Armut trotz Arbeit

Forderung nach „mehr Lohn statt Mindestsicherung“

Wien
01.11.2024 06:00

Der Equal Pay Day fällt heuer bundesweit auf den 1. November. Ab diesem Tag arbeiten die Frauen statistisch gesehen gratis. Die „Krone“ hat mit sechs Beschäftigten in Niedriglohnbranchen gesprochen. Armut trotz Arbeit betrifft vor allem Frauen. Sie fordern Augenhöhe auf dem Arbeitsmarkt.

Während Männer in Österreich im Durchschnitt 59.258 Euro brutto pro Jahr verdienen, beträgt das durchschnittliche Einkommen der Frauen 49.438 Euro, was zu einer Einkommensdifferenz von 16,6 Prozent führt. Frauen in Österreich verdienen durchschnittlich 9820 Euro weniger pro Jahr als Männer. Das zeigt die aktuelle Auswertung zum Equal Pay Day 2024. Große Unterschiede dabei gibt es aber auch nach Bundesland und sogar Bezirk.

Starkes West-Ost-Gefälle
Während Frauen in Vorarlberg statistisch gesehen 86 Tage pro Jahr – und damit landesweit die meisten – „unbezahlte“ Arbeit im Gegensatz zu Männern leisten, sind es in Wien „nur“ 40. In der österreichischen Hauptstadt fällt der Equal Pay Day auf den 22. November. Wobei es massive Abweichungen pro Bezirk gibt.

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Ich höre von vielen Kolleginnen, dass es schlichtweg keinen Vollzeitjob gibt oder es aufgrund fehlender Betreuung nicht möglich ist. Dazu kommt, dass die Reinigungsbranche auch körperlich sehr anstrengend ist. Viele haben davon eine ganz falsche Vorstellung. Mit 1800 Euro netto könnte man leben.

(Bild: zVg)

Danijel Vujic (45), Gebäudereinigung

Ein Missverhältnis gibt es auch schon bei den Lehrlingen. So verdienen weibliche Auszubildende im Schnitt 14,2 Prozent oder 2314 Euro weniger als die Männer, wobei dies auch auf die unterschiedlichen Branchen zurückzuführen ist.

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Die Frage, wie viel man mit einem Vollzeitjob verdienen müsste, stellt sich für viele Frauen gar nicht, weil es entweder keine Vollzeitjobs gibt oder es aufgrund mangelnder Kinderbetreuung einfach nicht geht. Trotzdem stemmen vor allem alleinerziehende Frauen alles alleine, was eine extreme Belastung ist.

(Bild: zVg)

Irene Pawelka (44), Einzelhandel

Eine halbe Million Euro Verlust in der „Geschlechter-Lotterie“
„Es kommt einem manchmal vor wie eine Geschlechter-Lotterie. Bist du eine Frau, bekommst du für gleichwertige Arbeit einfach weniger Geld als ein Mann. Das darf nicht sein“, sagt Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Frauenvorsitze des ÖGB: „Wir müssen über echte Lohntransparenz und die Neubewertung von Arbeit reden.“ In einem ganzen Arbeitsleben verlören „Frauen eine halbe Million Euro. Das ist absolut ungerecht und unsolidarisch. Das sind 10.000 Euro pro Jahr – also ein Kleinwagen alle zwölf Monate.

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Bei den heutigen Teuerungen müsste ich als alleinerziehende Mutter mindestens 1000 Euro brutto mehr verdienen. Ich kann sehr gut nach- empfinden, dass viele lieber Mindestsicherung beziehen und dadurch sicher mehr Zeit für ihre Kinder haben. Aber ich liebe meinen Beruf, will nichts anderes machen.

(Bild: zVg)

Petra Schneider (49), Kindergartenassistenz

„2000 Euro netto nötig, damit es sich ausgeht“
Gerade im Dienstleistungssektor, in dem mehrheitlich Frauen arbeiten, ist die Bezahlung gering. So beträgt der Einstiegslohn als Kosmetikerin gerade einmal 1690 Euro brutto. Ist man aufgrund der Kinderbetreuung auch noch gezwungen, Teilzeit zu arbeiten, wird es mit dem Auskommen schwierig.

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Der Einstiegslohn in meiner Branche beträgt 1690 Euro brutto. Ich denke, dass man 2000 Euro netto verdienen müsste, damit es sich gut ausgeht. Es geht auch um die spätere Pension, Frauen sind armutsgefährdet ohne Partner. Für viele Frauen ist es zudem ob der Kinderbetreuung nicht möglich, Vollzeit zu arbeiten.

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Miriam Fassil (27), Kosmetikerin

Im „Krone“-Gespräch mit Beschäftigten aus verschiedenen Niedriglohnbranchen wird klar: „2000 Euro netto sind nötig, damit es sich ausgeht.“

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In meiner Branche verdienen die Männer zwar gleich viel, es arbeiten aber viel mehr Frauen darin. Der Einstiegslohn beträgt 1950 Euro brutto, ich bräuchte aber 2000 netto. Im Moment bleiben mir nach den Fixkosten nur noch 350 Euro übrig. Aus einer Klassenfahrt für das Kind wird dann leider nichts.

(Bild: zVg)

Melanie Jeschke (47), Gastronomie

Armut schafft Abhängigkeit
Arbeit soll sich im Vergleich zur Mindestsicherung schließlich auch lohnen. Hinzu kommt nämlich auch noch die Teuerung. „Ich spüre es vor allem beim Einkaufen“, sagt Kosmetikerin Miriam Fassil.

Und Melanie Jeschke, Angestellte in der Systemgastronomie, ergänzt: „Es ist ein Tabuthema, aber man merkt, jeder Cent wird umgedreht.“ Es sei nur in einer Partnerschaft möglich, die Kosten zu bewältigen. Aber so fallen Frauen in die Abhängigkeit von Männern, im Alter droht Armut.

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Ein Vollzeitgehalt von 2178 Euro brutto ist mit Kindern oft unmöglich. Ich komme zwar aus, aber gerecht finde ich es nicht. Die Politik ist verpflichtet, bei den Preisen für Lebensmittel und Wohnen etwas zu tun. Und wir müssen über höhere Löhne und Pensionen sprechen, nicht über die Mindestsicherung.

(Bild: zVg)

Erna Hentschel (55), Lebensmittelindustrie

Laut Schumann wäre die Lohnlücke einfach zu schließen, etwa mit der Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie und dem Ausbau der Kinderbetreuung. Sodass 2000 Euro netto für viele Frauen kein Traum bleiben müssen.

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