Der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Uni-Klinik für Innere Medizin, Günter Weiss, rechnet mittelfristig mit einer weltweiten Epidemie, ausgelöst durch ein „humanes Influenzavirus“ in Kombination mit einem Vogelgrippevirus. „Das könnte eine neue, schwere Epidemie bzw. ein neues Virus mit pandemischem Potenzial zur Folge haben“, sagte Weiss.
Dies müsse aber keinesfalls ähnliche Auswirkungen wie bei Corona bedeuten. Schließlich sei etwa auch die Schweinegrippe-Pandemie „relativ milde“ verlaufen, erklärte der renommierte Experte, der betonte, „keinesfalls Panik verbreiten zu wollen“ oder alarmistisch zu sein. Dies habe er schon bei der Corona-Pandemie nicht getan, erinnerte Weiss: „Aber man muss wissen, was auf uns zukommen könnte, um im Eventualfall dann auch vorbereitet zu sein.“
Experte: „Das Virus verändert sich dauernd“
Das Influenza-Virus sei „in der Lage, mehrere verschiedene Spezies zu betreffen – Vögel, Schweine, Mensch“, konkretisierte der Top-Mediziner. „Das Virus verändert sich dauernd. Es kann sein, dass ein neues Virus entsteht, das Bestandteile von verschiedenen Influenza-Viren verschiedener Tierspezies enthält, für Menschen ansteckend ist und vom Immunsystem nicht erkannt wird. Das könnte eben eine neue schwere Epidemie bzw. ein neues Virus mit pandemischem Potenzial auslösen“, sagte Weiss.
„Ich gehe davon aus, dass so etwas in absehbarer Zukunft passieren wird“, ließ der Infektiologe wissen. Denn es sei in den letzten Jahren und vergangenen Monaten zu mehr viralen Interaktionen und „Überspringen des Virus“ zwischen Menschen und Tieren gekommen.
Vogelgrippe: Hälfte der Infektionen endet tödlich
Hinsichtlich der Vogelgrippe, einer „Art der Influenza“, sprach Weiss von einer „stillen Pandemie“, die speziell in Europa kursiert und „primär Vögel betrifft.“ Millionen von Vögeln seien betroffen, viele würden auch daran sterben. „Einzelne“ bzw. „ein paar hundert Fälle“ traten auch bei Menschen auf, die „engen Kontakt“ mit den Tieren hatten. Rund 50 Prozent davon endeten tödlich. Eine direkte Mensch-zu Mensch-Übertragung erfolgte bisher nicht.
Weiss verwies aber auf vier Fälle von Farmern in den USA, die zwar nicht schwer erkrankt, aber betroffen waren. Der Ausgangspunkt war, dass das Vogelgrippe-Virus auf Kühe übertragen worden war und die Infektionen durch direkten Kontakt, aber auch mit der Milch weitergegeben wurden. „Das zeigt das Potenzial, dass sich das Virus verändert“, kam der Mediziner zum Ausgangspunkt seiner Annahme bzw. Prognose zurück.
Experte fordert „faktenbasierte Diskussion“
Mit einer solchen Epidemie müssten keinesfalls solche gesamtgesellschaftlichen Folgen wie beim Coronavirus einhergehen. Und zwar dann, wenn man den „rationalen Verstand nicht beiseitelegt“. Statt Schulschließungen sollte es eine „sachliche, faktenbasierte Diskussion“ geben und „nicht immer die Suche nach Schuldigen“ wie hierzulande.
Eines sei jedenfalls generell zu konstatieren: Europa und damit auch Österreich werde zunehmend zum „Tummelplatz“ für verschiedenste Infektionskrankheiten, die es früher in dieser Form nicht gegeben habe. Durch Globalisierung, weltweite Mobilität, Reisen in die entlegensten Gebiete, Einschränkung der Lebensräume der Tiere in Regenwäldern und tropischen Gebieten, damit einhergehender stärkerer Interaktion, sowie Erd- bzw. Klimaerwärmung würden sich neue Erreger und Übertragungsformen auch bei uns breit machen, unterstrich Weiss.
Auch im Sommer stehen mehr Infektionskrankheiten bevor
„Es gibt mehr Erkrankungsbilder. Mehr Infektionen. Das Spektrum ist breiter“, betonte der Infektiologe. Im Sommer werde man mehr Infektionskrankheiten sehen, Zecken oder Stechmücken würden auch aufgrund der höheren Temperaturen immer weiter nach Norden vorrücken und könnten die verschiedensten alten und neuen Erreger über längere Zeiträume übertragen.
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