Urteil in Deutschland

BND-Befugnisse bei Cyber- Überwachung rechtswidrig

Web
07.11.2024 14:26

Trotz der wachsenden Gefahr internationaler Cyberangriffe gehen die bisherigen Befugnisse des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) bei der Überwachung etwa von Telefonaten zu weit. Regeln zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten sind nach einer Entscheidung teils verfassungswidrig.

Regeln zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten bei der heimlichen strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeüberwachung im Bereich Cybergefahren verletzten das Fernmeldegeheimnis, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Das Gesetz muss nun in mehreren Punkten bis Ende 2026 nachgebessert werden.

Unter anderem müssten Daten aus rein inländischen Telekommunikationsverkehren ausgesondert werden. Außerdem dürften auch gegenüber ausländischen Personen im Ausland keine Suchbegriffe eingesetzt werden, die den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen.

Die Entscheidung bezieht sich nicht auf die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz, bei der es um die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs geht, an dem ausschließlich ausländische Akteure im Ausland beteiligt sind. Generell nicht strategisch überwachen darf der Auslandsnachrichtendienst den Telekommunikationsverkehr, an dem auf beiden Seiten ausschließlich deutsche Staatsangehörige oder Menschen in Deutschland beteiligt sind.

Verhältnismäßigkeit wahren
Das Gefährdungspotenzial internationaler Cyberangriffe sei außerordentlich hoch, ihre Zahl nehme zu, betonte das Gericht. Attacken auf kritische digitale Infrastrukturen oder vergleichbar wichtige informationstechnische Systeme zielten auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens. Sie könnten die verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder der Länder bedrohen sowie Leib, Leben und Freiheit. Die Gefahr solcher Angriffe auf die IT-Infrastruktur elementarer und überlebenswichtiger Bereiche – etwa die Versorgung mit Wasser und Energie sowie das Transport- und Gesundheitswesen – könnte ein vergleichbares Ausmaß wie die Gefahr eines bewaffneten Angriffs erreichen.

Daher bestehe ein überragendes öffentliches Interesse, Cybergefahren aus dem Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung früh zu erkennen. Die Befugnis zur strategischen Inland-Ausland-Überwachung sei daher grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar, hieß es vom Gericht. „Sie bedarf aber der verhältnismäßigen Ausgestaltung.“

Denn die strategische Telekommunikationsüberwachung sei ein Instrument von besonders schwerem Eingriffsgewicht, betonte das Gericht andererseits. Das gelte vor allem, weil sie anlasslos gegenüber jeder Person erlaubt sei und allein durch bestimmte Zwecksetzungen angeleitet werde. „Sie hat unter den heutigen Bedingungen der Kommunikationstechnik und ihrer Bedeutung für die Kommunikationsbeziehungen eine außerordentliche Reichweite.“

Zudem hätten sich die Analysemöglichkeiten der Nachrichtendienste weiterentwickelt, hieß es. Durch die Möglichkeit der Verwendung formaler Suchbegriffe rücke die strategische Überwachung näher an die individuelle Telekommunikationsüberwachung heran.

Menschenrechtsorganisationen begrüßen Urteil
Das Bundesverfassungsgericht habe die Vertraulichkeit der Kommunikation gestärkt, befand die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) eine der Klagen erhoben hatte. Die Geheimdienstarbeit werde „auf den Boden des Grundgesetzes“ zurückgeholt, erklärte Bijan Moini von der GFF.

„Wenn Menschenrechtsorganisationen befürchten müssen, dass ihre sensible Kommunikation im Zuge von anlassloser Massenüberwachung mitgelesen wird, gefährdet das ihre Arbeit“, erklärte Lena Rohrbach von AI in Deutschland. In einer repräsentativen Umfrage der Organisation hätten 20 Prozent der Befragten angegeben, aus Sorge vor unverhältnismäßiger staatlicher Überwachung ihr Kommunikationsverhalten einzuschränken.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt