Kinder, die sich selbst verletzen oder wegen Armut der Eltern keine Schultasche besitzen und Volksschüler, die sich vor lauter Zeit am Handy mit motorischen Fähigkeiten wie dem Stiegensteigen schwertun – zwei Sozialarbeiter erzählen von ihrer Arbeit in Österreichs Schulen.
Auf Stefan Hönlinger (53) und Anita Großschartner (45) prasseln den ganzen Arbeitstag lang Probleme nieder, und am Ende kann in Ausnahmefällen selbst bei ihnen einmal eine Träne fließen. Etwa, wenn ein Kind weinend erzählt: „Mein Papa ist am Wochenende bei einem Unfall gestorben.“ Dennoch machen sie ihren Job gerne. „Weil wir etwas bewirken können“, sagt Hönlinger.
Die beiden sind Schulsozialarbeiter in Steyr. Sie sind jeden Tag einer Volks- oder Mittelschule zugeteilt und dort erste Anlaufstelle für Kinder, Lehrer und Eltern. „Wenn ich Volksschulkindern sage, dass ich Sozialarbeiterin bin, denken die sich natürlich: Was ist das?“, erzählt Großschartner. Die 45-Jährige erklärt den Sechs- bis Zehnjährigen dann: „Es geht um Gefühle. Seid ihr zum Beispiel manchmal traurig oder wütend? Dann könnt ihr zu uns kommen.“
„Katze hat meine Schultasche zerkratzt“
Meist werden die beiden Sozialarbeiter aber von Lehrkräften angesprochen, weil denen etwa auffällt, dass ein Kind ständig ohne Jause und mit zu kleiner Kleidung ins Klassenzimmer kommt oder überhaupt ohne Schultasche auftaucht. Hönlinger und Großschartner versuchen dann herauszufinden, woran das liegt. Gar nicht so einfach, weil es den Kindern peinlich ist, sagt die 45-Jährige. Aus Scham würden sie zum Beispiel behaupten, dass ihre Katze die Schultasche zerkratzt hat.
In Wahrheit stecken hinter solchen Fällen meist Geldprobleme der Eltern. „Wir versuchen den Kindern zu helfen, auszudrücken, was sie belastet“, erklärt Hönlinger. „Wir treten auch an die Eltern heran.“ Kürzlich half der 53-Jährige zum Beispiel einer Familie, Sozialleistungen zu beantragen und so die finanzielle Not zu lindern.
Volksschüler haben teilweise schon Probleme beim Umgang mit einer Schere oder sogar beim Stiegensteigen. Man merkt einfach, dass sie nicht mehr so viel am Spielplatz sind.
Schulsozialarbeiterin Anita Großschartner
Kinder haben Probleme beim Stiegensteigen
Insgesamt gibt es in Oberösterreich 62 Vollzeitstellen für Schulsozialarbeiter. Für eine flächendeckende Betreuung reicht das nicht, die Sozialarbeiter sind an rund 250 von 800 Pflichtschulen präsent. Die Problemstellungen sind vielfältig, aber ein Trend ist erkennbar: „Die Belastungen in den Familien haben zugenommen“, sagt Hönlinger. Das liege neben der Teuerung mitunter an der Covid-Pandemie und dem allgegenwärtigen Smartphone.
„Darunter leiden die motorischen Fähigkeiten“, erzählt Großschartner. „Volksschüler haben teilweise schon Probleme beim Umgang mit einer Schere oder sogar beim Stiegensteigen. Man merkt einfach, dass sie nicht mehr so viel am Spielplatz sind.“ Auch Streitigkeiten zu lösen, falle den Kindern immer schwerer. Denn durch die virtuelle Welt am Handy haben sie weniger Übung mit echten sozialen Kontakten.
Wieso sich Jugendliche ritzen
Bei den älteren Kindern kommt auch das Thema Selbstverletzung hinzu. „Das Ritzen geht ab zwölf Jahren los, bei Mädchen häufiger als bei Burschen – entweder um Aufmerksamkeit zu erregen oder um dazuzugehören oder wegen psychischen Problemen“, sagt Hönlinger.
Die Schulsozialarbeit ist mühsames Stückwerk, oft tauchen bei den Kindern immer mehr Probleme auf, je genauer man hinsieht. Nicht alle lassen sich lösen – aber viele: „Ich hatte mal einen Burschen, der Leistungssport gemacht hat“, erzählt Großschartner. „Sein Trainer hat ihm gesagt, er muss für eine bestimmte Gewichtsklasse abnehmen, deshalb hat sich das Kind heruntergehungert. Wir haben die Eltern und einen Arzt zugezogen und die Sache so gelöst.“
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