TV-Kritik

Taylor Swift: Das politische Zünglein an der Waage

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01.11.2024 09:00

Noch viermal schlafen, bis in den USA ein neuer Präsident gewählt wird. Ein Zünglein an der Wählerwaage könnte Superstar Taylor Swift sein. Die ARTE-Dokumentation „Der Taylor-Swift-Effekt“ versucht ihren Einfluss zu ergründen, verhebt sich aber dabei, zu viel Inhalt in ein zu enges Zeitkorsett stopfen zu wollen.

Die große Europa-Tour ist vorbei – alle geplanten Städte außer Wien kamen diesen Sommer in den Live-Genuss des größten Popstars der Gegenwart. Nach 152 Stadionkonzerten zur „Eras“-Tour quer über den Globus wird Taylor Swift ab dem Jahresende wohl eine längere Pause einlegen und im medialen Berichterstattungsdschungel wird wieder mehr Ruhe einkehren. Bis es aber so weit ist, wird noch jedes einzelne Mosaiksteinchen zum Erfolg herausgepresst, um an den meist mehr als passablen Quoten zu Dokumentationen über das „musikalische Weltwunder“ mitzunaschen. Heute Abend (ARTE, 21.45 Uhr) geht Regisseur Aaron Thiersen in seiner Dokumentation „Der Taylor-Swift-Effekt: Pop-Ikone und politische Hoffnungsträgerin“ der allumfassenden Machtposition der 34-Jährigen auf den Grund und reist dabei weit zurück in die Vergangenheit.

Die Mischung macht‘s
So etwa sieht man die damals Elfjährige bei ihrem allerersten Live-Auftritt im heimischen Pennsylvania unschuldig und kokett „Big Deal“ von LeAnn Rimes covern, eingefädelt hat den Auftritt die lokale Country-Veranstaltergröße Pat Garrett, der tatsächlich so heißt, obwohl er mit dem Wilden Westen per se nichts zu tun hat. Warum der Aufstieg vom gewöhnlichen „Mädel von nebenan“ zum allergrößten Popstar der Welt in einem Wimpernschlag der Geschichte gelang, lässt sich in so kurzer Zeit natürlich nicht zusammenfassen. Es ist aber definitiv eine Mischung aus unterstützenden Eltern, einem angeborenen Gesangstalent, gutem Songwriting, dem Gespür dafür, die richtigen Weggabelungen am Pfad der Karriere zu nehmen und dem „All American Girl“-Image, das erst später Risse abbekam.

In der chronologischen Abhandlung der Ereignisse kümmert man sich nicht nur um die unterschiedlichen musikalischen Kapitel im Swift’schen Kosmos, sondern auch um das lange angeknackste Verhältnis mit Rapper Kanye West und die oft diskutierte Tatsache, dass sich Swift mit ihrer politischen Meinung stets zurückhielt. Kulturwissenschaftler, Buchautoren und Musikjournalisten kommen in diversen Interviews zur selben Conclusio: Es sei klüger gar nichts zu sagen, als das falsche zu sagen. Ihr politisches Coming-out hatte Swift sehr spät 2018, als sie in ihrer Wahlheimat Nashville, Tennessee den Demokrat Phil Bredesen auf dem Weg zu einem Senatssitz unterstützte. „Ich war das Mädchen, wie mich alle wollten“, wird Swift in der Dokumentation zitiert, damit war plötzlich Schluss.

Von Liebe zu Hass
Studien und Umfragen belegen mittlerweile, dass Swifts Entscheidungen und Aktionen direkte Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben, der „Taylor-Swift-Effekt“ versucht, passend zur anstehenden US-Präsidentschaftswahl, aber auch näher auf die politische Seismologie der Künstlerin einzugehen. Unvergessen etwa Donald Trumps Sager, er würde sie nun 25 Prozent weniger mögen, als sie sich auf die Seite der Demokraten stellte. Auf seiner eigenen Social-Media-Plattform Truth postete er unlängst gar „I Hate Taylor Swift!“ in Versalien, als sie sich für Kamala Harris aussprach. So aktuell ist die Dokumentation natürlich nicht, dass man aber noch Fanstimmen beim Amsterdam-Konzert im Juli 2024 eingeholt zeigt, dass die Macher das Werk so aktuell wie möglich fertigstellen wollten.

Wie viele andere Dokumentationen über Taylor Swift scheitert auch diese daran, eine kaum greifbare, überdimensionale Karriere in einem viel zu knappen Zeitrahmen komplett nachzeichnen zu wollen. Dass „Der Taylor-Swift-Effekt“ mitunter wie ein überlanges Werbevideo anmutet, ist ob der glatten Perfektion, die die Protagonistin in allen Lebenslagen ausstrahlt, verschmerzbar, doch aufgrund der Verdichtung der Themen bleiben tiefere Analysen zu Subbereichen wie „politischer Einfluss“ oder „Phänomen für eine jüngere Generation“ aus. Am Ende wird auch hier wieder nur an der Oberfläche gekratzt und oft erwähntes anders formuliert wiedergekäut. Dabei gäbe gerade die Story um Frühförderer Pat Garrett (überzeugter Trump-Wähler) viel mehr her, was interessanter gewesen wäre als eine Auflistung oftmals ausgeschlachteter Fakten. Sache um diese vergebene Chance.

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