Eineinhalb Jahre lang ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen eine rüstige Wienerin, insgesamt drei Jahre dauerte das Verfahren. Ihr wurde vorgeworfen, das Testament ihres Halbbruders akribisch gefälscht zu haben. Die Pensionistin wird angeklagt, es droht Haft. Der Prozess bringt ans Licht: Das Schriftstück wurde tatsächlich gefälscht. Aber nicht von ihr.
Die Locken frisch gelegt und extra die schönen schwarzen Schuhe tragend, machte sich eine 89-jährige Wienerin auf ins Straflandesgericht. Es ist das Finale in einer für sie sehr belastenden Angelegenheit, die sich drei Jahre lang gezogen hat. Die Pensionistin, die schon Schicksalsschläge wie den tragischen Verlust ihres Sohnes verkraften musste, sieht sich mit einer Anklage und einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren Haft konfrontiert.
Kuvert lag in der Tasche des Verstorbenen
Laut Staatsanwaltschaft Wien soll sie das Testament ihres letzten Verwandten, nämlich ihres Halbbruders, gefälscht haben. Ende Juli 2021 verstarb der Mann, beim Ausräumen seines Hauses fand Frau R. im Beisein zweier Frauen ein Kuvert mit der Aufschrift „Testament“ in der Tasche des Bruders und nahm dieses mit zum Notar. Der einzige Unterschied zum alten Testament, in dem sie wertvolle Kunstwerke und eine Wohnung bekommen hätte: Auch das Haus am See, in dem sie laut dem ursprünglichen Testament lebenslanges Wohnrecht gehabt hätte, wäre in ihr Eigentum übergegangen.
„Meine Mandantin hätte das Haus laut Ursprungs-Testament nicht vererben oder veräußern können. Aber beides ist für sie völlig irrelevant, da sie weder Familie, noch Schulden hat“, erklärt ihre Verteidigerin Bettina Caspar-Bures. Und auch die Angeklagte beteuert: „Ich habe das nicht gefälscht. Ich habe es gefunden und dachte, es ist die Handschrift meines Bruders.“
Die Fälschung sei laut Staatsanwältin mit viel krimineller Energie und einer akribischen Planung erfolgt. „Glauben Sie, dass im fortgeschrittenen Alter – damals war meine Mandantin 86 – eine derartige akribische Fälschung möglich ist?“, führt Caspar-Bures ins Treffen.
Das Gericht folgt ihrer Argumentation, es setzt einen rechtskräftigen Freispruch für die erleichterte 89-Jährige! Jener Mann, der laut erstem Testament das Haus erbt, will im Zivilgericht erreichen, dass Frau R. als „erbunwürdig“ erklärt wird und er alles – also auch die Wertgegenstände – erbt. Als Argument führte der Bekannte des Verstorbenen, der Elektroarbeiten für diesen tätigte, die Testamentsfälschung an.
Wird jetzt weiter ermittelt?
Die ist aber nun widerlegt. Wer das Schriftstück tatsächlich gefälscht hat, ist indes offen. Gut möglich, dass die StA Wien den spannenden Fall erneut aufrollt. Frau R. will sich damit nicht mehr beschäftigen. Sie sagt: „Ich bin froh, dass die Vorwürfe gegen mich endlich vom Tisch sind.“
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