Neonazi-Skandal

Nach Razzia: War Österreicher Jörg S. Drahtzieher?

Österreich
07.11.2024 15:00

Nach der Festnahme von acht mutmaßlichen Mitgliedern der militanten Neonazi-Gruppe in Deutschland und Polen „Sächsische Separatisten“ ist nun auch ein siebenter Beschuldigter in Untersuchungshaft. Wann der letzte der acht Männer – der mutmaßliche Rädelsführer – dem Ermittlungsrichter vorgeführt wird, ist unklar: Der Österreicher Jörg S. war in Polen festgenommen worden und befindet sich dort bis zu seiner Auslieferung. 

Sieben der acht Beschuldigten befinden sich bereits in U-Haft. Der letzte der acht Männer Jörg S. – mutmaßlicher Rädelsführer der Neonazi-Gruppe „Sächsische Separatisten“ – war in Polen festgenommen worden und befindet sich dort bis zu seiner Auslieferung in Haft. 

Drei der acht Beschuldigten besitzen dabei tiefgreifende Verbindungen zur deutschen rechtspopulistischen Partei AfD. Unter ihnen: Der Lokalpolitiker Kurt H., der bei der Razzia am Dienstag offenbar durch einen Schuss aus einer Waffe verletzt wurde. Aufgrund seiner Verletzung konnte dieser zuerst nicht den Ermittlern in Karlsruhe übergeben werden. Am Donnerstag folgte der Haftbefehl des AfD-Politikers in Leipzig. 

Gesamte Familie S. gehört zu „extremen Rechten“
Die beiden Österreicher und mutmaßliche Terroristen Jörg S. und sein ebenfalls festgenommener Bruder Jörn S., gehören laut Medienberichten zur Familie eines FPÖ-Politikers und eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten. Jörg S. und sein Bruder Jörn S. sollen vor vier Jahren mit anderen die „Sächsische Separatisten“ gegründet haben. Die beiden Männer haben zwei weitere Brüder. Mindestens einer von ihnen soll ebenfalls beschuldigt sein.  

Der Vater der Brüder, ein in Österreich in den 1990er-Jahren wegen NS-Wiederbetätigung verurteilter Neonazi, war demnach nach einer Haftstrafe nach Deutschland ausgewandert. Durchsuchungen gab es im Zuge der Razzia auch in Österreich, konkret in Wien und im Bezirk Krems-Land. Dabei seien zahlreiche Beweismaterialien sichergestellt worden, wie es von den Ermittlern heißt.

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Es geht in die Richtung des militanten gewalttätigen Rechtsextremismus, zum Neonazismus. Ich sehe eine Kontinuität zu heute, wo es darum geht, den Neonazismus wehrfähig zu machen.

Rechtsextremismusexperte Andreas Peham im Ö1-Morgenjournal

Der Rechtsextremismusexperte Andreas Peham würde die gesamte Familie S. der „organisierten extremen Rechten zuschlagen“, wie er im Gespräch mit dem Ö1-Mittagsjournal am Donnerstag sagte. Es gehe in Richtung „militanten gewalttätigen Rechtsextremismus, zum Neonazismus“. Peham sieht eine „Kontinuität zu heute, dort wo es darum ging, den Neonazismus wehrfähig zu machen, also an der Schnittstelle zum Paramilitärischen wie Wehrsportübungen, Kriegsspielen im Wald, die Vorbereitungen für den Ernstfall, oder wie es heute heißt: den Tag X.“

Fundament dafür bildeten oft Familien, sagte der Forscher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Es handle sich um sogenannte „Festungsfamilien“. „Da wird wirklich eine Parallelwelt hergestellt, eine sogenannte nationalbefreite Zone und draußen ist immer der Feind.“

Rassistische und antisemitische Ideologie
Die Gruppierung „Sächsische Separatisten“ hat sich nach Angaben der deutschen Behörden spätestens im November 2020 gegründet. „Hierbei handelt es sich um eine aus fünfzehn bis zwanzig Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt ist“, heißt es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. „Ihre Mitglieder verbindet eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.“

Die Vereinigung geht den Angaben zufolge davon aus, dass Deutschland vor einem „Kollaps“ stehe. Wenn Staat und Gesellschaft zusammenbrechen, wolle die Gruppierung mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, „um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats-und Gesellschaftswesen zu errichten“, hieß es weiter. „Unerwünschte Menschengruppen sollen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden.“

AfD-Politiker ist Jäger und besitzt Waffenerlaubnis
Der AfD-Mann soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen bei seiner Festnahme am Dienstag eine Langwaffe in der Hand gehalten haben, weshalb die Polizei zwei Warnschüsse abgab. Der Beschuldigte habe einen Bruch am Kiefer erlitten und sei operiert worden. Weitere Details zu dem Zwischenfall sind noch nicht bekannt. Der Festgenommene ist nach Kenntnis der deutschen Medien Jäger und besitzt eine waffenrechtliche Erlaubnis.

Mitglieder der AfD waren in der Vergangenheit bereits wiederholt mit Verbindungen zur rechtsextremistischen und neonazistischen Szene aufgefallen. Medienberichten zufolge sei Kurt H. schon länger in der rechtsextremen Szene unterwegs gewesen. Erst im Juni 2024 war er bei einer Sonnwendfeier in Oberlausitz in Sachen beteiligt gewesen, wobei 150 AfD-Politiker, Neonazis, neurechte Aktivisten und Hooligans Lieder der Hitlerjugend gesungen und eine SS-Größe geehrt haben.

Auch in den Jahren zuvor fiel Kurt H. durch Verbindungen in rechtsextreme Kreise vermehrt auf. Die drei tatverdächtigen AfD-Mitglieder, die mutmaßlich der Gruppe „Sächsische Separatisten“ angehören, sind seit mehreren Jahren in der Partei aktiv. Sie haben in dieser Zeit verschiedene Funktionen auf kommunaler und regionaler Ebene übernommen. 

Der Landesvorstand der Sächsischen AfD hat inzwischen beschlossen, Kurt H. und zwei weitere Parteimitglieder, die zu der mutmaßlichen rechtsextremen Terrorgruppe gehören sollen, aus der Partei auszuschließen. Entscheiden muss noch das Landesschiedsgericht.

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