Freispruch vom Mord

Autist stach in Wien auf Fremden ein: Notwehr!

Gericht
23.10.2024 18:07

Ein banaler Streit darum, wer am Gehsteig dem anderen ausweichen müsse, führte in Wien zu einem Prozess um versuchten Mord. Ein 22-Jähriger, bei dem in der Kindheit das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, stach noch in der Konfrontation auf das Opfer ein. Der junge Wiener behauptet, massiv bedroht worden zu sein: „Ich hatte Todesangst.“ Die Geschworenen folgen seiner Argumentation.

Keine leichte Aufgabe für die Geschworenen am Mittwoch im Wiener Landl. Vor ihnen sitzt ein 22-Jähriger, der an einer Autismus-Störung leidet. Ihm wird versuchter Mord an einem ihm fremden Mann am 21. Mai in der Donaustadt vorgeworfen. Michael (Name geändert) war wie immer auf dem Weg zum Bus, als das spätere Opfer am Gehsteig direkt auf ihn zukam. Weil er nicht auswich, sondern stehenblieb, soll der Mann geschimpft haben: „Heast, kannst du ned ausweichen?“

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Heast, kannst du ned ausweichen?

Dieser Satz des Opfers löste alles aus.

Michael begründet dies so, dass er immer entlang des Grünstreifens geht und noch dazu auf sein Handy geschaut hätte. Wenig später sei man wieder aufeinandergetroffen. Warum, lässt sich nicht genau erörtern. Das Opfer glaubt, dass ihm der Angeklagte nachgegangen sei. Dieser wiederum behauptet, er sei nur schnellen Schrittes auf dem Weg zum Bus gewesen, an den Vorfall habe er gar nicht mehr gedacht.

Verteidiger Rudolf Mayer verteidigte erfolgreich. (Bild: Zwefo)
Verteidiger Rudolf Mayer verteidigte erfolgreich.

„Hätt ich mich ermorden lassen sollen?“
Beim zweiten Kontakt kam es jedenfalls zu einem Gerangel, beide Männer landeten am Boden, das Opfer über den Täter. „In Todesangst“ will der Angeklagte zum Messer in seiner Gürteltasche – ein Souvenir von einer Japan-Reise – gegriffen und zugestochen haben: Laut Staatsanwalt insgesamt sechsmal. „Der Mann hatte einen blutrünstigen Psychopatenblick und schrie ,Ich bring dich um'“, plädiert der Mandant von Anwalt Rudolf Mayer auf Notwehr.

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Ich habe Anatomiebücher gelesen. Ich weiß, wie weit man gehen kann, dass man nicht stirbt.

Der angeklagte 22-Jährige

In den Sekunden, als er das Messer zog, habe er sich noch genau überlegt, wie er zusticht, damit der Mann über ihn von ihm ablässt: „Ich habe Anatomiebücher gelesen. Ich weiß, wie weit man gehen kann, dass man nicht stirbt“, stellt er einen Mordversuch in Abrede.

Und weiter: „Was hätt ich denn machen sollen, hätt ich mich ermorden lassen sollen?“ Ob es ihm leidtue, will Richterin Nicole Baczak wissen: „Natürlich, welch krankem Psychopath würde das nicht leidtun? Es ist widerwärtig, ekelhaft und abstoßend, in einen Menschen zu stechen“, wird der 22-Jährige laut.

Junge Mutter vom Opfer angepöbelt
Dass das Opfer an jenem Tag aggressiv war, meint auch eine Zeugin. Die Frau lud gerade ihren Kinderwagen aus dem Auto, als der Passant an ihr vorbeiging und schrie: „Sei froh, dass ich dir keine in die Goschn hau.“ Im Gericht erkennt sie den Zeugen wieder. 

Gerichtspsychiater Peter Hofmann begutachtete den Angeklagten. (Bild: Groh)
Gerichtspsychiater Peter Hofmann begutachtete den Angeklagten.

Dieser wiederum bestreitet den Vorfall: „Ich war an dem Tag total entspannt. Es lief privat gut und auch im Job“, sagt der Logistik-Mitarbeiter. Seiner Version nach hat der Angeklagte einen „leeren Blick“ gehabt. Und beim Angriff „einen Grinser, wie so ein Horrorclown. Ich hab geglaubt, er bringt mich um.“

Geschworene entscheiden auf Notwehr
Nach zweistündiger Beratung steht für die Geschworenen fest: Der 22-Jährige handelte in Notwehr. Er wird vom Mordversuch – nicht rechtskräftig – freigesprochen und enthaftet. 

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