„Systemrelevant“ war in der Pandemie ein zentraler Begriff. Pflegekräfte und Supermarktmitarbeiter wurden damals öffentlich beklatscht. Jahre später zeigt sich, dass sich an deren Berufssituation wenig verbessert hat. „Das System“ wird weiterhin hauptsächlich von schlecht bezahlten Frauen erhalten.
Von insgesamt 16 systemrelevanten Berufsgruppen sind elf schlechter bezahlt als der Durchschnitt. Sieben von diesen unterdurchschnittlich vergüteten Berufsgruppen sind deutlich weiblich dominiert, mit Frauenanteilen teils weit über 60 Prozent. Ein Großteil dieser Frauen sind Migrantinnen. Das geht aus einer Analyse des Momentum Instituts anlässlich des sogenannten Equal Pay Day am 1. November hervor. Das ist der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern.
In 60 Jahren haben wir Lohngleichheit erreicht
Ab 1. November bis zum Jahresende arbeiten Frauen in Österreich im Schnitt statistisch gesehen „gratis” – mit 61 Tagen sind das exakt zwei Monate. Das ist nur ein einziger Tag besser als letztes Jahr. Geht es in diesem Schneckentempo weiter, herrscht erst in 60 Jahren Lohngleichheit. Diese geschlechtsspezifische Lohnlücke ist in den Bundesländern teils noch ausgeprägter: In Vorarlberg etwa bekommen Frauen in Vollzeitjobs fast ein Viertel weniger gezahlt als Männer. In Wien ist die Lohnlücke am kleinsten, aber selbst hier bekommen vollzeitbeschäftigte Frauen rund elf Prozent weniger.
Systemrelevante Berufe umfassen die Tätigkeiten, die notwendig sind, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten. In zwei Drittel der insgesamt 16 untersuchten systemrelevanten Berufsgruppen liegt der Frauenanteil bei mindestens 50 Prozent – oft weit darüber. Besonders viele Frauen sind in den Betreuungs- und Pflegeberufen sowie als Reinigungskräfte oder Kassiererinnen tätig. In der Kinderbetreuung sind etwa 97 Prozent weiblich, da besteht fast die gesamte Berufsgruppe nur aus Frauen. Ähnlich sieht es mit 91 Prozent Frauenanteil in der Gruppe der Reinigungs- und Hilfskräfte aus.
Migrantinnen noch stärker benachteiligt als Österreicherinnen
Dabei hat rund die Hälfte der weiblichen Küchenhilfen und des Reinigungspersonals Migrationsgeschichte. Vier von zehn Kassiererinnen, sowie ein Drittel der Pflegerinnen und Kinderbetreuerinnen sind weiblich und migrantisch. Die gesamtwirtschaftliche Betrachtung offenbart: Frauen mit Migrationshintergrund werden noch stärker als Frauen ohne Migrationsgeschichte benachteiligt. Migrantische Frauen haben einen Gender-Pay-Gap von einem Viertel im Vergleich zu Männern, während es bei Frauen ohne Migrationsgeschichte elf Prozent sind.
Während der durchschnittliche Stunden-Brutto-Lohn von Ärztinnen 45,5 Euro beträgt, liegt er bei Küchenhilfe bei elf Euro. Lehrerinnen bekommen im Durchschnitt 24 Euro, Pflegerinnen 16 und Kinderbetreuerinnen und Kassiererinnen 13 Euro. Männerdominierte systemrelevante Berufe sind unter anderem Müllabfuhr und -entsorgung, Hilfskräfte in der Landwirtschaft, Techniker, Soldaten und Polizisten.
Höhere Mindestlöhne gefordert
Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, empfiehlt das Momentum Institut eine Anpassung der KV-Mindestlöhne auf mindestens 2500 Euro brutto sowie eine Aufwertung von weiblich dominierten Branchen und Berufen vor allem im Niedriglohnsektor. Hilfreich wäre auch eine verpflichtende Transparenz bei Gehältern, nicht nur bei Großunternehmen und dem öffentlichen Dienst, verpflichtende Frauenquoten auf allen Ebenen – sowohl in öffentlichen Einrichtungen als auch in der Privatwirtschaft, vor allem auch auf Vorstands- und Managementebenen und nicht nur in Aufsichtsräten.
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