Krieg im Libanon

Im größten Tunnel der Hisbollah-Terroristen

Ausland
28.10.2024 14:18

Ein Reporter konnte eine Einheit der israelischen Armee begleiten. Ein Sprecher des Militärs erklärt, wie die Islamisten versuchen wollten, Teile Israels zu überrennen – ganz wie die Hamas am 7. Oktober 2023.

Es ist Nacht im Libanon. Es ist Nacht im dritten Krieg zwischen Israel und dem Libanon, oder besser gesagt, zwischen Israel und der Hisbollah, die Israel seit mehr als einem Jahr täglich mit Raketen beschießt.

Aus „Solidarität“ mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas, die Israel am 7. Oktober 2023 überfallen und mehr als 1200 Menschen ermordet sowie mehr als 200 Geiseln in den Gazastreifen entführt hat.

Im Schutz der Dunkelheit, „eingebettet“ in eine Einheit israelischer Soldaten, sind wir unterwegs in das Kampfgebiet zwischen Israel und dem Libanon – mit Schutzhelm und kugelsicherer Weste. Immer wieder sind Explosionen zu hören. Der Krieg ist hautnah.

Ziel ist das riesige Tunnelsystem der Hisbollah, das unterhalb des schiitischen Dorfes Rab El Thalathine angelegt wurde. Von hier sind es weniger als 2,5 Kilometer bis zu der nordisraelischen Stadt Kirjat Schmona.

Tunnelsystem geht bis zu 40 Meter unter der Erde
Erst kürzlich haben die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), wie die Armee offiziell heißt, den libanesischen Grenzort eingenommen. Und erst vor einer Woche haben sie das Tunnelsystem entdeckt, das mehr als einen Kilometer lang ist und zwischen zwölf und 40 Meter tief unter der Erde liegt.

Es kam zu Gefechten zwischen der IDF und Einheiten der Hisbollah, die schlussendlich ausgeschaltet werden konnten. „Es ist der größte Tunnel, den wir bisher gefunden haben“, sagt ein IDF-Soldat.

Die Hisbollah habe den Tunnel „nur aus einem Grund“ gebaut, fügt ein israelischer Armee-Sprecher hinzu: „Um nach Israel einzudringen, israelische Bürger zu töten, zu vergewaltigen und ihnen weitere Gewalt anzutun.“

Zehn Schächte in diesem unterirdischen Labyrinth „erstrecken sich bis hinein in zivile Häuser, in denen Munition, Panzerabwehrwaffen und AK-47-Sturmgewehre gefunden wurden“, so der IDF-Sprecher.

Ein Teil des Waffenarsenals der Hisbollah in dem Tunnel (Bild: IDF)
Ein Teil des Waffenarsenals der Hisbollah in dem Tunnel

Ein israelischer Soldat, der das Spinnennetz der Hamas-Tunnel in Gaza kennt, bezeichnete das Hisbollah-Tunnelsystem als „stabiler und raffinierter“ als die sogenannte „Gaza Metro“ – so der Spitzname für die unterirdische Stadt der Hamas (schätzungsweise 500 Kilometer lang), die verzweigter ist als die Londoner U-Bahn.

Die „Hisbollah Metro“ wurde von den Terroristen mit libanesischen Lebensmittelkonserven, Waschmaschinen, Schlafzimmern, Duschen, Toiletten, Matratzen, iranischen Waffen, Ventilatoren und einer Werkstatt ausgestattet. Das Tunnelsystem bietet Platz für mehr als 500 Kämpfer. Die Lebensmittelvorräte reichten aus, um sie mehrere Wochen lang zu versorgen, erklärt die IDF. Einige ihrer Mitglieder seien nur drei Kilometer von dem Tunnel entfernt gefangen genommen worden.

Hunderte schiitische Zivilisten hingegen sind aus dem Dorf geflohen. Rab El Thalathine und auch Kirjat Schmona auf der israelischen Seite der Grenze sind zu Geisterstädten geworden. Der IDF-Sprecher berichtet: „Wir haben hier Langstreckenraketen gefunden, die leicht bis nach Galiläa hätten abgefeuert werden können.“ Die Hisbollah kam „verkleidet als Zivilisten hierher und bekam ihre Uniformen, ihre Waffensysteme und ihre Pläne, Israel zu infiltrieren.“ Der Norden Israels hätte überrannt werden sollen.

Hisbollah-Geheimplan: „Eroberung von Galiläa“
Der Plan der Hisbollah war eine Invasion von einem noch größeren Ausmaß als dem des Hamas-Massakers am 7. Oktober. Diesen Geheimplan nannte die Hisbollah „Eroberung von Galiläa“. Das zeigt die extreme Gefährlichkeit der schiitischen Miliz, die auch von Österreich als Terrororganisation eingestuft wird.

Jetzt sind israelische Panzer in der Nähe des libanesischen Dorfs Rab El Thalathine stationiert. Am Himmel kann man eine israelische Drohne mit einem hellen grünen Licht sehen, mit deren Hilfe die Umgebung überwacht wird.

Israelischer Panzer im Einsatz (Bild: Associated Press)
Israelischer Panzer im Einsatz

Die Streitkräfte können nicht genau sagen, wie lange der Bodenkrieg dauern wird. Brigadegeneral Guy Levy, der Kommandeur der 98. Fallschirmjägerdivision der IDF: „Unser Hauptziel hier ist es, jeden einzelnen Terroristenstandort zu finden und zu lokalisieren, ihn zu zerstören und sicherzustellen, dass wir unsere Bürger in den Norden Israels zurückbringen können, damit sie dort ein normales Leben führen können. Wir werden alles tun, was dafür nötig ist.“

Mehr als 60.000 Israelis sind aus dem Norden Israels wegen der Hisbollah-Angriffe geflohen. Es ist unklar, wie umfangreich das unterirdische Waffenlager der Hisbollah noch ist. Seit Wochen feuert die Terrororganisation auch Raketen in Richtung der Großstadt Haifa.

Der in Wien geborene Israeli Naftali Hirschl sagte der „Krone“: „Wir müssen bis zu sechsmal am Tag in den Bunker laufen. Oft auch präventiv, auf Verdacht, denn mein Sohn ist schwerbehindert. Es ist sonst unmöglich, mit ihm rechtzeitig in den Bunker zu gelangen.“

Scharf von Israel kritisiert wird die UNO-Beobachtermission UNIFIL im Südlibanon, der auch rund 180 österreichische Soldaten angehören. Die Truppe war nach dem letzten Libanonkrieg vor fast 20 Jahren massiv aufgestockt worden. Die Blauhelmsoldaten sollten die Umsetzung der UNO-Resolution 1701 durchsetzen, laut der die Hisbollah aus dem Südlibanon abziehen und sich von der regulären libanesischen Armee entwaffnen lassen muss. Israel macht UNIFIL dafür verantwortlich, dass dies nie passiert ist. Im Gegenteil. Die Hisbollah konnte vor den Augen der UNO-Truppen ihr verzweigtes Tunnelsystem anlegen und dort bis zu 150.000 Raketen bunkern.

UNO-Beobachtermission im Libanon (Bild: AFP)
UNO-Beobachtermission im Libanon

Kandice Ardiel, Sprecherin von UNIFIL, sagte der „Krone“: „Die Umsetzung der Resolution 1701 liegt in der Verantwortung der Parteien. Friedenstruppen unterstützen die Parteien bei der Umsetzung, überwachen und melden Verstöße. Das ist es, was wir getan haben und was wir auch jetzt noch tun.“

UNO prüft Vorwürfe der Bestechung
Auf die Frage nach einem Medienbericht von „Israel Hayom“, wonach die Hisbollah UNIFIL-Mitarbeiter bestochen habe, um sich hinter deren Positionen verschanzen zu können, sagte Ardiel: „Anonyme Geschichten würde ich mit Vorsicht genießen. Dennoch werden wir jeden Vorwurf auf Grundlage glaubwürdiger Beweise untersuchen.“

Die Sonne geht langsam auf, als wir geschützt von israelischen Soldaten den Südlibanon wieder verlassen. Die Nacht ist zu Ende. Der Krieg geht weiter.

Benjamin Weinthal begleitete Israels Armee in das Kampfgebiet im Libanon.

Porträt von Kronen Zeitung
Kronen Zeitung
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