Nach den bitteren Erfahrungen bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 gibt es die Sorge, dass die Wochen nach dem 5. November nicht gewaltfrei verlaufen könnten. Insbesondere drei gewaltbereite Milizen lassen politische Beobachter zittern …
US-Präsident Joe Biden sagte kürzlich, die Wahl werde fair sein – aber er wisse „nicht, ob sie friedlich sein“ werde. Zugleich heizt der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit Äußerungen über den „Feind im Inneren“ und unterstellten Betrugsabsichten das politische Klima immer weiter an.
Gewaltbereite Milizen sorgten für Chaos
Die US-Verfassung erlaubt die Bildung nicht-staatlicher, bewaffneter Einheiten. Im rechtsextremen Spektrum zählen die Oath Keepers, die Proud Boys und die Three Percenters zu den größten Milizen. Allen ist eine staatsfeindliche Ideologie und die Bereitschaft gemein, mit Waffengewalt politische Ziele zu verfolgen.
Die Oath Keepers (Hüter des Eides) rekrutieren frühere oder aktuelle Polizisten und Soldaten und setzen sich gegen eine angebliche Tyrannei durch die US-Regierung zur Wehr. Die 2009 gegründete Gruppe ist die größte in der Miliz-Bewegung, die mitunter genannte Zahl von 35.000 Mitgliedern gilt aber als übertrieben. In den Reihen der Miliz gibt es viele Trump-Sympathisanten. Ihr Gründer Stewart Rhodes wurde wegen seiner Verstrickung in die Kapitolerstürmung zu 18 Jahren Haft verurteilt.
Die Proud Boys (Stolze Burschen) sind eine 2016 gegründete neofaschistische Gruppierung, die politische Gewalt gegen linke Politiker und Aktivisten glorifiziert. Sie sehen weiße Männer in westlichen Staaten von der Auslöschung bedroht, auch sie unterstützen Trump. Die Schätzung zur Zahl der Mitglieder schwankt zwischen einigen hundert und einigen tausend.
Bekannt wurde die Gruppe durch Trumps Spruch von 2020 „Proud boys, stand back and stand by“ (Haltet euch zurück und haltet euch bereit). Mehrere Mitglieder wurden wegen der Kapitolerstürmung verurteilt, unter ihnen ihr Anführer Enrique Tarrio zu 22 Jahren Gefängnis.
Auch die 2008 gegründeten Three Percenters (drei Prozenter) rekrutieren frühere oder aktuelle Soldaten und haben sich dem bewaffneten Widerstand gegen die Bundesregierung verschrieben. Ihr Anführer Barry Croft war an den vereitelten Plänen zur Entführung der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, beteiligt. Mehrere Mitglieder der Gruppe wurden wegen der Kapitolerstürmung angeklagt, in einem Fall wurde eine Haftstrafe von mehr als sieben Jahren verhängt.
Verurteilungen zeigten Wirkung
Die auf die Erforschung politischer Gewalt spezialisierte Nichtregierungsorganisation ACLED verzeichnet eine abnehmende Mobilisierung der rechtsextremistischen Gruppen und für das Jahr 2024 die niedrigste seit 2020. Die Experten führen dies auf die Inhaftierung und Verurteilung zahlreicher Mitglieder zurück. So hätten die Oath Keepers und die Three Percenters „den Großteil ihrer Fähigkeit verloren, Mitglieder auf der Straße zu mobilisieren“. Auch die Proud Boys seien weniger aktiv als 2020.
Dies bedeute aber nicht, „dass das Risiko politischer Gewalt im Jahr 2024 gering ist“. Die Experten halten ein Szenario für naheliegend, bei dem nach einem sehr knappen und umstrittenen Wahlausgang wütende Trump-Anhänger auf die Straße gehen – und sich dann Milizionäre spontan anschließen, um die Proteste anzuheizen.
Im Falle einer Wahlniederlage Trumps hält der Gewaltforscher und Mediziner Garen Wintemute vom Universitätsklinikum in Sacramento einen Gewaltausbruch wie 2021 nicht für ausgeschlossen. „Sollte Trump die Wahl verlieren, könnten rechtsgerichtete Organisationen mit Gewalt versuchen, ihn dennoch ins Weiße Haus zu bringen“, sagt Wintemute.
Behörden besser vorbereitet als 2021
Allerdings seien die Sicherheitsbehörden dieses Mal besser auf ein solches Szenario vorbereitet. Auch wird darauf verwiesen, dass Trump anders als bei seiner Abwahl vor vier Jahren dieses Mal nicht als amtierender Präsident auftritt.
Trump bezeichnet die Straftäter vom 6. Jänner 2021 als zu Unrecht inhaftierte „Geiseln“ und hat angekündigt, sie an „Tag eins“ im Amt zu begnadigen. Als US-Präsident könnte er auch den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) von 1807 heranziehen, der ihm erlaubt, zur Bekämpfung von Aufständen im Inneren die Nationalgarde oder auch das Militär einzusetzen.
Rechtsextreme gegen „linke Irren“?
Auf diese Möglichkeit zielte Trump ab, als er kürzlich davon sprach, der Staat müsse mit „radikalen linken Irren“ fertig werden, „wenn nötig durch die Nationalgarde oder, falls wirklich nötig, durch das Militär“.
Gewaltforscher Wintemute schließt nicht aus, dass dann „die Proud Boys und andere Rechtsextremisten Teil dieser Kapazitäten zur Strafverfolgung werden“ – etwa, indem von Trump begnadigte Milizionäre zu Marshalls gemacht werden, deren Aufgabe die Festnahme von Verdächtigen ist.
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