Kult um Reliquien

Warum Christen zu den Heiligen-Gräbern pilgerten

Steiermark
01.11.2024 06:00

Die Märtyrer von Rom starben für ihren Glauben – ihre sterblichen Überreste, die Forscher vielfach auch noch im 19. Jahrhundert entdeckten, wurden an Kirchen in aller Welt verschickt. Unter den Altären befinden sich noch heute Reliquien.

Hochfest der Gottesmutter Maria am 1. Jänner, Gedenktag für Benedikt von Nursia am 21. März, für Petrus und Paulus am 29. Juni, für Maria Magdalena am 22. Juli, für Papst Silvester am 31. Dezember: In den ersten Jahrhunderten des Christentums füllte sich der Heiligenkalender zusehends, es gab kaum mehr freie Tage im Kirchenjahr, um weiterer Fürsprecher bei Gott zu gedenken. Also hob Rom das Allerheiligen-Fest am 1. November aus der Taufe, um alle „verherrlichten Glieder der Kirche, die zur Vollendung gelangt sind“ zu ehren.

Die tiefe Verehrung der frommen Gläubigen galt vor allem den zahlreichen Märtyrern, die für ihren Glauben brutale Folter erduldet und schließlich sogar den Tod auf sich genommen hatten. Also unternahmen Christen aus aller Herren Länder mühevolle Pilgerreisen – am liebsten in die Papst-Metropole Rom -, um an den Märtyrergräbern in sich zu gehen und still zu beten.

Papst Gregor der Große (Bild: stock.adobe.com/zatletic - stock.adobe.com)
Papst Gregor der Große

Märtyrer-Todestage wurden wie Geburtstage gefeiert 
Die Daten des Gedenkens waren in der Regel die Sterbenstage der Heiligen, die als deren Geburtstage galten. „Denn die Hingerichteten wurden wieder im Himmel geboren, die römischen Herrscher hatten keine Macht mehr über sie“, erklärt der Grazer Theologe Karl Veitschegger. Diese frühen Glaubensverteidiger wurden also erst durch ihren gewaltsamen Tod heilig. Einzig Jesus, Maria und Johannes der Täufer waren bereits bei ihrer Geburt auserwählt, weshalb man nicht nur deren Todes- sondern auch Geburtstage feierte.

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Die Todestage der Märtyrer galten als deren Geburtstage. Die Hingerichteten wurden im Himmel geboren, die römischen Herrscher hatten keine Macht mehr über sie.

Karl Veitschegger (Bild: Sonntagsblatt/Gerd Neuhold)

Theologe Karl Veitschegger

An die Tradition der Wallfahrten zu den letzten Ruhestätten der Heiligen erinnert auch das Sepulcrum (lateinisch für Grab). Das ist ein Gefäß, in dem Knochenfragmente von Märtyrern im Altar eines Sakralbauwerks eingelassen sind. „Die sterblichen Überreste fand man vielfach in den Katakomben Roms, auch noch im 19. Jahrhundert. Diese Reliquien wurden an Kirchen in aller Welt verschickt, weil nicht alle Gläubigen an den Begräbnisstätten der Heiligen feiern konnten“, berichtet Veitschegger.

Reliquien kann man nicht kaufen
Und noch heute sind Teile der Verstorbenen im Umlauf – man kann sie allerdings nicht kaufen, sondern lediglich von den Diözesen erbitten. Bekommt eine Kirche einen neuen Altar, werden darunter traditionsgemäß noch immer Überreste von Heiligen eingesetzt.

Eine mit Wachs versiegelte Reliquienkapsel, die als Sepulcrum unter dem Altar eines Gotteshauses eingelassen wird. (Bild: dioezesanmuseum@graz-seckau.at)
Eine mit Wachs versiegelte Reliquienkapsel, die als Sepulcrum unter dem Altar eines Gotteshauses eingelassen wird.

Den Anfang des lukrativen Reliquienkultes, der im Mittelalter skurrile Blüten trieb, machte übrigens eine byzantinische Kaiserin. Im sechsten Jahrhundert erbat Herrscherin Constantina von Papst Gregor dem Großen den Kopf des Apostels Paulus: Er möge die Körperreliquie an den Hof in Konstantinopel übersenden. Der Pontifex jedoch lehnte mit diplomatischen Worten ab – man könne ja keinen Heiligen zerstückeln. Sein Nein sollte, wie erwähnt, aber nicht von Dauer sein.

Die Schatzkammer der Basilika Mariazell (Bild: Pail Sepp/Sepp Pail)
Die Schatzkammer der Basilika Mariazell

Kostbare Reliquien in der Mariazeller Schatzkammer
In der Schatzkammer der Basilika Mariazell, in der Könige, Fürsten, Bischöfe und Kardinäle der Magna Mater Austriae Votivgaben dargebracht haben, befinden sich seitlich des Altars zwei große Schreine. Sie beinhalten die Reliquien der Katakombenheiligen Eleutherius und Cyrillus, die Abt Benedikt Pierin anno 1650 als Geschenk von Papst Innozenz X. erhalten hatte. Der Geistliche ließ sie mit Emailschmuck und Tausenden Süßwasserperlen fassen.

„Beim Betrachten der Reliquien erwarteten sich die Menschen Kraft, Gesundheit, Schutz und Segen“, sagt Veitschegger. Die Knochen- oder Kleidungsstücke, die auf Erden zurückgeblieben sind, seien eine „Überbrückung“ zu den Heiligen in den Himmel – denen man heute besonders gedenkt.

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