Immer mehr Frauen in Österreich sind armutsgefährdet, Beratungsstellen wie jene der Caritas in St. Pölten verzeichnen Rekordzuwächse. Eine Betroffene erzählt von ihrem kargen Leben.
In Österreich gelten 1,3 Millionen Menschen als armutsgefährdet, 336.000 als absolut arm. Deutlich mehr als die Hälfte davon sind Frauen. „Sie sind oftmals in der Familie für die Sorgearbeit zuständig, haben nur wenig eigenes Einkommen und sind damit abhängig vom Partner“, schildert Caritas-Direktor Hannes Ziselsberger. Daher ist jede Fünfte, die bei der Caritas der Diözese St. Pölten Hilfe sucht, Alleinerzieherin – und das bei heuer rund 20.000 Kontakten in den Sozialberatungs- und Nothilfestellen der Diözese.
Umso verheerender wird es, wenn zur Armut auch noch eine psychische Erkrankung kommt. „Diese Faktoren begünstigen sich leider gegenseitig“, weiß Sandra Noe-Nordberg vom Psychosozialen Dienst. Stigmatisierung, soziale Isolation und fehlende Unterstützung sind eine Folge und belasten die Betroffenen obendrein. „Durch solche zusätzlichen Stressfaktoren verstärken sich Depressionen, Angstzustände und andere psychische Erkrankungen“, erklärt Noe-Nordberg.
Sozialhilfe reichte nicht einmal mehr für das Nötigste
In eine derartige Negativspirale gelangte auch Silvia B.: Gewalt durch den Ehepartner, Kontaktverlust zu ihrem Sohn, die Flucht in den Alkohol. Die Sozialhilfe reichte in der Folge nicht einmal mehr für das Nötigste: „Durch den Anstieg der Heizkosten konnte ich das Badezimmer nur mit Grabkerzen heizen, hatte im Winter 12 Grad in der Wohnung. Ich habe in Winterkleidung geschlafen.“ Zuflucht, Hilfe und Hoffnung hat sie im Club Aktiv der Caritas gefunden, den es in jeder Bezirkshauptstadt gibt. „Die anderen Menschen und Betreuerinnen schenken mir dort viel Freude“, schildert B., die mittlerweile dem Alkohol abgeschworen hat.
Eine ähnliche Geschichte konnte eine weitere Betroffene bei einer Pressekonferenz der Caritas in St. Pölten erzählen. 15 Jahre lang litt sie unter ihrem gewalttätigen Mann, ehe ihr die Flucht in ein Frauenhaus gelang. Überhastet zog sie danach in eine kleine, viel zu teure Wohnung. „Ich wurde dort depressiv“, erinnert sie sich. Auch sie musste die Heizung abmelden. „Sie wäre nicht zu bezahlen gewesen.“ Mit der Mindestpension samt Ausgleichszulage auf 1100 Euro findet sie kein Auskommen. Nur zweimal in der Woche gibt es warmes Essen. „Dann aber auch nur Suppe oder Nudeln – also kostengünstiges“, erzählt sie.
Niemand muss alleine sein. An alle Frauen, die von Armut und Erkrankung betroffen sind: Holen Sie sich Hilfe!
Hannes Ziselsberger, Direktor der Caritas der Diözese St. Pölten
„Esse nur das, was die Kinder übrig lassen“
Eine weitere Einrichtung der Caritas, die gegen Frauenarmut auftritt, ist die Familienhilfe Plus, deren Betreuerinnen die immensen Folgen direkt miterleben. „Wir helfen Frauen, die seit Jahren nicht beim Friseur waren und aufgehört haben, zu lachen, weil sie sich den Zahnersatz nicht leisten können. Wir haben Mütter, die nur das essen können, was ihre Kinder übrig lassen, damit zumindest diese satt sind“, erzählt Leiterin Judith Baumgartner von dramatischen Schicksalen.
Ausgleichszulage erhöhen
Ziselsberger appelliert nicht nur an Betroffene, möglichst rasch Hilfe zu suchen: „Niemand muss alleine sein. Je früher man sich helfen lässt, umso besser ist es.“ Er wendet sich aber auch an die künftige Regierung: „Die Erhöhung der Ausgleichszulage um 250 Euro wäre ein wichtiger Schritt, um die Armutsgefährdung bei Frauen zu reduzieren.“
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