Die Inflation der 1920er-Jahre brachte die berüchtigten „Inflationshaie“ hervor, deren demonstrativ zur Schau gestellter dekadenter Lebensstil in scharfem Kontrast zur Bevölkerung stand, die nicht wusste, wie sie ihre gestiegenen Lebenskosten noch decken sollte.
Jede Inflation hat auch ihre Gewinner – das war während der Hyperinflation der 1920er-Jahre nicht anders, und die Gewinner sind damals wie heute immer dieselben.
Da ist zunächst der Staat. Es gilt heute wie in den 1920er-Jahren: Der Staat ist zwar ein kurzfristiger, aber nur „scheinbarer“ Gewinner. Zwar baut die Inflation Staatsschulden ab, aber diese Art des Schuldenabbaus hat einen Pferdefuß. Denn jede Inflation senkt – immer mit Verzögerung, aber unvermeidbar – auch die Steuereinnahmen. Die gesunkene Kaufkraft bedeutet nichts anderes als weniger künftige Steuern. Als Folge fehlen dem Staat, Wegschmelzen der Staatsschulden durch Inflation hin oder her, langfristig Einnahmen.
Firmen wurden mit staatlichen Beihilfen künstlich am Leben erhalten
Eine klassische Nachwirkung jeder Inflation, die man an den Geschehnissen der 1920er-Jahren gut studieren kann, ist: Das dicke Ende kommt erst nach dem Abflauen der Inflation, denn eine Inflation schiebt wirtschaftliche Probleme immer nach hinten. In Inflationszeiten bleiben Sanierungen und dringende wirtschaftspolitische Reformen aus. Stattdessen flüchtete man immer schon gerne in staatliche Beihilfen, mit dem Ergebnis, dass Firmen oder Banken, die mit staatlichen Beihilfen künstlich am Leben erhalten werden, dann mit Verzögerung umso mehr krachen.
Die Creditanstalt wurde zum Sanierungsfall
Berühmt-berüchtigtes Beispiel von vor 100 Jahren: Der Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahr 1931, der die gesamte mitteleuropäische Wirtschaft mitriss. Bis heute hält sich die Mär, dass der Finanzkollaps an der Wall Street von 1929 die Creditanstalt zuerst ins Wanken gebracht und sie dann die von der Politik erzwungene Übernahme einer Problembank endgültig zum Sanierungsfall gemacht hätte. Die historischen Tatsachen sehen aber anders aus. Wie viele Unternehmen, die ab 1930 ebenfalls in Konkurse schlitterten, war auch die Creditanstalt bereits seit 1924, dem Höhepunkt der 1920er-Inflation, de facto kapitalentleert. „Business as usual“ gab es damals wie heute: Man macht einfach weiter wie bisher, bis es nicht mehr geht, und dann sind äußere Umstände an einem verschleppten hausgemachten Kollaps schuld.
Die größten Gewinner einer Inflation, die immer bereits im Vorfeld einer Inflation auftauchen, sind die Spekulanten, im Volksmund der 1920er verächtlich „Schieber“ genannt: Inflationsritter, die in kürzester Zeit Milliardenimperien aufbauen. Wie aus dem Nichts tauchten sie auf, hinter ihnen standen keine Firmen, keine Betriebe, keine Vermögenswerte, dafür aber die Bereitschaft für maximales Risiko.
Die „Politik des billigen Geldes“ half Spekulanten
Was „Schieber“ für den Erfolg brauchen? Zunächst eine Inflationserwartung, dazu die berühmte „Politik des billigen Geldes“, und dann geht es mit billigen Krediten auf große Einkaufstour, Immobilien und Firmenbeteiligungen werden in kurzer Zeit aufgekauft. Typisch für alle „Inflationshaie“ war ein demonstrativ zur Schau gestellter dekadenter Lebensstil, der in scharfem Kontrast zur Bevölkerung stand, die nicht wusste, wie sie angesichts der Inflation ihre gestiegenen Lebenskosten noch decken sollte. Als Firmensitz wählte man gerne ein historisches Palais, reiste im eigenen Flugzeug und hatte exzellente Beziehungen zur Politik.
Ein berühmter Inflationshai der 1920er-Jahre war etwa der Kurzzeit-Milliardär Camillo Castiglioni. Seine Unterstützer bezeichneten ihn als Investor, seine Gegner als Spekulanten. Mittels eines Finanzspiels mit Krediten kaufte Castiglioni unzählige Beteiligungen an Unternehmen auf. Bei einer Franc-Spekulation setzte er allerdings auf das falsche Pferd und sein Beteiligungsimperium verschwand so schnell, wie es entstanden war.
Österreichs berüchtigter „Trilliardär“
Noch spektakulärer war der Auf- und Abstieg des berüchtigten Sigmund Bosel. Mit dreißig Jahren war Bosel bereits „Trilliardär“. Er schaffte es vom Heereslieferanten zum reichen Kriegsgewinnler und Börsenspekulanten; er spekulierte mit allem und jedem. Sigmund Bosels berühmte Handelsfirma „Omnia“ kaufte buchstäblich alles auf, womit man handeln konnte: Immobilien, Warenhäuser, sogar einen Anteil an der Wiener Tageszeitung „Der Tag“. Bosels Abstieg und finanzieller Ruin begann mit dem „Postsparkassenskandal“, der eine Reihe von Prozessen zur Folge hatte.
Der Untergang der Spekulanten – Castiglioni und Bosel waren nur die Berühmtesten – waren immer die Folgen der Inflation: steigende Zinsen und einbrechende Kaufkraft. Dann ging es sich nicht mehr aus, dann begannen die fragilen Firmen-Konglomerate zu bröckeln. Denn die berühmten „Inflationshaie“ waren immer Kinder der Inflation: In ihrer „Aufwärmphase“ stiegen sie auf, in ihren Nachwehen gingen sie unter.
Die Geschichte wiederholt sich zwar nie eins zu eins, aber die Ökonomie folgt doch gewissen Regeln. Insofern lohnt sich gerade beim Thema Inflation ein Blick in die Vergangenheit, um die Zeichen an der Wand zu erkennen.
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