigte. Konservative Kräfte wie Kelly oder Esper wurden durch Loyalisten und psychotische Marktschreier ersetzt.

„Project 2025“: 2024 ist nicht 2016
Im Hintergrund wird allerdings professioneller gearbeitet. Im Gegensatz zu seinem chaotischen Amtsantritt nach seinem Überraschungssieg 2016 profitiert Trump jetzt von einer breit finanzierten Infrastruktur für die Ausgestaltung seiner politischen Ideen. Das sogenannte „Project 2025“ der Trump-nahen Denkfabrik Heritage Foundation fungiert dabei als eine Art Navigationssystem zur Realisierung seiner faschistischen Träume.

Dutzende ehemalige Mitarbeiter der ersten Trump-Administration halfen bei der Erstellung des fiktiven Regierungsprogramms. Mehr als 22 Millionen US-Dollar soll die Erarbeitung gekostet haben. Trump schwört hingegen, nichts davon zu wissen und bestreitet jegliche Verbindungen. Die Schnittmengen zu seinen offiziellen Vorhaben sind jedoch verblüffend.

Ein Abgleich der Manifeste lässt erahnen, wie ein Wahlsieg Trumps die USA verändern würde. Dazu gehört etwa die Wiedereinführung einer als „Schedule F“ bekannten Verordnung. Diese würde es Trump ermöglichen, Zehntausende von Bundesbediensteten zu entlassen und durch loyale Mitarbeiter zu ersetzen. Die Hertiage Foundation hat hierfür bereits Tausende Kandidaten überprüft, um US-Behörden mit Trumpisten überschwemmen zu können.

Alles zum „Project 25“
Wie Donald Trump die Demokratie aushöhlen will
(Bild: Krone KREATIV/AP, Heritage Foundation)

Weg mit der Demokratie, her mit dem autoritären Staat: Donald Trump und seine Verbündeten möchten die USA radikal umbauen. Die Blaupause liefert das „Project 2025“-Papier. Dessen 922 Seiten lesen sich wie die Gebrauchsanleitung einer erzkonservativen Revolution. Krone+ weiß, was genau drinnen steht.

Trump stimmt Anhänger auf „letzte Schlacht“ ein
„Wir werden die Kriegstreiber aus unserer Regierung vertreiben. Wir werden die Globalisten vertreiben. Wir werden die Kommunisten, Marxisten und Faschisten hinauswerfen. Und wir werden die kranke politische Klasse, die unser Land hasst, loswerden“, schrie Trump im vergangenen Jahr seinen Anhängern auf einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire zu – und klang dabei wie eines seiner politischen Vorbilder.

Trumps Erzählung verfängt besonders gut bei jungen Menschen, zeigen Umfragen. (Bild: AP/Evan Vucci)
Trumps Erzählung verfängt besonders gut bei jungen Menschen, zeigen Umfragen.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat Trump nach außen gekehrt, was er sonst nur in Gesprächen mit Mitarbeitern formuliert hatte. Lange gehegte Fantasien wie der Missbrauch des Militärs oder der Polizei platzen jetzt aus ihm heraus. Für seine Anhänger im Madison Square Garden hatte Trump eine simple Botschaft: „In neun Tagen kommt der Tag der Befreiung!“

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