Am Wochenende kühlt das Wetter ab und dürfte in der Nacht teilweise sogar unter 0 Grad fallen. Schon am Montag nehmen das Kältetelefon und die Winternotschlafstelle der Caritas in Graz ihren Betrieb auf. Der Bedarf steigt stetig.
„Wir sind für viele die allerletzte Anlaufstelle“, sagt Jakob Url. Ein Dutzend Holzbetten mit dünnen Matratzen steht in dem kahlen Raum, Trennwände bieten ein Mindestmaß an Privatsphäre. Viel ist es nicht, das die, die es brauchen, hier in der Winternotschlafstelle der Caritas in Graz bekommen, und doch ist es so wichtig: „Ein Bett, eine warme Mahlzeit, eine Tasse Tee, die nötigsten Hygieneartikel“, zählt Url, der die Notschlafstelle leitet, auf. „Ein Gespräch und vielleicht eine Partie Kartenspiel.“
36 Plätze, davon etwa zehn extra für Frauen, finden sich hier am Eggenberger Gürtel. Am 4. November – früher als sonst, dank Förderungen der Stadt Graz – empfängt man hier wieder Bedürftige. Während die Hälfte der Gäste nur ein oder zwei Nächte hier bleibt, sind die andere Hälfte „Stammgäste“, sagt Url. „Sie leben im Sommer auf der Straße und warten dann schon darauf, dass wir wieder aufsperren.“
Prinzipiell dürfe jeder kommen, sagt Url, „aber man muss sich an gewisse Regeln halten. Wer aggressiv ist, wird nicht hereingelassen, denn auch der Schwächste soll eine ruhige Nacht haben.“ Für Hundebesitzer gibt es andere Anlaufstellen, an die man dann weitervermittelt.
Psychische Krankheiten belasten Menschen
Viele wohnungslose Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen, und es werden immer mehr. Sucht, Schizophrenie, Ängste – die Dunkelziffer der Betroffenen liegt bei 80, 90 Prozent, sagt Url. Um dieses Problem weiß auch die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ): „Das hat mit der Krise, mit den vielen aktuellen Belastungen zu tun. Mit dem Gefühl, in der Gesellschaft keinen Platz zu haben, aber auch mit Schulden oder körperlichen Krankheiten.“
Es gibt nichts Schlimmeres, als kein Dach über dem Kopf zu haben.
Elke Kahr, Bürgermeisterin von Graz
Mehr Kunden in Sozialmärkten, mehr Nächtigungen
Die Not wird größer – das merken auch die Vinziwerke, sagt Geschäftsführerin Nicola Baloch. „Wir haben mehr Kunden in den Vinzimärkten und mehr, die wir mit dem Vinzibus mit Broten und Tee versorgen.“ Und sogar, wer es einmal aus der Obdachlosigkeit geschafft hat, ist jetzt oft bedroht, seine Bleibe wieder zu verlieren.
Die Vinziwerke verzeichneten im vergangenen Winter in ihren zehn Grazer Einrichtungen über 45.000 Nächtigungen, die Auslastung liegt bei bis zu 90 Prozent. In der Winternotschlafstelle der Caritas gab es 4300 Nächtigungen, sagt Vizedirektor Erich Hohl. „Das waren 1300 mehr als in den Jahren davor.“
Schlafsack, Isomatten und warmes Essen
Wichtig ist laut Jakob Url, dass niemand unter freiem Himmel schlafen muss – aber man kann die Menschen auch nicht zwingen, mitzukommen. Wer jemanden entdeckt, der im Freien schläft, kann ab 4. November das Kältetelefon der Caritas unter 0676 880158111 anrufen.
Mit dem Kältebus kommen dann Ehrenamtliche dorthin und bieten den Menschen eine Schlafstelle an – wenn sie diese verweigern, bekommen sie zumindest Verpflegung und Material wie Schlafsäcke, Decken und Matten. Winterfeste Schlafsäcke sind übrigens auch noch dringend gebraucht: „Falls jemand welche spenden möchte, freuen wir uns über entsprechende Gaben“, sagt Caritas-Vizedirektor Hohl.
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