Rare Sorten retten

Apfelkrise durch Klimawandel mit Hitze und Frost

Niederösterreich
08.11.2024 06:00

Am Freitag ist „Tag des Apfels“. Das zum Anlass nehmend, warnen die Retter rarer Sorten in der „Arche Noah“, dass die voranschreitende Erderwärmung den Obstanbau gefährdet.

„Die Anzahl der Tage mit Spätfrösten im Frühling wird abnehmen. Doch durch den zu erwartenden früheren Vegetationsbeginn wird die Gefahr von Frostschäden zunehmen“, warnen die Studienverfasser Christian Holler vom gleichnamigen Ingenieurbüro, Andreas Spornberger (Institut für Wein und Obstanbau an der Wiener Universität für Bodenkultur) sowie Martin Engelmeier (Arge Streuobst): „Im Sommer kann dann vor allem die mangelnde Wasserverfügbarkeit zum Problem werden.“

Bei Obstbäuerin Veronika Harm gab es heuer eine reiche Apfelernte samt Saft. (Bild: Antal Imre/Imre Antal)
Bei Obstbäuerin Veronika Harm gab es heuer eine reiche Apfelernte samt Saft.

Die besonders große Sorge der Experten, die auch von „Arche Noah“-Aktivist Bernd Kajtna in Schiltern (Niederösterreich), geteilte wird: Einige Streuobstpflanzungen und Obstplantagen wurzeln in der sogenannten Molassezone.

(Bild: stock.adobe.com/stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Die Krux an diesen geologisch besonderen Bedingungen: Dort dominiert nicht unbedingt wasserreicher Schotteruntergrund. Dass selbst robuste Stämme dort zusehends gegen die Trockenheit zu kämpfen haben, ist (öko)logisch. Vor allem tiefere Lagen werden demnach unter Hitze- und Dürrestress leiden. Penibel haben die Wissenschafter vor allem die Klimadaten für drei Modellregionen analysiert: Eben für die Region Amstetten Süd im niederösterreichischen Mostviertel, für den Naturpark Pöllauer Tal an der Grenze zum oststeirischen Tafelobst-Gebiet und für den Lungau als inneralpines Salzburger Hochtal, in dem aktuell der Streuobstbau kaum relevant ist.

Zitat Icon

Ich hüte um die 160 Obstbäume, allesamt Raritäten meiner bäuerlichen Vorfahren. Diese uralten Sorten sind ans Kleinklima angepasst und trotzen der Erderwärmung gut.

Obstanbaupionier, Altlandwirt und Exbürgermeister Anton Gonaus aus Kirchberg an der Pielach (Niederösterreich)

Fazit: Das Klauben der in so vielen Facetten gesunden Äpfel (viele wichtige Mineralstoffe, Eisen und wenig Fett, siehe auch Grafik oben) gerät durch den Klimawandel zunehmend unter Druck und wird sich sogar noch intensivieren. Die Perspektiven für den Streuobstanbau sind also alles andere als rosig. Schlimmer noch: Die Klimakrise und sich ändernde Verhältnisse (plus drei Grad Celsius) stellen die Fortführung unseres bisherigen Obstanbaus infrage.

Einziger Lichtblick: Möglicherweise bietet sich dafür der kühlere Alpenraum als zukünftiges Anbaugebiet an. Was die Daten schonungslos offenbaren: Das für den Obstbau günstige Klima verschiebt sich in deutlich höhere Lagen. Biobauern versuchen, mit uralten Sorten, die der jeweiligen Witterung angepasst sind, dem großen Apfelsterben zu trotzen.

Gewaltiger Schaden
Massive Einbußen durch späte Fröste

Mehr als 5000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten finden auf einer typischen Streuobstwiese Zuflucht. Die Vorteile dieser speziellen Biotope für uns alle: Bestäubung, Heu, Holz und Honig sowie Trinkwasser- und Flutschutz und außerdem Kohlenstoffbindung samt Verbesserung des lokalen Klimas. „Nur wenn wir die globale Erwärmung unter plus zwei Grad Celsius begrenzen, gibt es auch Zukunft für den Streuobstbau in Österreich. Das vorhandene Potenzial an Obstarten und -sorten muss gesichtet, genutzt und an die Bedürfnisse von heute angepasst werden. Nur so kann Obst auch in Zukunft ökologische Geschmacksvielfalt bieten“, warnt „Arche Noah“-Aktivist Axel Grunt.

Frostberegnung im Frühjahr, Trockenheit im Sommer ... (Bild: Jauschowetz Christian/Christian Jauschowetz)
Frostberegnung im Frühjahr, Trockenheit im Sommer ...
... und die Apfelernte fällt durchwachsen aus. (Bild: LWK/PHILIPP)
... und die Apfelernte fällt durchwachsen aus.

Inzwischen kämpften unsere Apfelbauern heuer besonders gegen Wetterkapriolen. Nach einem sehr milden Jänner, dem wärmsten Februar und dem heißesten März in der 257-jährigen Messgeschichte Österreichs folgte die extreme Abkühlung. In Kombination mit der durchschnittlich drei Wochen verfrühten Vegetation führte ein Kaltluftvorstoß Mitte April zu schweren Schäden im Obstbau. Betroffen war vor allem das Steinobst, also beispielsweise Marillen und Kirschen, aber auch Kernobst wie Äpfel und Birnen.

Daten und Fakten

  • Der Streuobstbau in Österreich ist seit Jahrzehnten stark rückläufig – von ca. 35 Millionen Bäumen im Jahr 1930 auf ca. 4,2 Millionen 2020.
  • 725.000 Bäume verschiedenster Sorten liefern im Mostviertel (NÖ) 30.000 Tonnen Obst.
  • Die Steiermark verfügt mit knapp 6000 Hektar über das größte Apfelanbaugebiet Österreichs. Jährlich beträgt die Ernte 200.000 Tonnen.
  • Plus drei Grad stellen die Ernten selbst in begünstigten Lagen in der derzeitigen Form infrage. 
  • Regionen, die bisher nur bedingt für den Anbau geeignet waren, dürften hingegen profitieren – sofern die Erwärmung auf unter plus zwei Grad Celsius begrenzt bleibt.

„Könnte nur ein Vorgeschmack sein“
„In Summe beträgt der Gesamtschaden durch das heurige Frostereignis 44 Millionen Euro im Obstbau und zwölf Millionen Euro im Weinbau“, so Hagelversicherungschef Dr. Kurt Weinberger. Um die Bedrohung der späten Nachtfröste von den schon in Vollblüte stehenden Bäumen abzuwehren, wurden Haine mit einer schützenden und gefrierenden Wasserschicht übersprüht. Trotz dieser Frostberegnung kam es – laut AMA -zu empfindlichen Einbußen von regional bis zu 70 Prozent. Grunt: „Das könnte nur ein Vorgeschmack sein!“

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