Flut-Warnung zu spät?
Spanien sucht nach Vermissten und Schuldigen
Extreme Regenfälle haben in Spanien zu heftigen Überschwemmungen geführt: Nach der Katastrophe mit mindestens 150 Toten wurde am Donnerstag die Suche nach Leichen, Vermissten und eingeschlossenen Menschen fortgesetzt. Auch eine Debatte über mögliche Schuldige hat begonnen. Wurde zu spät vor der Mega-Flut gewarnt?
An manchen Orten war innerhalb von einem Tag so viel Regen wie sonst in einem Jahr gefallen. Nun werden immer stärker die Ausmaße der Zerstörung sichtbar. In Sedaví in der besonders betroffenen Mittelmeerregion Valencia, wo nach den Regenmassen nun wieder die Sonne scheint, türmten sich von Wassermassen zusammengeschobene Autos und versperrten Hauseingänge.
Betroffener klagt: „Man hat uns aufgegeben“
Viele Bewohner waren verzweifelt. „Man hat uns hier völlig vergessen“, sagte ein Mann vor der laufender Kamera des staatlichen Fernsehen RTVE, halb weinend. „Niemand kommt, um die Autos wegzuziehen oder uns irgendetwas zu bringen. Man hat uns aufgegeben.“ Die Menschen bräuchten Essen, Kleidung und Schaufeln, um selbst die Erdmassen wegschaufeln zu können.
Das ganze Ausmaß der Schäden war auch am Donnerstagmittag noch unklar. Von „vielen“ Menschen wisse man gar nichts über deren Schicksal, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles. In der besonders stark betroffenen Mittelmeerregion Valencia, in der fast alle der bisher bestätigten Toten gefunden wurden, soll nun das Militär gezielt in den Ortschaften Paiporta und Masanasa nach Menschen in Not suchen.
Die Stadt Valencia vor (links) und nach (rechts) der Flut:
Stadtchefs kritisieren, dass Warnung zu spät kam
Obwohl das ganze Ausmaß der Tragödie noch nicht bekannt ist und die Such- und Rettungsarbeiten noch länger anhalten werden, hat in Spanien bereits eine Debatte über mögliche Schuldige begonnen. In den Medien und im Internet wurde diskutiert, ob die Behörden die Bürger früher oder besser hätten warnen müssen. Entsprechende Kritik gab es etwa von mehreren Rathaus-Chefs. Schließlich wisse man, dass das Wetterphänomen der „Dana“ oder des „kalten Tropfens“ gefährlich sei. Es tritt zu Herbstbeginn, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben, im Süden und Osten Spaniens häufiger auf.
Behörde: „Brutalen Folgen“ nicht vorhersagbar
Die Regionalregierung und auch Experten wiesen die Vorwürfe zurück. Man könne solche „brutalen Folgen“ nicht vorhersagen, weil diese von verschiedenen Faktoren abhängig seien, sagte etwa der angesehene Meteorologe Francisco Martín León der Nachrichtenagentur Europa Press. Der Wetterdienst Aemet habe mit Unwetterwarnungen der Stufen drei (Gelb), zwei (Orange) und eins (Rot) ausreichend und rechtzeitig informiert.
Tatsächlich gingen Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag gegen 20.10 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia, wie der staatliche Rundfunksender RTVE rekonstruiert. Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen, merkte die Zeitung „El País“ an. Und schrieb weiter: Der Wetterdienst Aemet habe bereits am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr die höchste Warnstufe ausgerufen, was sehr hohe Gefahr bedeutet.
Zivilschutzwarnung erst, als Flüsse bereits über die Ufer getreten waren
Doch die Warnungen des Zivilschutzes seien dann erst am Abend erfolgt, als erste Flüsse bereits über die Ufer getreten waren. Viele Menschen waren trotz der Unwetter in ihren Autos unterwegs und liefen damit Risiko, liegenzubleiben oder von der Strömung weggerissen zu werden. Die große Ford-Fabrik in Almussafes und die Universität València hatten ihre Leute zuvor bereits nach Hause geschickt, wie die Zeitung schrieb.
Zahlreiche Menschen noch immer eingeschlossen
Ein Sprecher der Polizeieinheit Guardia Civil schätzte am Abend, dass auf den Autobahnen A3 und A7 noch 1200 Menschen in Autos, Bussen oder Lastwagen gefangen seien. Es gebe aber auch viele, die ihre Fahrzeuge nicht verlassen wollten, hieß es. Demnach steckten in Valencia 5000 – teils von Fahrern und Passagieren verlassene – Fahrzeuge fest. Auch in Zügen, Häusern, Büros, Schulen und Einkaufszentren sind seit Dienstagabend viele Tausende Menschen eingeschlossen.
Wetterdienst spricht von „historischem Unwetter“
Die extrem starken Regenfälle hatten am Dienstag Flüsse über die Ufer treten lassen und Straßen in Flüsse verwandelt, allen voran in den auch bei Touristen sehr beliebten Mittelmeerregionen Valencia, Murcia und Andalusien. Betroffen war zudem auch die weiter im Landesinnern liegende Region Kastilien-La Mancha. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem „historischen Unwetter“, dem schlimmsten solcher Art in der Region Valencia, wo die meisten Toten verzeichnet wurden.
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