Vorarlberg ist das „Land des Ehrenamts“. In seiner neuen Serie holt Autor Robert Schneider Menschen vor den Vorhang, die sich für andere engagieren. Jüngst traf er Susanne Marosch.
Ein Schicksalsschlag im Jahr 1999 hat die Mutter von Susanne Marosch dazu bewogen, gemeinsam mit zwei Freundinnen den Verein „Geben für Leben“ zu gründen. Ein Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, für an Leukämie erkrankte Menschen Stammzellenspender zu finden. Susanne Maroschs Cousine Doris hatte nämlich bei der Behandlung einen Rückfall erlitten und benötigte dringend lebensrettende Stammzellen. Verzweifelt suchten die Frauen zuerst im Familien- und Freundeskreis nach möglichen Stammzellenspendern, informierten die erreichbaren Medien. Schließlich – wie durch ein Wunder – wurde eine Spenderin aus Wales gefunden, die der Erkrankten das Leben rettete. „Aus Dankbarkeit feiert Doris noch heute zweimal im Jahr ihren Geburtstag“, erzählt Frau Marosch, die ich in den Büroräumlichkeiten des Vereins zum Gespräch treffe. „Einmal den wirklichen Geburtstag und ein zweites Mal den Tag der Transplantation.“
Wenn das arg geschundene Wort Powerfrau auf jemanden zutrifft, dann auf Susanne Marosch, die Obfrau des Vereins. „Ich schwätze hier jetzt flockig locker von der Seele, und du fasst das dann zusammen“, sagt sie und lacht. Sie strahlt Herzlichkeit und Zuversicht aus, ist jemand, der genau weiß, was er will. „Natürlich ist da am Anfang immer die Ohnmacht, wenn die Diagnose auf Leukämie kommt, das Gefühl, man kann nichts tun, muss alles den Ärzten überlassen. Aber ich staune immer wieder darüber, was für eine Kraft entsteht, wenn man selber aktiv wird, Menschen dazu aufruft, sich typisieren zu lassen. Ich bin auf die Sonnenseite des Lebens gefallen, bin gesund, kann also ein Stück Dankbarkeit an die Gesellschaft zurückgeben.“
Vieles ausprobiert
Susanne hat in ihrem Leben viele Dinge ausprobiert. Nach absolvierter Tourismusschule ließ sie sich zur Gendarmeriebeamtin ausbilden, war hierzulande überhaupt eine der ersten Frauen in diesem Beruf. Das war 1995. Nach sechs Jahren wechselte sie ihren Job, machte sich selbstständig, baute ein Multi-Level-Marketing mit Naturprodukten auf. „Als das gut lief, dachte ich mir, dass es Zeit für eine Weltreise wird. Aber ich bin just einer Gastronomin in Feldkirch begegnet, die mich bat, eine heruntergewirtschaftete Bar in einem coolen Kellergewölbe in Feldkirch wieder aufzubauen. Daraus wurde das „Churchill“. Es war ein Jugendtraum von mir, einmal eine Bar zu führen. Ich gab mir ein Jahr. Und es funktionierte. Sie lief hervorragend. Dann sprach mich ein Unternehmer aus Liechtenstein an, wo ich eine eigene Abteilung für internationales Personalmanagement gründen konnte. Mit der Weltreise war wieder nichts, oder nur in Etappen. Ja, und schließlich arbeitete ich bei ’Trenkwalder Sports Austria’, einer Firma, die sich auf das Personal-Outsourcing für Skischulen spezialisiert hat.“
www. gebenfuerleben.at
Sparkasse Bludenz Bank AG
IBAN: AT39 2060 7001 0006 4898
BIC: SSBLAT21XXX
Heftiger Gegenwind
Wenn Susanne so begeistert im Redefluss ist und erzählt, was sie bisher im Leben alles gemacht hat, kommt man sich selbst fast faul und untätig vor. Ob sie nie so etwas wie einen Burnout hatte, will ich wissen. „Das viele Reisen und Arbeiten, gleichzeitig das Projekt ’Geben für Leben’ auszubauen, wurde irgendwann zu viel. Wenn man nicht mehr weiß, ob man gerade in Stockholm oder in Budapest ist, wird es kritisch. Außerdem wollte ich einfach wieder an der Idee von ’Geben für Leben’ weiterarbeiten. Ich spürte, dass es mich dort braucht. Die Strukturen mussten verbessert und ausgebaut werden. 2015 gründete ich die erste private Stammzell-Spenderdatei Österreichs. Mittlerweile haben wir, was die Größe angeht, Australien oder Hongkong überholt. Obwohl wir von manch einer Institution heftigen Gegenwind verspüren, kann ich sagen, dass wir mittlerweile etabliert sind. Das verdanken wir unseren hunderten von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns unterstützen, z. B. bei Typisierungsaktionen oder Benefizveranstaltungen, im Social-Media-Bereich usw.“
Ob jemand, der so viel im Leben erreicht hat, noch überhaupt Visionen habe, frage ich Susanne, die übrigens im Jahr 2019 mit dem Toni-und-Rosa-Ruß-Preis ausgezeichnet wurde. „Natürlich habe ich noch Visionen. In Österreich sind gerade mal drei Prozent der Bevölkerung typisiert. In Zypern, um nur ein Beispiel zu nennen, sind es 22,5 Prozent. Ein Ziel ist es, in den kommenden Jahren durch verstärkte mediale Arbeit diesen Prozentsatz auf zumindest fünf Prozent zu heben. Wir sprechen da von einigen hunderttausend Typisierungen. Das ist nicht ohne. In diesem Jahr haben wir über 25.000 Typisierungen vorgenommen. Dafür war eine Million Euro an Spendengeldern aufzubringen. Da stecken also viel Arbeit und Logistik dahinter. Ein weiterer Traum von mir wäre, dass alle in Österreich ’Geben für Leben’ kennen, dass ein Betroffener, eine Familie mit einem erkrankten Kind nicht lange fragen und suchen muss, sondern weiß, da gibt es jemanden, der uns begleitet, mir hilft, mich unterstützt, der Hoffnung gibt, dass es gut ausgeht. Oft ist es leider noch so, dass Betroffene einen langen Leidensweg hinter sich haben, bis sie endlich zu uns finden. Auf der anderen Seite stelle ich eine unglaublich hohe Bereitschaft in der Bevölkerung fest. Es gibt eine enorme Solidarität, dem Mitmenschen zu helfen. Die Mär, dass alles verroht und jeder nur noch auf sich selber schaut, stimmt für mich überhaupt nicht. Ich stelle gerade das Gegenteil fest.“
Unkonventionelle Hilfe
Wie man konkret und aktiv helfen kann, Leben zu retten, frage ich Susanne. „Alle, die zwischen 17 und 45 Jahre alt sind und gesund, können sich in der weltweiten, pseudonymisierten Stammzellenspender-Datenbank aufnehmen lassen. Je größer diese Datenbank wird, umso höher ist auch die Chance, einen genetischen Zwilling für den oder die Erkrankten zu finden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Geld zu spenden. Eine Laboranalyse kostet den Verein 40 Euro. Je mehr Geld wir sammeln, desto mehr Typisierungen lassen sich durchführen. Mittels eines Wangenabstrichs wird dann ein wichtiger Teil der DNA bestimmt. Auch ganz unkonventionelle Ideen können uns helfen. Jemand feiert seinen Geburtstag und sagt sich: Ich habe eh schon alles. Ich richte zu diesem Zweck bei meinen Freunden und Bekannten eine Spendenbox ein. Uns hilft auch sehr, wenn wir immer wieder in den Social Media geteilt und dadurch verbreitet werden. So wächst die Wahrscheinlichkeit von Tag zu Tag, erkrankten Menschen nicht nur Hoffnung zu schenken, sondern durch die Zunahme der Typisierungen besteht die reale Chance, immer mehr Leben zu retten.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.