Als Friedberg startet Anna F. nun mit einem neuen Projekt durch. Das Debütalbum „Hardcore Workout Queen“ ist eine musikalische Reise durch verschiedene Genres und zeigt die 39-jährige Steirerin frisch, frech und international. Ein Gespräch über Selbstoptimierung, das Recht aufs Faulsein und Perfektionismus im Songwriting.
Die 3000-Seelen-Gemeinde Friedberg befindet sich einen Steinwurf vom Burgenland entfernt in der Oststeiermark und ist bei Liebhabern von Traditionalismus vor allem durch ein Sesselmuseum bekannt. In dieser beschaulichen Diaspora reifte schon sehr früh musikalisches Talent heran. Im elterlichen Plattenschrank von Anna Wappel befanden sich Scheiben von Led Zeppelin, Alanis Morissette oder Bob Dylan – das war der Startschuss für ihre Leidenschaft, die sogar jene für den SK Rapid übertreffen sollte. Wappel studierte in Graz diverse Fächer, jobbte nebenbei in der ATV-Sportredaktion und schrieb früh Lieder. Bei einem Konzert von Café Drechsler traf sie 2005 deren Schlagzeuger Alex Deutsch, der zum ersten wichtigen Mentor wurde und der damals 19-Jährigen ersten Türen öffnete. 2009 dann die Karriereexplosion – ihr unter dem Banner Anna F. auf MySpace hochgeladener Song „Time Stands Still“ wurde von einer Bankengruppe übernommen, brachte ihr Radio-Airplay und einen Supportslot auf einer Tour mit Lenny Kravitz ein. Es folgten ein Amadeus Award, das erste Studioalbum und hymnische Kritiken seitens der Musikpresse und ihrer Fans.
Von der Energie mitgetragen
Doch Anna F. ist eine Nomadin, eine musikalisch Suchende. Sie zog nach Berlin, nach London, kurz sogar nach Los Angeles, und wieder retour. Trotz der Erfolge reichte es ihr nicht, Anna F. zu sein. Sie wollte ihre musikalischen Visionen in einer Band ausleben, alle Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen teilen. Mitstreiterinnen suchte sie sich in ihrer aktuellen Wahlheimat London. Ein Ort, der nicht arm an Talent und Wettbewerb ist. „Ich wohne jetzt seit sechs Jahren hier, auch wenn ich immer wieder in Berlin bin“, erzählt sie im „Krone“-Talk, „in London ist alles größer und kompetitiver. Aber hier sind auch viele Künstlerinnen, die etwas erreichen wollen und von dieser Energie in der Szene lasse ich mich gerne mittragen.“ Nicht zuletzt ist die Künstlerin durch die hohen Mietpreise und den dichten Mitbewerb dazu gezwungen, aufs Gaspedal zu drücken. „Ich finde das eigentlich super inspirierend. In Berlin bin ich oft rumgehangen und habe Zeit vertrödelt, das passiert mir in London nicht.“
Ähnlich wie etwa Kraftwerk oder Rammstein versucht Anna mit Friedberg nun auch einen deutschen Bandnamen auf der anglophilen Landkarte zu platzieren. „Friedberg ist halt die Ursuppe“, lacht sie, „von dort kommt alles, was mich ausmacht. Ich hätte mir wahrscheinlich einen leichteren Namen aussuchen können, aber er ist schön und passt zu mir.“ Unter dem Banner Friedberg erschien 2021 die EP „Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah“ mit zahlreichen Songs, die zwischen Pop, Indie-Rock und Dance mäanderten. Eine musikalische Frischzellenkur, die dann allerdings vom Perfektionismus der Chefin ausgebremst wurde. „Es hat sich lange nicht so angefühlt, als wäre alles am richtigen Platz. Jetzt passt es aber. Das Label, das Management, die Band – ich bin rundum in guten Händen. Am Ende bin ich aber trotzdem die, die gefühlt 1000 Versionen von einem Lied macht, obwohl es fast immer so ist, dass die erste Version die beste ist.“
Der Weg ist das Ziel
Das viele Schrauben hat sich ausgezahlt. Anna hat viele bereits geschriebene Songs immer wieder verworfen. Auf dem Friedberg-Debütalbum „Hardcore Workout Queen“ bekommt man eine zeitgemäße Mischung aus Psychedelia, Dance-Songs, Pop-Hooks und einer lässigen Punk-Attitüde serviert. Geschrieben und aufgenommen irgendwo zwischen Berlin, London und Los Angeles. Eine Mischung, die sich schlussendlich auch in der bunten Vielfalt der Songs manifestiert. „Der Ausdruck ,Roadtrip-Album‘ passt perfekt. Ich weiß nie so genau, wo ich hinwill, fahre aber gerne los und baue darauf, dass sich am Weg schon was finden lässt.“ Das Album hat sich in einem üppigen Zeitraum von knapp sechs Jahren manifestiert, der Titeltrack und „The Greatest“ haben schon einige Zeit auf dem Buckel. Albumtitel und Grundkonzept sind eine Ode gegen den grassierenden Selbstoptimierungswahn.
„Ich feiere in dem Song die ,Hardcore Workout Queens‘, die an meinem Fenster vorbeilaufen, während ich mir das dritte Frühstück gönne. Es ist ein Lied für die Faulenzer, denn man muss auch einmal einen Tag im Bett verbringen können und essen dürfen, was man will, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu haben.“ Nicht zuletzt ist der Titel auch eine Metapher für die Hast in der Musikindustrie. „In den USA habe ich Songwriting-Sessions erlebt, wo im Prinzip an jedem Tag ein fertiger Song zum Aufnehmen entstehen sollte. Ich war danach völlig ausgelaugt. Das ist überhaupt nicht meins. Ein Song ist fertig, wenn er fertig ist. Ich bin sehr hart zu mir selbst, aber es gibt Tage, wo mir viel einfällt und an anderen weniger. Erzwingen kann man aber nichts.“ Nach knapp 20 Jahren in der Musikwelt vertraut sie auch auf ihre Routine. „Wenn man das lange macht, weiß man, dass einem irgendwann schon etwas einfallen wird. Da muss man einfach entspannt bleiben.“
Geordnetes Chaos im Kopf
Die musikalische Vielseitigkeit spiegle nicht zuletzt Annas Persönlichkeit wider. „Heute mache ich das, morgen das. Ich finde das cool, weil ich so bin. Die Songs entstanden an verschiedenen Orten und auf verschiedenen Reisen, aber am Ende ergibt das Chaos in meinem Kopf Sinn. Als Hörerin langweilen mich Alben sehr schnell, wo sich die Songs zu sehr ähneln.“ Wenn Friedberg im Dezember auf Österreich-Tour kommen, darf man sich auf neue Versionen freuen. „Da werden die Tracks teilweise noch energetischer und ausladender. Es gibt die Möglichkeit, längere Varianten zu spielen, Jam-Sessions einzubauen oder die Dance-Parts auszuweiten. Es gibt viel Platz für Improvisation, weil wir uns in erster Linie als Liveband definieren.“ Die Songs selbst werden, genauso wie die Texte, von Anna im Alleingang geschrieben. Inputs und Änderungstipps aus dem Bandcamp sind aber immer erwünscht.
Inspirierender Nachbar
Inspirationen für ihre Texte erhält die Musikerin nicht nur durch Erlebnisse, sondern auch aus der Literatur und surrealistischen Filmen. „Ich liebe es, wenn Dinge aus einem anderen, ungewöhnlichen Blickwinkel betrachtet werden. Außerdem lebe ich in London in einer Gegend, wo sich die Menschen gegenseitig befruchten. Ich habe einen interessanten Nachbarn. Er ist ein großartiger Maler und spendiert morgens aus seinem Fenster gratis Kaffee. Daraus ergeben sich oft schöne Gespräche, bei denen ich mir Notizen mache.“ Mit dem neuen Album wird es für Friedberg, die zuletzt schon mit Giant Rooks, Placebo und Big Special tourten, weiterhin nach oben gehen. In der Zukunft könnte der Sound noch etwas elektronischer werden, was einer Zusammenarbeit mit Hot Chip geschuldet ist. „Mit den Jungs habe ich im Studio ein paar Songs aufgenommen, die dreiwöchige Tour in den USA vor zwei Jahren war großartig.“
Tour durch Österreich
Friedberg mit „Hardcore Workout Queen“ gibt es vorerst einmal in Österreich zu genießen. Live vorgestellt wird das Album am 10. Dezember im Salzburger Rockhouse, am 11. Dezember im Conrad Sohm in Dornbirn, am 12. Dezember im Linzer Posthof, am 13. Dezember im ppc in Graz und am 14. Dezember im Wiener Flex. Unter www.oeticket.com gibt es die Karten und alle weiteren Informationen.
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