Bald live in Graz

Trentemøller: Der die sanfte Melancholie verwebt

Musik
09.11.2024 09:00

Seit knapp zwei Jahrzehnten ist der Däne Andreas Trentemøller eine liebgewonnene Konstante in der weiten Elektronik-Welt. Mit seinem neuen, zärtlich-sinistren Album „Dreamweaver“ kommt er bald ins Grazer Orpheum. Mit der „Krone“ sprach er über seinen eigenen Sound, den Lebenswandel als Vater seines Sohnes und weshalb er beim Komponieren noch immer Gänsehaut kriegt.

(Bild: kmm)

In den späten 2000er- und frühen 2010er-Jahren war der Sound des Dänen Andreas Trentemøller so etwas wie die elektronische Schulter zum Ausruhen. Wer sich von den wilden Breakbeat- und Dubstep-Partys mit dem damals boomenden Skrillex ausruhen wollte, der ließ sich in die Klangarme des schüchternen Produzenten fallen, der mit Songs wie „Rykketid“, „Nam Nam“, „Miss You“ oder „Sycamore Feeling“ für eine besonders emotionale und eindringliche Komponente im Sound sorgte. Die Belohnung war üppig. „Newcomer des Jahres“ in der Branchenbibel „Groove“, Produzent des Jahres in der Heimat Dänemark, Remix-Aufträge von Superstars wie den Pet Shop Boys, Moby, Franz Ferdinand oder Röyksopp. Auftritte beim Coachella, dem Roskilde und in Glastonbury und ein kompetitiver Slot im Vorprogramm von Depeche Mode auf ihrer „Delta Machine“-Tour. Zu dieser Zeit wurde die Grundlage für Trentemøllers populären Status gelegt, der sich heute zwar normalisiert hat, ihn aber immer noch vor üppigen Publikumszahlen spielen lässt.

Ruhe und Natur
„Dass so viele Menschen die Gedanken, die ich allein und in Ruhe in meinem Studio zusammenbaue, hören wollen, ist für mich noch immer unglaublich“, erzählt der 52-Jährige im „Krone“-Interview. Trentemøller ist das Paradebeispiel eines Anti-Rockstars. Privat in einer glücklichen Beziehung mit einem fünfjährigen Sohn. Wohnhaft im vergleichsweise unspektakulären Kopenhagen, wo er es von Haus zum Studio nur drei Minuten mit dem Rad hat. „Immer wieder fragen mich Leute, ob ich nicht in London wohnen möchte, aber ich brauche die Ruhe. Mich inspiriert die Natur mehr als eine urbane Umgebung. Ich habe früher einmal ein Jahr in Williamsburg in New York gelebt. Das war eine interessante Zeit, aber es wäre für mich keine Dauerlösung.“ Sehr früh verselbstständigte sich Trentemøller auch im Musikbusiness. Mit „In My Room“ (benannt nach der ruhigen Umgebung seines Studios) gründete er schon vor 15 Jahren, zu Zeiten des größten Hypes, sein eigenes Plattenlabel und entkoppelte sich von den lästigen Mechanismen des Musikbusiness.

„Ich habe definitiv meinen eigenen Sound und bin sehr froh darüber, ihn gefunden zu haben. Das Glück haben nicht alle. Um all meine Gedanken und Wünsche aber auch umsetzen zu können, muss es so ablaufen, wie ich es für richtig halte. Die Unabhängigkeit war mir immer wichtig.“ Trentemøller begann seine Karriere als Jugendlicher und junger Erwachsener in Indie-Rock-Bands, erfuhr dann aber erst als „Lone Ranger“ in der elektronischen Schwermut-Szene den Erfolg, der ihn weltweit bekannt machte. Auf seinem aktuellen Album „Dreamweaver“ folgt er klanglich dem Weg des Vorgängers „Memoria“ – noch mehr Melancholie, noch mehr Moll. Seinen eigenen Helden The Cure, den Cocteau Twins oder den frühen Smiths kommt er damit immer näher, von der erfolgreichen eigenen Vergangenheit entfernt er sich dafür sukzessive. „Erstmals habe ich auf einem Album getextet, das war unheimlich schwierig. Ich habe sehr wenig Erfahrung damit und es macht mir Angst – zumal Englisch auch nicht meine Muttersprache ist.“

Ein Leben in drei Phasen
Das Experiment ist textlich als auch musikalisch mehr als gelungen, Fans und Kritiker überschlugen sich mit Lobeshymnen. Der 52-jährige Trentemøller ist heute auch ein anderer Mensch als der Mittdreißiger, der vor knapp 20 Jahren noch keine Party ausließ. „Heute ist mein Alltag in drei Phasen eingeteilt. Ich bin morgens Kreativer, ich mache Büroarbeit und dann bin ich Vater. Ich habe das frühe Aufstehen gelernt und setze Ideen vor 8 Uhr um. Da läutet kein Telefon, es gibt keine E-Mails, der Kleine muss noch nicht in den Kindergarten. Später kommt die Mail-, Telefon- und Büroarbeit und ab 15 Uhr bin ich Vater. Das ist wundervoll, aber manchmal vermisse ich die langen Nächte, wo ich egoistisch in meine eigene Welt eintauchte und mich hinter meinen elektronischen Instrumenten verschanzt habe. Ich mag das Wort Nostalgie nicht, aber meine Musik ist in gewisser Weise auch immer der Versuch, mir diese kreative Unbeschwertheit von früher ins Jetzt zu holen.“ 

Wie schon zur Tour des letzten Albums hat auch auf „Dreamweaver“ die Isländerin Disa Jakobs den fragil klingenden Gesangspart übernommen. Neben der elektronischen Band hat sich die Nordländerin längst als fehlendes Puzzleteil im Trentemøller-Universum etabliert. Jetzt nicht nur live, sondern auch im Studio, wo bei „Memoria“ aus Pandemiegründen noch Andreas‘ Lebensgefährtin am Gesang mitmischte. Wie immer hat er sich beim Songwritingprozess möglichst stark von musikalischen Einflüssen von außen abgeschottet, um sich im Kopf nicht zu stark verwässern zu lassen. „Jedes Album, jedes Lied beginnt spielerisch auf einem weißen Blatt Papier. Die Idee muss gut sein, sonst wird sich nicht umgesetzt. Ich habe ein Interview mit Paul McCartney gelesen, der sagte, er nehme eine Idee nie auf. Er summt sie sich vor. Hat er sie am nächsten Tag noch immer im Kopf und kann sie frei einspielen, dann war sie gut genug. Ansonsten muss sie weg. Das ist eine wundervolle Qualitätskontrolle.“

Das Universum erweitert
Eine Qualitätskontrolle, die er als Solokomponist nicht hat. „Als ich in Bands spielte, gab es natürlich mehrere Korrektive. Jetzt nicht mehr, deshalb bin ich mit meinen Ideen aber umso strenger.“ Trentemøller hat sich nicht zuletzt durch seine Vaterschaft vom Gedanken getrennt, das Leben drehe sich nur um ihn und sein kreatives Universum. „Ich bin aber ein Kind der 80er- und frühen 90er-Jahre. Deshalb ist dieses Gefühl auch immer Teil meines Sounds, egal, wohin die Reise bei mir geht. Nicht zuletzt diese Ungewissheit macht seine Musik aus. „Ich schreibe sicher keine besonders spezielle, aber meine ganz eigene Musik. So wächst mein Sound und bleibt anders als alles andere. Ich fühle mich beim Komponieren noch immer wie ein Kind im Süßigkeitenladen und spüre die Unschuld und Freude des Anfangs. 80 Prozent des Jobs sind harte Arbeit, aber dann gibt es die Momente, wo ich ganz allein vor dem Klavier sitze und mir eine Idee kommt. Ich verspüre da immer noch eine Gänsehaut, die nicht vergeht.“

Live in Graz
Mit den neuen Songs und so manchem Hit aus der Vergangenheit kommt Trentemøller am 13. November für ein exklusives Österreich-Konzert ins Grazer Orpheum. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zum Auftritt.

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