Erstmals seit dem Jahr 2023 hat Nordkorea wieder eine Interkontinentalrakete gestartet – und zwar mit dem offenbar längsten Testflug des eigenen Geschosses bislang. Damit hat die Diktatur die Spannungen mit seinen Nachbarländern weiter verschärft. Sogar die USA dürften dabei potenziell in Reichweite sein.
Das nahe der Hauptstadt Pjöngjang abgefeuerte Geschoss war nach Angaben der japanischen Regierung 86 Minuten in der Luft und stürzte schließlich westlich der zu Japan gehörenden Insel Hokkaido ins offene Meer – nach rund 1000 Kilometern Flugstrecke.
Kim: „Angemessene militärische Aktion“
Dies ist ein weiterer Verstoß der Führung von Machthaber Kim Jong Un gegen internationale Sanktionen. Den Angaben des japanischen Verteidigungsministeriums zufolge stieg die Rakete mit steiler Flugbahn bis in eine Höhe von etwa 7000 Kilometern. Experten gehen davon aus, dass Nordkoreas Interkontinentalraketen bei flacherem Abschusswinkel potenziell das gesamte Festland der Vereinigten Staaten erreichen könnten. Die USA sind die wichtigste Schutzmacht Japans und Südkoreas und unterhalten in beiden Ländern große Militärstützpunkte.
Machthaber Kim bezeichnete den Raketenabschuss als „angemessene militärische Aktion“, wie Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete. Der Test sei eine Reaktion auf Provokationen feindlicher Kräfte in der Region und belege „unseren Willen zur Gegenreaktion“.
Südkorea sieht „Notwendigkeit, nukleare Stärke zu stärken“
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA brach der Raketenstart alle bisherigen Rekorde, ohne Einzelheiten zu nennen. „Die gefährlichen Schritte der Feinde Nordkoreas haben die Notwendigkeit unterstrichen, unsere nukleare Stärke zu stärken“, zitierte KCNA den nordkoreanischen Machthaber anlässlich des Teststarts. Nordkorea werde niemals von seinem Kurs abweichen, sein Atomwaffenarsenal auszubauen.
Details nannte Kim nicht, allerdings betrachtet Pjöngjang die militärische Unterstützung der USA für Südkorea und die regelmäßigen Manöver ihrer Streitkräfte ebenso als Affront wie den Kurs der südkoreanischen Regierung im Dauerkonflikt der beiden Nachbarstaaten. Südkoreas Präsidentenamt kündigte an, nach dem Raketenstart zusätzliche Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Konkrete Details aus Seoul wurden zunächst nicht bekanntgegeben.
Starts oder auch nur Tests von ballistischen Raketen, die je nach Bauart mit einem Atomsprengkopf ausgerüstet werden können, sind dem international weithin isolierten Land durch UN-Beschlüsse verboten. Nordkorea unterliegt wegen seines Atomwaffen- und Raketenprogramms internationalen Sanktionen, die Kims Führung aber immer wieder missachtet.
China zeigt sich „besorgt“
China zeigte sich „besorgt“ über die Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel. Man habe stets betont, dass „die Erhaltung von Frieden und Stabilität“ den „gemeinsamen Interessen aller Parteien entspricht“, sagte Außenministeriumssprecher Lin Jian in Peking. „Wir hoffen, dass alle Parteien sich für dieses Ziel einsetzen werden“, fügte er hinzu. China ist ein langjähriger Verbündeter Nordkoreas. Pjöngjang ist von Pekings diplomatischer und wirtschaftlicher Unterstützung abhängig. Gleichzeitig sind China und Südkorea wichtige Handelspartner.
Erst am Mittwoch warnte der südkoreanische Militärgeheimdienst während eines Treffens mit Abgeordneten davor, dass Nordkorea kurz vor dem Testabschuss einer Langstreckenrakete stehe und möglicherweise auch die Vorbereitungen für einen weiteren Atombombentest abgeschlossen habe. Der bisher letzte – und insgesamt sechste – Atombombentest hatte 2017 weltweit große Besorgnis ausgelöst.
Spannungen in Region weiter verschärft
Das jüngste Raketenmanöver erfolgt zu einem Zeitpunkt erhöhter Spannungen in der Region. Nordkorea schickte seit Mai Tausende mit Abfall und Gülle gefüllte Ballons über die Grenze nach Südkorea, das Nachbarland nahm die Propaganda-Beschallung des abgeschotteten Nordens über Lautsprecheranlagen wieder auf. Zudem kam es zu verstärkten Militäraktivitäten im Grenzgebiet.
Zuletzt baute Pjöngjang auch noch seine militärische Zusammenarbeit mit Moskau deutlich aus – und schickte allem Anschein nach Tausende Soldaten nach Russland, die nach übereinstimmenden Angaben westlicher Regierungen wohl im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt werden sollen. Zudem unterstützt Nordkorea die russische Armee schon seit Monaten mit Waffenlieferungen im großen Stil, darunter insbesondere Artillerie- und Raketengeschosse.
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