Dreiteilige Doku

Auf den ruralen Spuren von Cowboy-Held Lucky Luke

TV
02.11.2024 06:00

Jul, der aktuelle Autor der Lucky-Luke-Comics, machte sich für eine ARTE-Dokumentation (heute, 20.15 Uhr) im ruralen Amerika auf die Spuren des beliebten Cowboys. Ein Trip mit vielen Überraschungen und Erkenntnissen, bei der alle Beteiligten so einiges dazugelernt haben.

Es war eine Mischung aus Neugierde und Berufsethos, die den französischen Comic-Autor Jul nach Amerika trieb, um mit Regisseur Xavier Lefebvre die dreiteilige Dokumentation „In den Fußstapfen von Lucky Luke“ abzudrehen. Die 1946 in Belgien vom legendären Zeichner Morris erfundene Figur gilt als der unamerikanischste aller Cowboys, der aber den „American Dream“ des Wilden Westens verkörpert wie kaum jemand anders. Während Lucky Luke in Europa, der Türkei oder dem Iran große Popularität genießt, muss man die Leser in den USA schon aktiv suchen, wie Jul im „Krone“-Interview verrät.

Geisterstadt in Wyoming
„In Amerika mögen sie europäische Produkte und Importe nicht so gerne – noch nicht einmal dann, wenn es sich um Comics handelt.“ Doch im Zuge seiner Recherche gab es für Jul überraschende Erweckungserlebnisse. Ein chinesischer Zahnarzt war durchaus firm mit den Abenteuern des Cowboys mit der markanten Haartolle und auch in einer Geisterstadt in Wyoming wurde der Lucky-Luke-Texter fündig. „Da war ein Mann im Rollstuhl, der keine Beine mehr hatte, mit einer Waffe in seinem Gürtel. Er kannte aber den Charakter und auch Lucky Lukes Pferd Jolly Jumper. Das hat mich wirklich überrascht.“

Fiktion und Realität überlappen sich oft stärker, als man glaubt – wie man in der Dokumentation erfährt. (Bild: Grand Angle Productions/Lucky Comics)
Fiktion und Realität überlappen sich oft stärker, als man glaubt – wie man in der Dokumentation erfährt.

In der Dokumentation gleicht der Autor die Realität mit Szenen aus dem Comic ab. Stimmt es, dass man die Ohren an Eisenbahnschienen legt und den Zug kommen hört? Haben die Indigenen wirklich Rauchzeichen gegeben? Kennt man in Louisiana den einst auch real existierenden Bass Reeves, der in den Comics als erster schwarzer Marshall auftaucht? „In erster Linie dachten wir, nichts würde im gegenwärtigen Amerika so sein, wie es in den Comics dargestellt wird“, erinnert sich Jul, „aber das Gegenteil war der Fall. Wenn du die Smartphones und Autos wegdenkst, leben viele Leute exakt so wie vor 150 Jahren. Die Religion, Waffen, Pferde, Ranches, Rodeos, Saloons und die Art, wie man verheiratet wird und mit den Nachbarn streitet – das unterscheidet sich kaum von früher. Das hat mich total fasziniert.“

Real erlebter Rassismus
Für die Dokumentation war Jul von den Weiten Dakotas über die Wüste Arizonas und die Flüsse Montanas bis hin zu den einstigen Baumwollplantagen in Louisiana unterwegs. Dort besuchte er ein herrschaftliches Anwesen, in dem sich die Hausherrin als ausgewiesene Rassistin erwies. „Sie hat mir Tee gemacht und sich ganz nett und großmütterlich verhalten, aber wie sie erzählt hat, war entsetzlich.“ Die Dame spricht davon, dass sie die Peitschenhiebe gegenüber den Sklaven früher nicht als Folter sieht. Die Sklaven wiederum hätten vieles einfach nicht besser gewusst. „Man sieht mich in der Dokumentation nicht entgegnen, sondern nur zuhören. Das war aber die Perspektive, die wir zeigen wollten. Was passiert, wenn man selbst nicht sofort urteilt?“

Der lange und romantische Ritt in den Sonnenuntergang: Für Jul erfüllten sich bei den Dreharbeiten Kindheitsträume. (Bild: Grand Angle Productions)
Der lange und romantische Ritt in den Sonnenuntergang: Für Jul erfüllten sich bei den Dreharbeiten Kindheitsträume.

Für die Recherche im ruralen Amerika war Jul sehr oft mit treuen Trump-Anhängern und traditionellen „Heartland-Amerikanern“ konfrontiert. Für einen offen linksgerichteten Franzosen nicht immer die leichteste Aufgabe. „Ich war aber nicht als Journalist, sondern als Comic-Autor unterwegs. Da begegnen dir die Menschen gleich ganz anders. Für mich war es paradox zu sehen, wie warmherzig mich Leute, die mir politisch so fern sind, aufgenommen haben. Manche glauben, die Erde wäre eine Scheibe, Abtreibungen gehören verboten und Dinosaurier hätte es nie gegeben, aber sie borgen dir trotzdem ihr Pferd zum Reiten, stellen dir einen schönen warmen Kaffee und eine Portion Zwischenkuchen auf den Tisch.“

Gefühlslage der US-Bevölkerung
„In den Fußstapfen von Lucky Luke“ ist nicht nur eine Reise zurück in die heile Welt der Comics, sondern auch eine gelungene Darstellung eines ländlichen und oft wenig beachteten Amerikas der Gegenwart. Neben den beeindruckenden Naturbildern begeistert der Mehrteiler mit einer akkuraten Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Gefühlslage der US-Bevölkerung. Realität und Fiktion sind sich dabei oft näher, als man denkt.

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