„Krone“-Gastbeitrag

Trump ist nicht so schlimm, wie alle schreiben

US-Wahl 2024
06.11.2024 18:17

Was bedeutet der Sieg von Donald Trump für die Welt? Die Antwort muss zunächst mit der Feststellung eingeleitet werden, dass der Republikaner weder so schlecht noch so gut ist, wie von vielen Medien dargestellt wird. Ein Gastbeitrag von Ex-US-Militär Jeffrey H. Fischer.

Die US-Regierung hat drei Zweige: den Präsidenten, den Kongress und den Obersten Gerichtshof. Jeder Zweig verfügt über Instrumente und Fähigkeiten, um die anderen zu kontrollieren und auszugleichen. Präsident Trump wird hier keine Alleingänge starten können, auch wenn die Republikaner beide Kammern erobern sollten.

Überdies wird der Oberste Gerichtshof dafür sorgen, dass sowohl der Kongress als auch der Präsident Gesetze erlassen, die mit der Verfassung der Vereinigten Staaten in Einklang stehen. Daher sind einige der Befürchtungen, die Trumps Präsidentschaft als autoritär dargestellt haben, unbegründet.

Nationale Sicherheit
Donald Trump hat im Wahlkampf mit einem eher isolationistischen Programm geworben. Insgesamt ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der Republikaner von vielen US-Präsenzen zurückziehen wird, aber es ist schwierig zu bestimmen, wann und wo.

Colonel (in Ruhe) Jeffrey Fischer, US Air Force, und Autor der „Curt Nover“-Buchserie (Bild: zVg)
Colonel (in Ruhe) Jeffrey Fischer, US Air Force, und Autor der „Curt Nover“-Buchserie

Konkret heißt es in seinem Wahlprogramm: „Die Republikaner werden die Bündnisse stärken, indem sie sicherstellen, dass unsere Verbündeten ihren Verpflichtungen nachkommen und in unsere gemeinsame Verteidigung investieren, und indem sie den Frieden in Europa wiederherstellen. Wir werden an der Seite Israels stehen und den Frieden im Nahen Osten anstreben. Wir werden unser Bündnisnetzwerk in der Region wieder aufbauen, um eine Zukunft in Frieden, Stabilität und Wohlstand zu gewährleisten.“

Israel
Trump setzt sich für die Fortsetzung der militärischen Unterstützung Israels ein, was bedeutet, dass der laufende Konflikt Auftrieb erhalten wird. Trumps Unterstützung für Israel findet auch im neu gewählten Kongress breite Zustimmung, was eine Unterstützung Israels durch die USA sehr wahrscheinlich macht.

Ukraine
Im Gegensatz zu Israel gibt es in Bezug auf die Ukraine Anlass zur Sorge. Was hat er bisher gesagt? Dass er Putin gegenüber aufgeschlossen ist. Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein „Verkäufer“ ist, der zu viele Mittel in Anspruch nimmt, und dass er „den Krieg beenden“ wird (ohne Details zu nennen), sobald er im Amt ist.

Während es einen vorsichtigen Optimismus gibt, dass die Ukraine weiterhin eine gewisse Finanzierung erhalten könnte, ist der eigentliche Joker die Frage, ob Trump die restriktive Politik von Präsident Biden in Bezug auf den Einsatz von US-Waffen durch die Ukraine auf russischem Gebiet fortsetzen wird.

NATO
Während seiner ersten Amtszeit übte Präsident Trump, wie sein Vorgänger Präsident Obama, Druck auf die NATO-Verbündeten aus, „ihren gerechten Anteil zu zahlen“. Seit Trumps Niederlage im Jahr 2020 investieren mittlerweile viele Länder zwei Prozent des BIP in ihre Verteidigung, insbesondere angesichts der illegalen Invasion Russlands in der Ukraine. Einige erwarten, dass Trump sich bei den Staaten für die Aufstockung der Mittel bedanken und Europa dennoch dazu auffordern wird, ihre Anstrengungen zur „Verteidigung“ des Kontinents weiter zu verstärken.

Wirtschaft und Handel
Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa sind essenziell: Während der ersten Präsidentschaft Trumps war der größte Streit zwischen den USA und Europa der Zollkrieg, vorrangig der 25-Prozent-Aufschlag auf Stahl. Europa reagierte mit Zöllen auf US-Produkte, die manchmal mehr 50 Prozent betrugen (z. B. Harley-Davidson und Jack Daniels).

In den vergangenen vier Jahren hat Präsident Biden einen Waffenstillstand mit der EU und eine sehr kooperative Handelsbeziehung aufrechterhalten. Mit Trumps Rückkehr könnte dieser Handelskrieg wieder angeheizt werden.

Trumps europäische Freunde
Während sich nur wenige europäische Politiker negativ über Donald Trump geäußert haben, gibt es einige wenige, die ihn öffentlich gelobt haben. Ironischerweise sind diese Politiker auch einige der umstrittensten Politiker innerhalb der EU. Lob kommt aus Italien, Ungarn, Serbien und der Slowakei, ebenso wie von vielen rechtsextremen Bewegungen. Ein Großteil dieser Unterstützung beruht auf der gemeinsamen Anti-Immigrationspolitik, die in ganz Europa immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dieser Trend hätte auch mit einem Harris-Sieg angehalten.

Der Drache im Raum
Die vielleicht wichtigste Frage in Bezug auf die Beziehungen zwischen den USA und Europa hat nichts mit den Ländern der beiden Regionen zu tun, sondern mit China. In militärischer Hinsicht wächst Chinas Stärke schneller als die der USA und Europas zusammen. Ferner bringt Chinas Wirtschaft billige Produktion mit einer steigenden Produktqualität in Einklang.

Werden sich wieder näherkommen: Trump und Xi Jinping (Bild: AFP/Brendan Smialowski)
Werden sich wieder näherkommen: Trump und Xi Jinping

Sowohl die USA als auch die EU haben Schwierigkeiten, in fast allen Bereichen des Marktes zu konkurrieren. Wie das berühmte alte Sprichwort sagt: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Europa und die USA könnten angesichts der gemeinsamen Bedrohung durch China sehr wohl Kooperationsmöglichkeiten finden.

Fazit 
Im Jahr 2016 fürchteten viele Menschen auf der ganzen Welt eine Präsidentschaft von Donald J. Trump. Wie sich herausstellte, waren viele dieser Befürchtungen unbegründet. Umgekehrt waren viele, die eine Trump-Präsidentschaft begrüßten, enttäuscht, dass er zahlreiche Versprechen nicht einhalten konnte (was wahrscheinlich zu seiner Niederlage im Jahr 2020 führte). Eine kluge Position für die nächste Amtszeit von Trump wäre eine Position zwischen diesen beiden Extremen.

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