„Krone“-Interview

Mira Lu Kovacs: Intim zwischen Angst und Hoffnung

Musik
07.11.2024 09:00

Wenn es um zartfühlende Songs voller Intimität und kompositorischer Authentizität geht, ist man bei Mira Lu Kovacs immer richtig. Ihr drittes Soloalbum „Please, Save Yourself“ atmet und lebt die Schönheiten und Brüche der Zwischenmenschlichkeit. Ein Gespräch über Grenzen, Achtsamkeit und Konfrontationen.

(Bild: kmm)

Immer dann, wenn im turbulenten Leben von Mira Lu Kovacs etwas Ruhe einkehren soll, dann besinnt sie sich auf ihre Soloaktivitäten. Über das letzte Jahrzehnt hat sich die Burgenländerin zu einem qualitätsvollen und erfolgreichen Chamäleon in der heimischen Musiklandschaft entwickelt. Anspruchsvolle Elektronik mit 5KHD, smoothen Jazz und Weihnachtslieder mit Clemens Wenger und zuletzt der auch international erfolgreiche Alternative-Rock mit My Ugly Clementine. Wenn es aber tief in die Seele der Künstlerin gehen soll, dann legt man am besten ihre alten Schmieds-Puls-Alben oder die aktuelleren Solowerke auf. Fragilität und Ehrlichkeit halten sich dabei stets die Waage. Reduzierte, oft rein akustisch performte Songs paaren sich mit klaren Texten und Kovacs‘ ausdrucksvollem Stimmtimbre. „Please, Save Yourself“, nennt sich ihr drittes Solowerk, das dieser Tage das Licht der Welt erblickt und den Terminus „Achtsamkeit“ ins Zentrum des Geschehens setzt.

Endlich Grenzen setzen
„Meine Albumtitel sind immer sehr große Sätze“, lacht die Künstlerin beim „Krone“-Gespräch in ihrem Wiener Studio, „sie sind aber bewusst so gewählt, damit jeder für sich was daraus machen kann. Der Titel hat zu mir gesprochen. Er ist nicht vorwurfsvoll oder aggressiv gemeint, sondern zärtlich und liebevoll. Er ist schwer einzudeutschen, aber es geht schon darum, dass man sich selbst retten sollte.“ In vielen Songkapiteln geht es um das Setzen von Grenzen im zwischenmenschlichen Bereich. Um die Frage, wie weit darf jemand beim Gegenüber gehen, ohne bewusst oder unbewusst eine Schwelle zu übertreten. „Das Thema hat viele Menschen im letzten Jahrzehnt beschäftigt. Die aktuelle Generation darf diese Grenzen endlich setzen, ohne als Arschloch dazustehen. Es geht um die liebevollen, achtsamen und vorsichtigen Grenzen, damit alle ein besseres Leben führen können. Nicht um jene, die andere nur vor den Kopf stoßen.“

Die erste Single „Shut The Fuck Up And Let Go”, die überraschend schwungvoll aus dem Äther wabert, ist klanglich dabei nicht richtungsweisend. Wie für Miras Solowerke üblich, bleiben Entrücktheit und emotionale Melancholie die wichtigsten Zutaten für den ausgefeilten Klangbrei. In ihren offensiv angesprochenen und inhaltlich harten Songs steckt immer eine kleine Metaebene voller Humor und Augenzwinkern. „Ich konsumiere ausschließlich englischsprachige Medien und da ist auch in härteren Geschichten schnell mal ein Sketch drin. Die von der Emotionalität her schwersten Nummern machen oft am meisten Spaß, weil man sich mit dieser Haltung selbst austrickst.“ Im Opener „Hard To Watch“ wird schon das erste schwierige Thema angesprochen. Man muss quasi untätig dabei zusehen, wie ein geliebter Mensch sich selbst ruiniert. „Ich versuche immer respektvoll zu handeln. Es sind grundsätzlich meine Geschichten, aber es ist nicht exakt autobiografisch. Käme alles nur aus mir und meinen Erfahrungen, müsste ich eine halboffene Therapie anstatt eines Albums anbieten.“

Konfrontation führt zur Lösung
Kovacs hat weder Interesse daran, Grenzen zu überschreiten, noch andere oder sich selbst zu verletzen. Bei intimen Texten in einem musikalisch intimen Korsett sind tiefergehende Zugänge manchmal aber unvermeidlich. „Die Grenzen setze ich immer intuitiver. Ich bin mittlerweile ein konfrontativer Mensch, weil ich das besser finde, als herumzueiern. Das stiehlt uns allen nur Zeit und damit einhergehend Freude im Leben. Wenn es Zwist gibt, dann fassen wir uns kurz an. Vielleicht wird es kurz laut, vielleicht auch unangenehm, aber danach ist es vorbei. Man kann Probleme damit lösen. Eigentlich ist die Suche nach Konfrontation ein ziemlicher Liebesbeweis, weil du dem Gegenüber suggerierst, dass er oder sie die Mühe wert ist. Man geht den harten Weg und nicht den kurzen.“ Nicht zuletzt durch ihre mannigfaltige Rolle als Entscheiderin am musikalischen Parkett hat Kovacs an Selbstsicherheit gewonnen. „Ich arbeite und lebe gerne mit Menschen zusammen, die offen sind für Auseinandersetzungen. So etwas geschieht immer aus dem Willen heraus, dass es für alle besser wird und nicht, weil ich boshaft bin.“

Der Quasi-Titelsong „Save Yourself“ dreht sich ganz klar um männliche Gewalt an Frauen. „Das ist eine sehr alte Erinnerung aus meiner Kindheit und eigentlich ein politisches Thema. Es geht im weiteren Sinne auch darum, was solche Erfahrungen mit dir als Erwachsener machen und wie sie das Bild zu deinen eigenen Beziehungen prägen. Mir ist aber wichtig, dass der Albumtitel ,Please, Save Yourself‘ nicht missinterpretiert wird. Es geht nicht darum, dass eine Frau einfach aus einer Beziehung raus soll. Ich weiß, wie schwer es ist, sich aus diesen toxischen Geflechten zu befreien. Der Song sollte viel mehr ermächtigend sein für jene, die sich in solchen Situationen befinden.“ Wie schon beim Vorgängerwerk „What Else Can Break“ von 2021 versteckt sich die 36-Jährige kaum noch hinter Metaphern, sondern geht bewusst klar und offensiv an die Texte heran.

Vom Überleben zum Leben
„Manche Songs, wie auch ,Pain Train‘, sind sehr klare Erzählungen. Ich mag es, wenn man auf den Punkt kommt und nicht immer halbklare Bilder malt, bei denen die Menschen raten müssen. Ich habe auch einen klaren Umgang mit gewissen Dingen gefunden. Ich kann nicht mehr die ganze Zeit weinen, wenn mich etwas kränkt. Lachen gibt mir viel mehr Kraft.“ Wenn Kovacs Lieder für ihr Soloprojekt schreibt, dann aufgrund einer gewissen Notwendigkeit. „Da muss ich mich dann selbst dazu forcieren, auch ausreichend Zeit und Platz dafür einzuräumen. Ich vergleiche meine Soloalben und jene von Schmieds Puls gerne miteinander. Früher war es inhaltlich eher ein Überleben, heute ist es ein besser leben. Es ist mittlerweile eine schöne Reise und ich hoffe, sie geht noch lange so weiter.“

Das Album wird in der Mitte durch das instrumentale Interlude „Hoffnung Angst Angst Hoffnung“ geteilt. Ein unscheinbarer Track, der aber eine Schlüsselstelle ist. „Es ist der natürliche Kreis. Wie Spannung und Entspannung. Ebbe und Flut. Es braucht immer beides. Es nicht schlimm, zwischendurch Angst zu haben, so wie es mir aber auch suspekt ist, wenn man zu viel Hoffnung hat. Manchmal muss man auch einsehen, dass Dinge vorbei sind oder nicht funktionieren werden und die Hoffnung aufgeben. Ganz ohne Hoffnung stirbt dir aber die Fantasie weg. Neben den persönlichen Songs gibt es auch politische Konnotationen. „Make It Stop“ geht klar gegen den Turbokapitalismus und das Aufgeben. „Wir können es uns nicht leisten, nicht zu demonstrieren und nicht weiter für eine bessere Welt zu kämpfen. Du kannst müde sein, du kannst mal ausschlafen und dich rausnehmen, aber du darfst nicht aufhören, für eine bessere Welt einzustehen. Dafür sind wir viel zu privilegiert.“

Übertreibung als Stilmittel
Eine für Kovacs so typische große Geste ist etwa der Song „I Care For You“. „Es ist eine romantische und auch absolutistische Aussage. Manchmal muss man einfach übertreiben, weil es die Situation verlangt.“ Das Lied ist nicht zuletzt auch eine allumfassende Liebeserklärung. „Heute werden Traditionen neu verhandelt und es gibt verschiedene Beziehungskonstrukte. Manchmal darf und soll man überschwänglich sein und die große Liebe feiern, auch wenn man vielleicht nicht mehr 50 Jahre zusammenbleibt, wie es früher öfter der Fall war. Meine Albumtitel sind keine Slogans, die auf meinem Grabstein stehen werden. Vielleicht führen wir einmal ein Interview, wo ich sage, dass ich alles wieder zurücknehme. Man weiß es nicht, alles ist in ständiger Veränderung.“ Eine gewisse Form der Unwissenheit, der Neugierde und des Hinterfragens machen die Kunst und schlussendlich auch das Leben aus. „Please, Save Yourself“ ist somit nicht nur ein Appell für Achtsamkeit, sondern auch ein musikalisches Werk, das umarmt und tröstet.

Live in Österreich
Live präsentiert Kovacs ihr Album dann 2025. Am 19. Februar im Wiener Stadtsaal, am 26. Februar im Dom im Berg in Graz, am 27. Februar in den Klagenfurter Kammerlichtspielen, am 28. Februar im Treibhaus Innsbruck, am 28. März in der ARGEKultur in Salzburg und Ende Juni tritt sie beim Lido Sounds in Linz auf. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und weitere Infos für die Konzerte.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt