Rekordinflation, explodierende Lebenshaltungskosten, Wohlstandsverlust für die breite Masse und Gefühle der materiellen Enteignung: Die größten Verlierer der Inflation der 1920er-Jahre waren die Sparer, die Rentenbezieher und jene, die wir heute als Mittelschicht bezeichnen.
Die Hyperinflation der frühen 1920er-Jahre hatte zwar andere Ursachen als heutige Inflationen – diese waren die Finanzschuld, die der Staat aus dem Ersten Weltkrieg mitschleppte, der Zerfall der Habsburgermonarchie und der damit einhergehende Verlust von Absatzmärkten, schlechte Ernten und industrielle Produktionsausfälle –, eines aber bleibt gleich: Die Inflation verschärft die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, und sie trifft die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ungleichmäßig.
Die größten Verlierer der Inflation der 1920er-Jahre waren die Sparer, die Rentenbezieher und die damals sogenannten „Fixbesoldeten“, zusammengenommen das Bürgertum, also jene, die wir heute als Mittelschicht bezeichnen. Zu den „Fixbesoldeten“ gehörten die Beamten und Angestellten, sie erlitten die größten Reallohneinbußen.
Wer privat vorgesorgt hatte, verlor nun alles
Die größten Verlierer der Inflation waren aber die „Rentiers“, jene Gruppe, die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs das vorsozialstaatliche Wirtschaftssystem repräsentierte wie keine andere: Bürger, die weder Unternehmer noch Beamte waren, sondern ihre verschiedenen Einkünfte aus allen Bereichen der Wirtschaft – diese konnten groß und klein sein – gezielt auf dem Finanzmarkt investierten, um in einer späteren Lebensphase oder im Alter davon leben zu können. Ihr aller Ziel war es, eines Tages eine fixe und sichere Auszahlung ihres Sparmodells zu erhalten. Diese „Rentiers“ waren die Hauptgeschädigten der Inflation. Ihr Schicksal erinnert an jene, deren private Altersvorsorge derzeit dahinschmilzt.
Ebenfalls massiv durch die Inflation geschädigt wurden die klassischen Sparer. Ihre Vermögen, oftmals unter harten Entbehrungen angespart, lösten sich praktisch in Luft auf. Besser dran waren jene, die Sachwerte besaßen, etwa Immobilien. Manche von ihnen hatten das Glück, dass ihnen die Inflation die Schulden wegfraß, Gewinne konnten sie dennoch keine mit ihren Immobilien machen.
Der Mieterschutz half, die gesellschaftliche Fassade zu wahren
Denn mit den strengen Mieterschutzverordnungen, die während des Krieges eingeführt worden waren, verloren die klassischen Hausbesitzer praktisch ihre Einkünfte und de facto das Weitergaberecht an ihrem Eigentum. Interessantes Detail: Diese strengen Mieterschutzverordnungen halfen wiederum dem verarmten Bürgertum, zumindest den äußeren Schein zu wahren. Viele Hofräte und mittlere Beamten konnten so ihre Wohnungen in den repräsentativen Wohngegenden halten, die sie von ihrem Gehalt niemals hätten bezahlen können, und konnten diese sogar noch den nächsten Generationen weitergeben.
Die Arbeiter litten zwar wie alle anderen unter der Teuerung und ihre Einkommen lagen real weit unter dem Vorkriegsniveau, aber sie konnten zumindest ihre gestiegene Verhandlungsmacht ausspielen. Sie setzten bereits 1919 für die Berechnung der Metallarbeiterlöhne ein Indexlohnsystem durch, welches die Löhne automatisch der Geldentwertung anpasste.
Bei den Arbeitern zeigte sich aber ein ähnliches Phänomen wie bei den Beamten: eine allgemeine Nivellierung der Löhne. Der Abstand zwischen dem Gehalt des Hofrats und Beamten der niedersten Gehaltsklassen verringerte sich ebenso wie die Gehaltsunterschiede zwischen Fach- und Hilfsarbeitern, städtischen und außerstädtischen Industriearbeitern.
Der Bauernstand wurde entschuldet, die Spekulanten gewannen
Zum bescheidenen Gewinner der Inflation wurde damals der Bauernstand, er profitierte von der allgemeinen Entschuldung als Folge der Hyperinflation. Reich wurden die Bauern aber auch nicht, nur wenigen blieb so viel über, dass sie in den dringend nötigen Ankauf von Maschinen und die technische Verbesserung ihrer Betriebe investieren hätten können.
Die wirklichen Gewinner der Inflation wurden letztlich nur die Spekulanten.
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