Gerhard Humpeler fürchtet die schleichende Abwanderung einiger österreichischen Unternehmen, wenn sich die Rahmenbedingungen für Arbeitgeber nicht langsam ändern.
Der Finanzchef des Höchster Beschlägehersteller Blum – Vorarlbergs größter Arbeitgeber mit einem Umsatz von knapp 2,3 Milliarden Euro – macht sich Sorgen um den Wirtschaftsstandort Österreich und Vorarlberg. „Wir als Unternehmen müssen unsere Hausaufgaben machen, ganz klar“, forderte Gerhard Humpeler. Manche Rahmenbedingungen „tun uns aber weh“, stellte er fest. Von einer neuen Regierung erhoffe er sich Änderungen. Die Tendenz sei gegeben, dass der Wirtschaftsstandort in Rückstand gerate. Er glaube nicht an einen „Big Bang“, nämlich dass die Produktion mancher Produkte von heute auf morgen irgendwo anders erfolgen werde. Allerdings könne eine Verlagerung durchaus passieren. „Das wird vielmehr eine schleichende Entwicklung sein.“
Was braucht der Standort Österreich, um für den internationalen Wettbewerb fit zu sein? Wie anderen Industrieunternehmen in Österreich sind Blum die Lohnnebenkosten ein Dorn im Auge, vielmehr einige Bestandteile davon. Humpeler will etwa die Zahlungen für Kranken-, Pensions- oder Unfallversicherung keinesfalls infrage stellen. Wohl aber sieht er beispielsweise den Wohnbauförderungsbeitrag oder die Zahlungen für Freifahrten für Schüler und Lehrlinge bei den Lohnnebenkosten falsch angesiedelt. „Manches hat mit Lohn- und Versicherungskosten einfach nichts zu tun, diese Leistungen sollte der Staat aus Steuermitteln bestreiten“, postulierte Humpeler.
Auch Arbeitnehmern bleibt nicht viel
Er sieht ein Einsparungspotenzial von bis zu zehn Prozentpunkten – bei einem monatlichen Lohn von 4000 Euro brutto machen die Lohnnebenkosten über 29 Prozent der Gesamtbelastung für den Arbeitgeber (6051,93 Euro, zwölf Monate) aus. Davon kommen letztlich rund 53 Prozent beim Arbeitnehmer an (3206,79 Euro, zwölf Monate). „Unsere indexierten Personalkosten sind seit 2018/19 um 33 Prozent gestiegen, der Umsatz aber nur leicht“, stellte Humpeler fest. Und dennoch bleibe den Arbeitnehmern aufgrund der gestiegenen Mietkosten und anderen Belastungen nicht mehr Geld über.
Ich glaube nicht an einen „Big Bang“ und dass manche Produkte von heute auf morgen irgendwo anders hergestellt werden. Allerdings könnte eine Verlagerung durchaus passieren. Das wird vielmehr eine schleichende Entwicklung sein.
Blum Finanzchef Gerhard Humpeler
Weitere Kritikpunkte Humpelers betrafen etwa die Bildungskarenz oder das Arbeitslosengeld. Die Bildungskarenz koste die Arbeitslosenversicherung 500 Millionen Euro, schaffe es aber nicht, treffsicher höher zu qualifizieren. In Humpelers Augen sollte außerdem darüber nachgedacht werden, das Arbeitslosengeld degressiv zu gestalten, wie das in vielen anderen Ländern der Fall sei. Verbleibe dort jemand länger in der Arbeitslosigkeit, würden die Zahlungen an die Person aus anderen Töpfen erfolgen. Wer in Österreich als Arbeitsloser im Rahmen des Erlaubten dazuverdiene, komme auf denselben Netto-Verdienst wie ein Arbeitender. „Das kann es nicht sein!“
In Sachen Bürokratie machte Humpeler ein „überbordendes Steuerrecht mit vielen Bagatellsteuern“ aus. Die Administration habe stark zugenommen, die Vorgaben in Bescheiden erinnerten ihn oft an „Selbstbeschäftigung“. Teilweise würden Graubereiche geschaffen, die für Verzögerungen und mitunter empfindliche Geldstrafen sorgten. Gegenüber den Unternehmen legten die Behörden mittlerweile eine „Schuldvermutung“ an den Tag, dabei seien Firmen auch Kunden. Bauverfahren und Gewerbeverfahren dauerten von Jahr zu Jahr länger, und auch die Bescheide würden umfangreicher und komplizierter. „Muss der Gesetzgeber alles bis ins Detail regeln ohne Freiheit für die Beamten?“, fragte Humpeler.
„Jammern ist als gutes Zeichen zu sehen“
Standortqualität habe auch sehr damit zu tun, wie gut die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere, wie lange das Ausstellen von Bescheiden dauere und wie schnell und wie oft Strafen drohten. „Wir stehen zum Standort, wir finden ihn in Summe gut“, unterstrich der Finanzchef. Manche Parameter würde man sich aber anders wünschen, um Leistung erbringen und Wohlstand sichern zu können. Dass viele Industrieunternehmen jammern, nahm Humpeler als gutes Zeichen. Solange gejammert werde, passiere noch nichts. Viel bedrohlicher sei in dem Zusammenhang Stille – dann sei die Auslagerung der Produktion und von Arbeitsplätzen nämlich schon im Gang.
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