Soldaten packen aus:
Russen kämpfen wie „Terminator auf Prothesen“
Seit Herbst 2022 gilt für russische Soldaten: Die mit dem Verteidigungsministerium abgeschlossenen Verträge sind unbefristet, gekämpft wird bis zum bitteren Ende. An die Front werden sogar jene zurückgeholt, die sich schwere Verletzungen zugezogen haben – und wie durch ein Wunder dem Tod entkommen sind.
„Kündigen kann man jetzt nur noch, wenn du keine Hände oder keine Füße oder einfach keinen Kopf mehr hast“, erzählt ein Vertragssoldat gegenüber der „Bereg-Kooperative“, einem Zusammenschluss unabhängiger Journalisten.
„In unserer Einheit machen sie, was sie wollen: Vor Kurzem haben sie mit einem angeblich vom (russischen, Anm.) Präsidenten unterschriebenen Zettel vor dem Gesicht herumgefuchtelt, auf dem steht, dass man für den Einsatz weder zwei Arme noch zwei Hände haben muss. Ausgehändigt wird das Dokument allerdings nicht, damit es niemand lesen kann“, schildert der Russe.
Solange er nicht komplett wie der Terminator herumrennt, auf Prothesen, wird er kämpfen!
Russischer Vertragssoldat über einen Bekannten
Ein anderer Vertragssoldat bestätigt horrende Zustände in den russischen Reihen. Gekämpft würde „mit Hepatitis, mit HIV, ohne Hände, ohne Füße, mit Splittern im Kopf. Ich hatte einen Bekannten, dem es drei Finger an der linken Hand weggefetzt hat. Er wurde zurückgeschickt – und eine Woche später hat es ihm auch noch die halbe rechte Hand weggefetzt! Macht nichts, er bekommt jetzt eine Prothese – und wird wieder in den Kampf geschickt. Solange er nicht komplett wie der Terminator herumrennt, auf Prothesen, wird er kämpfen!“
Der Kreml lockt mit viel Geld
An Nachschub für die Front fehlt es, trotz des bisherigen Ausbleibens einer weiteren Mobilisierungswelle, nicht. Denn der Kreml sorgt für hohe finanzielle Anreize. So werden die Zahlungen an die Vertragssoldaten ständig erhöht. In manchen Regionen belaufen sich die Einmalzahlungen bereits auf mehrere Millionen Rubel, auch das monatliche Gehalt übersteigt das Durchschnittseinkommen im Land deutlich.
Im August wurde Andrej gemeinsam mit ein paar anderen Vertragssoldaten an die Frontlinie geschickt, um einen Verletzten zu bergen. Er schildert, der verwundete Soldat sei jämmerlich im Schützengraben gelegen. Granatsplitter hätten, wie er ausführt, seine Wirbelsäule und sein Becken zerstört. Vor lauter Schmerzen habe er nur noch geschrien.
„Wir haben ihn in den nächsten Schützengraben geworfen und sind selbst dorthin gerannt“, erinnert sich Andrej. Doch dann seien Granaten und Molotow-Cocktails gegen sie zum Einsatz gekommen. „Alles hat zu explodieren begonnen, es begann zu rauchen“, erinnert sich Andrej. Alle seien weggelaufen und hätten darauf (auf den Verletzten, Anm.) gepfiffen – „dort schaut jeder nur auf sich“.
Andrej schildert, er habe einen Splitter im Oberarm und den Verwundeten nicht allein bergen können. „Er hat mich gebeten, bei ihm zu bleiben. Er hat mir so leidgetan, dass es mir die Tränen in die Augen trieb, aber ich konnte nichts machen. Ich bin daher weggelaufen – und der Graben ging komplett in Flammen auf.“
Unfassbarer Zynismus
Am nächsten Tag habe sich die Lage wieder beruhigt. Andrej erzählt, er sei zu dem Schützengraben zurückgekehrt und habe einen verbrannten Körper entdeckt. Zwei Wochen später sei es gelungen, die Leiche zu bergen und der Einheit zu übergeben. „Wir gingen zum Befehlshaber, berichteten ihm davon – und er meinte nur: Passt schon, geben wir ihn (den Verstorbenen, Anm.) zu den Vermissten dazu“, erzählt Andrej bestürzt.
Man habe sie gezwungen, das mit einer Unterschrift zu bestätigen. „Obwohl der Mann vor uns lebend verbrannt ist! Und dort in einem schwarzen Sack lag“, so der schockierte Russe. Damals habe er zum ersten Mal den Gedanken gehegt, beim Militär zu kündigen – jedoch schnell zu dem Schluss kommen müssen, dass das leider so gut wie unmöglich ist.
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