Österreich gilt als sehr sicheres Land. Sieht man sich die heimische Mordrate an, gilt dies jedoch nicht grundsätzlich für Frauen. Woran das liegt und was sich ändern muss, um dem gegenzusteuern, erläutern die „Couchgespräche“-Gäste Yvonne Widler und Dr. Erich Lehner im Podcast der Vereinigung Österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VÖPP).
Dass gerade in Österreich die Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen erhöht ist, führt Dr. Erich Lehner, Vorsitzender des Dachverbandes der Männerarbeit in Österreich, auf das hier vorherrschende traditionelle und konservative Männerbild zurück. Dieses Bild des „richtigen“ Mannes sei geprägt von Dominanz, Konkurrenz und Hierarchie. In zugespitzter Form führe diese Männlichkeit zur Täter-Persönlichkeit. Das bedeute natürlich nicht, dass jeder Mann auch ein (potenzieller) Gewalttäter ist, jedoch kann es in Situationen, in denen beispielsweise die eigene Dominanz herausgefordert wird – wie bei einer Trennung –, ein Mann auf ein gewaltbereites Muster zurückfallen.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Männer in Gewaltbeziehungen
Yvonne Widler, Journalistin beim „Kurier“, erzählt von ihren Recherchen zu ihrem Buch „Heimat bist du toter Töchter“ über die Gemeinsamkeiten von gewaltbereiten Männern. Sie fand heraus, dass die Gruppe an Männern, die aufgrund eines Betretungs- und Annäherungsverbots zu Gewaltpräventionsstunden verpflichtet wurden, stark durchmischt ist. Vom autochthonen Österreicher bis zum Migranten, von der sozialen Unterschicht bis zur Oberschicht, von jung bis alt – was diese Männer jedoch größtenteils gemeinsam haben: Dass sie sich bis zu diesen Gewaltpräventionsstunden noch nie in einem Zweiergespräch offen über ihre Probleme unterhalten und entsprechend reflektieren konnten.
Das Männerbild von klein auf
Dass ein „richtiger“ Mann nur mit viel Bedacht über seine Gefühle spricht, für die Versorgung, jedoch nicht für Care-Arbeit verantwortlich ist, lernen sowohl Mädchen als auch Buben nach wie vor von klein auf. Das sei der Grund, weshalb das traditionelle Rollenbild von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft fest verankert ist. Noch immer übernehmen die Mütter den größten Teil der Kindererziehung und der Hausarbeit, wohingegen die Väter wenig zu Hause sind. Dadurch wird bereits in den ersten Lebensjahren ein hierarchisches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen vermittelt.
Die Lücken des österreichischen Karenzmodells
Sowohl der sogenannte Papamonat als auch der Partnerschaftsbonus sollen zur gerechten Aufteilung der Karenzzeiten der beiden Elternteile animieren. Dennoch ist die Anzahl der Karenzmonate bei Vätern sogar rückläufig. Dies liegt jedoch nicht gezwungenermaßen am Willen der Väter. Widler führt dies einerseits auf die finanziellen Einbußen zurück – trotz Entschädigung und einmaliger Bonuszahlung für eine etwa 50:50-Aufteilung bleibt der jungen Familie unterm Strich meist mehr, wenn der Elternteil mit geringerem Verdienst zu Hause bleibt. Andererseits hätten Männer vonseiten des Arbeitgebers sowie der Kollegen bei Inanspruchnahme einer Väterkarenz zum Teil Konsequenzen zu befürchten – vom sozialen Abstempeln als „Pantoffelheld“ bis zum möglichen Jobverlust.
Ein weiterer Aspekt, warum die geteilte Karenz häufig nicht in Anspruch genommen wird, ist das noch immer bestehende traditionelle Rollenbild einer Familie. Widler gibt an, dass sie insbesondere im ländlichen Bereich sehr festgefahrene Ansichten beobachtet hat, die dazu führen, dass junge Mütter oft mehrere Jahre zu Hause bleiben und sich faktisch allein um die Kindererziehung kümmern – unabhängig von bisherigen Karrierezielen.
Widler appelliert daher an die Regierung, das Karenzmodell entsprechend anzupassen, damit Väter deutlich stärker in die Erziehung der Kinder involviert werden. Dies könnte mit einer verpflichtenden Aufteilung der Karenz, wie es beispielsweise in Island bereits der Fall ist, umgesetzt werden. Ebenso müssten Unternehmen hinsichtlich der Gleichstellung von Mann und Frau stärker in die Pflicht genommen werden – sowohl in Sachen Gehalt als auch bezüglich der Rechte von Müttern und Vätern nach der Geburt eines Kindes.
Es braucht Männer für ein Umdenken
Das in Österreich vorherrschende Männerbild zeigt sich nicht nur anhand der vielen Femizide, auch sexistische und frauen- bzw. menschenverachtende Sprüche sind ein Anzeichen der dominanz- und konkurrenzgeprägten Männlichkeit. Insbesondere in Situationen, in denen Männer unter sich sind, kommt dieses Männerbild zum Vorschein. Widler und Lehner stellen im Gespräch klar, dass hier vor allem die Männer gefordert sind, auf derartiges Gerede entsprechend zu reagieren und das Fehlverhalten aufzuzeigen. Es braucht also nicht nur eine Veränderung der gewaltbereiten Männer an sich, sondern auch Männer mit liberalen und moderneren Werten sind gefordert, damit sich das Männerbild in Österreich langfristig ändern kann.
Täter-Opfer-Umkehr
Die meisten Femizide in Österreich sind Beziehungstaten. Warum sich die betroffenen Frauen nicht rechtzeitig von ihrem gewaltbereiten Partner trennen konnten, kann vielerlei Gründe haben. Neben der Hoffnung auf Besserung spielen hier unter anderem Isolation, die Angst vor dem Verhalten des Noch-Partners, die Sorge um gemeinsame Kinder, das vom Partner dominierte Umfeld und die Täter-Opfer-Umkehr eine große Rolle. Letztere äußert sich vonseiten des Partners beispielsweise in Aussagen wie „Wenn du dich anders verhalten würdest, müsste ich das nicht machen“, doch auch von außerhalb kann sich diese Täter-Opfer-Umkehr zeigen und letztlich im eigenen Gedankengut der betroffenen Frau verfestigen, wenn bei einem ähnlichen Fall der Frau die Schuld zugeschoben wird, zum Beispiel in Form von „Sie hätte es ja besser wissen müssen“.
Bitte nicht wegschauen!
Oft fehlt es den betroffenen Frauen aufgrund der Isolation durch ihren Partner an sozialen Kontakten und einem eigenen Sicherheitsnetz. Umso wichtiger ist es, als Außenstehender einzugreifen. Als ersten Schritt genügt hier oft bereits das Anbieten bzw. Suchen des Gesprächs. Natürlich sollte auch darauf geachtet werden, sich nicht selbst in Gefahr zu begeben – sollten Sie beispielsweise auffällige Geräusche aus der Wohnung der Nachbarn hören, könnte es sinnvoller sein, direkt die Polizei zu verständigen. Unabhängig davon, wie Sie zu den einzelnen Personen einer (vermeintlich) gewaltvollen Beziehung stehen, haben auch Sie die Möglichkeit, sich anonym und kostenlos an die obenstehenden Stellen zu wenden.
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