Vier Freunde von etablierten Hartkrach-Bands unterschiedlicher Sub-Couleur treffen zusammen, um ihrem immer noch jugendlichen Elan mit einem gemeinsamen Projekt freien Lauf zu lassen. So geschehen bei Powerflo, die mit „Gorilla Warfare“ dieser Tage ihr zweites Album veröffentlichen. Ein Gespräch über Freundschaft, Politik und Vorbildfunktionen.
Sogenannte All-Star-Bands haben für gewöhnlich nicht immer den besten Ruf, können aber durchaus für Aufsehen sorgen, wenn das Handgemachte herzhaft und authentisch ist. Unter dem Namen Powerflo musizieren seit 2016 diverse Größen der härteren Musikszene aus Los Angeles zusammen. Die Ursprünge des Projekts reichen bis weit in die 90er-Jahre zurück und sind bei Sen Dog (Cypress Hill) und Billy Graziadei (Biohazard) zu verorten. Downset.-Gitarrist Roy Lozano und Fear Factorys Bassist Christian Olde Wolbers komplettieren das Grundquartett. Früh gab es Gastauftritte des einen beim anderen, durch Festivals und Tourneen blieb man sowieso immer miteinander in Kontakt. Als Lozano 2015 Sen Dog auf dem gemeinsamen Weg zum Flughafen ein paar Demos vorspielte, war das Projekt dann endgültig in die Wege geleitet. Der Name kommt von Lozano und beruft sich auf Sen Dogs Gesang.
Test bestanden
Freundschaft und Spaß zueinander zum Trotz – am Ende muss schon auch die Musik zählen. Das 2017 veröffentlichte Debütalbum „Powerflo“ schlug in Szenekreisen ein und hatte genau die Mischung an Stilen aufzubieten, für die man die einzelnen Mitglieder in der Band kennt und liebt. „Das Album war der ultimative Test“, erzählt Wolbers im „Krone“-Interview, „als wir merkten, dass die Leute die Musik und die Konzerte annahmen, war uns klar, dass das Kapitel damit nicht erledigt sein würde. Wir sind seit fast 30 Jahren miteinander befreundet, fast wie Brüder. Da macht das gemeinsame Arbeiten natürlich noch mehr Spaß.“ 2018 gaben Powerflo auch ihre Österreich-Premiere mit einem umjubelten Auftritt beim Nova Rock. Dass es seither keine Rückkehr mehr gab, liegt nicht zuletzt auch an den strengen Timetables der beiden Leuchtfiguren. Sen Dog ist mit Cypress Hill global nach wie vor sehr gut im Geschäft, Graziadeis Hardcore-Legende Biohazard feiern auch ohne neues Album seit einigen Jahren ihren dritten Live-Frühling.
„Sen hat mit Cypress Hill natürlich das heißeste Eisen im Feuer“, lacht der stets adrett blondierte Graziadei, „hoffentlich schmeißt er irgendwann nicht alles hin und bleibt noch länger bei uns.“ Dass dahingehend keine große Gefahr besteht, beweist nicht zuletzt das brandneue Album „Gorilla Warfare“, das punktgenau zu Allerheiligen die gängigen Streaming-Plattformen erobert. Knapp sieben Jahre Wartezeit zwischen zwei Alben sind eigentlich ein Karriere-Genickbruch. Nicht aber, wenn alle Beteiligten ohnehin akribisch an ihrer Karriere feilen und man Powerflo als reines „Feelgood-Projekt“ behandelt. „Wir behandeln die Band aber voller Freude und geben ihr denselben Wert wie allen anderen“, wendet Sen Dog ein, „sobald du dein Gesicht auf eine Bühne trägst und einen Song mit deiner Stimme veredelst, soll das Ganze auch ernsthaft verlaufen.“
Zeit für Crossover-Nostalgie
Für Graziadei ist Powerflo ein Schritt zurück im positiven Sinne. „Mittlerweile kennen wir alle die großen Bühnen, aber wir haben sie uns auch erarbeitet. Jeder von uns kam aus dem Nichts.“ Mit dem Crossover aus harten Metal-Gitarren, Sen Dogs Rap-Vocals, der Punk-Attitüde und Hardcore-Breakdowns beschwört man die glorreichen 90er-Jahre herauf. „Wir sind mitunter auch hier, um allen zu zeigen, dass dieser Stil noch lebt und nicht verloren ist“, erläutert Sen Dog, „jeder von uns hat sich in verschiedenen Bereichen seiner Karriere versucht, aber die Fusion dieses Sounds ist ungebrochen stark.“ Für Graziadei ist die Band alles, nur keine Arbeit. „Wir sind kreativ und haben Spaß. Es gibt keinen Vorsatz und keinen Plan, alles passiert ganz natürlich. Ein Album ist nichts anderes als ein Rezept. Wenn die richtigen Zutaten da sind, dann liegt es an dir, daraus etwas zu zaubern.“
Auf dem neuen Werk begrüßt man etwa Body Count-Gitarrenlegende Ernie C und Songs wie „Drinkin‘ Beer And Gettin‘ Loud“ oder „Fuck Em All“ beweisen, dass man inhaltlich nicht immer auf der sozialpolitischen Seite steht. „Die Politik hat mit der Band nichts zu tun“, betont Sen Dog, „ich rede lieber über Dinge, mit denen sich der Durchschnittstyp identifizieren kann. Keiner von uns will ein Rock-Superstar sein, sondern anderen Menschen helfen, soweit es uns mit der Musik möglich ist. Wenn du 500 Millionen Dollar am Konto hast, dann wirst du unsere Texte wahrscheinlich anders lesen, wie wenn dir gerade nur 100 Dollar zur Verfügung stehen.“ Graziadei sieht es ähnlich wie sein Kollege. „Ein Künstler ist mehr Realist und Wahrheitsüberbringer als ein Politiker. Politiker, die wirklich ehrlich und offen sind, kannst du an einer Hand abzählen.“
Lebenselixier Musik
Mit fortschreitendem Alter sieht sich der Gitarrist auch zunehmend in der Verantwortung, positiv auszustrahlen. „Wenn ein Artikel über dich auf einer Titelseite landet, ist das gut fürs Ego und nett, wenn du es deiner Frau oder den Eltern zeigen willst, doch wenn nach einer Show jemand auf dich zugeht und dir sagt, dass eine Textzeile sein Leben verändert hat, hast du genau das erreicht, wofür du als Musiker da bist. Das berührt die Seele und bleibt dir auf ewig unvergessen. Musik ist für das Wohlbefinden von Menschen so wichtig wie Essen. Egal, ob das Klassik, Pop, Rock oder etwas anderes ist.“ Mit „Gorilla Warfare“ schlagen Powerflo jedenfalls das nächste Kapitel ihrer kurzweiligen Karriere auf. Tourtermine für 2025 wurden noch keine bekanntgegeben – eine Resthoffnung auf einen Österreich-Termin darf man sich also noch bewahren.
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