Die blutige Nonnen-Performance Florentina Holzingers ließ jüngst in Stuttgart 18 Besucher kollabieren. Das Stück kommt nun nach Berlin – und soll in Stuttgart in der nächsten Saison wieder aufgenommen werden.
„Dass wir gefundenes Fressen für die Klatschpresse und rechtsgerichtete Politik sind, ist eh klar“, sagte die österreichische Choreografin und Performance-Künstlerin Florentina Holzinger der APA. Anlässlich der „Viennale“, wo sich Holzinger als Filmschauspielerin in Kurdwin Ayubs Drama „Mond“ präsentierte. Der Film, in dem sie eine Kampfsporttrainerin gibt, lief gerade in den Kinos an.
Zur Viennale-Premiere trug Holzinger brav ein T-Shirt mit der Aufschrift „In der Oper gewesen, gekotzt“. Eine ironische Anspielung auf die Wirkung ihrer im Mai herausgekommenen Produktion „Sancta“.
Die machte nämlich soeben Station in Stuttgart und sorgte dort für ordentlich Aufregung: Bei den ersten beiden Vorstellungen im Opernhaus Anfang Oktober verließen 18 Personen den Raum, 5 fielen in Ohnmacht, in 3 Fällen musste der Notarzt gerufen werden, wurde berichtet. Einige Medien riefen „Skandal“ – worauf die Folgevorstellungen schnell ausverkauft waren.
Dabei gingen sowohl die Uraufführung in Schwerin im Mai als auch die Gastspielabende bei den Wiener Festwochen ohne Proteste über die Bühne.
Warnhinweis: Achtung, Blut und Nadeln!
Korrekt wird das Publikum vorab informiert: „Die Vorstellung enthält selbstverletzende Handlungen, sexuelle Handlungen sowie Darstellungen und Beschreibungen von (sexueller) Gewalt. In der Vorstellung werden Stroboskopeffekte eingesetzt sowie Blut und Nadeln verwendet.“
Nun, Holzinger ist bekannt, dass sie in ihren Arbeiten zwischen Tanz und Performance Grenzen auslotet. Sie und ihre Akteure sind oft nackt oder rasen in „Sancta“ als Nonnen auf Rollschuhen herum, hängen aus Glocken oder blutig als Gekreuzigte an der Wand.
Ausgangspunkt ist dafür die Kurzoper „Sancta Susanna“ von Paul Hindemith. Darin erlebt eine Nonne vor Christus am Kreuz ein erotisches Erweckungserlebnis und wird von den Kirchenoberen lebendig eingemauert. Das sorgte bereits zur Uraufführung 1922 für Erregung.
Holzinger dreht die Schraube aber noch weiter. Ihre grandios bildgewaltige Tour de Force versteht sich explizit feministisch: Spiritualität, Sexualität, Kritik an Religion und Kirche sowie gesellschaftliche Gewalt werden thematisiert. Das Publikum in Schwerin und Wien jubelte begeistert.
Konzertmeisterin verlor in Wien das Bewusstsein
Einzig am zweiten Wiener Abend musste unterbrochen werden, weil die Konzertmeisterin das Bewusstsein verlor (die „Krone“ berichtete). Partout bei einer Selbstverletzungsszene, in der einer Performerin Haut in Anspielung auf die Seitenwunde Christi per Skalpell entfernt wird. Die Szene ist per Video groß zu sehen. Ob das der Grund für die Ohnmacht war, ist unklar. Laut Festwochen war es extrem heiß im Orchestergraben.
Seit Stuttgart werden Holzinger und ihre Performerinnen jedoch heftig angefeindet, in Hass-Nachrichten bedroht. „Es hat mich schockiert, in welcher Welt ich lebe. So eine Art von Öffentlichkeit kenne ich nicht“, gestand Holzinger im Nachrichtenmagazin „Spiegel“.
Und sie staunt weiter: „Popkultur und Hollywood setzen sich seit Jahrzehnten neckisch und auch kritisch mit der Kirche auseinander, und ich würde denken, auch der Papst kennt Monty Python.“
Auf die Frage, ob Provokation für sie Mittel zum Zweck sei, antwortet sie: „Unsere Shows wurden auch vorher regelrecht überrannt von Leuten. Wir machen relevantes Theater, und dafür gibt es ein Publikum. Aber es ist toll, die Oper mit ,Sancta‘ für eine jüngere Generation interessant zu machen, die musik- und konzertaffin ist. Sonst ist Oper ja so museal wie die Kirche.“
In Stuttgart sieht man das offenbar genauso: Bevor „Sancta“ in Kürze an der Berliner Volksbühne gezeigt wird, verkündete man in Stuttgart die Wiederaufnahme für die nächste Saison.
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