Er hat die Musik im Blut und das Nomadentum im Herzen – Alabama-Multitalent Early James setzt auf Hemdsärmeliges und kommt damit auf eine kleine Österreich-Tour. Anfang 2025 folgt das dritte Album „Medium Raw“. Ein Gespräch über musikalische Geografie, Spätstarts und den wichtigen Einfluss von Großmüttern.
Man muss kein überzeugter Donald-Trump-Anhänger sein, um das rurale Amerika aus dem 60er-Jahre-Fernsehklischeebuch schön zu finden. So wie eine gewisse Liebe zur österreichischen Bergwelt nicht automatisch mit rechtsrechter Deutschtümmelei gleichzusetzen ist, kann man sich gerne einmal den Stetson aufsetzen, Kautabak in die Prärie lunzen und breitbeinig das weite Land mit üppigen Rinderfeldern genießen. Fredrick James Mullis jr., Musikfans besser bekannt als Early James, ist ein „Southern Boy“ durch und durch. Geboren in Troy, wohnhaft in Birmingham – beides jedenfalls mitten in Alabama gelegen. Der Sound der dortigen Gegend ist ihm mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Und keine Sorge: Das Patriarchat ist es nicht, für die Erziehung sorgten nämlich die Frauen in seiner Familie.
Ein Erweckungserlebnis
Als Sechsjähriger sieht James auf einer Familienfeier erstmals einen lokalen Musiker Lieder aus dem American Songbook covern. Bis er seine frühen Visionen dann selbst zu verwirklichen beginnt, zieht aber noch einige Zeit ins Land. Nachdem er viele Jahre lang gebettelt hat, bekommt er als 15-Jähriger endlich eine Gitarre zu Weihnachten geschenkt. Ein Erweckungserlebnis in Richtung Selbstständigkeit, wie er sich im Gespräch mit der „Krone“ erinnert: „Ich habe Football gespielt, weil mein Dad es wollte. Ich habe mich am Klavier ausprobiert, weil meine Eltern das für sinnvoll erachteten, aber die Gitarre war mein ganz persönlicher Wunsch. Hier konnte ich mich bei etwas verwirklichen, das mir niemand von außen einreden wollte.“ Die Liebe zur Sechssaitigen war erwacht, das Songwriting kam quasi parallel dazu. Auch beim Geschichtenerzählen erwies sich James als frühes Naturtalent.
„Ich habe sehr spät mit dem Gitarrespielen begonnen, aber im Endeffekt ist das schon okay so. Ein paar Jahre früher wäre ich von Videospielen und anderem Zeug abgelenkt gewesen. Es hätte noch nicht gepasst.“ Als heute 31-Jähriger gehörte Early James zur ersten Generation, die in den Ausläufern ihrer Kindheit noch offline lebte, aber längst im virtuellen Zeitalter integriert war. „Natürlich hatten wir schon Handys und YouTube, aber um TikTok mussten wir uns noch nicht kümmern“, lacht er. Dort lernte er auch sein Spiel an der Gitarre. „Das war für mich der bessere Weg als ein Gitarrenlehrer. Die marschieren im Unterricht immer unbarmherzig davon und verlangen, dass man Schritt hält. YouTube pausiere ich, wann immer ich will, um die jeweilige Stelle in meinem Spiel dann zu verbessern, wenn der richtige Zeitpunkt da ist.“
Kein Versteckspiel
Grunge-Bands wie Nirvana oder Soundgarden begeistern James als Teenager. Vor allem die realen, ungeschönten Texte erwecken seine Aufmerksamkeit. Wer echtes Songwriting betreibt, der versteckt sich nicht hinter oberflächlichen Floskeln und Botschaften. Später kamen der Blues, der Folk, eine Prise Soul, viel Americana und Alternative Country hinzu – man könnte auch den abgedroschenen Subsumierungs-Terminus „Heartland Music“ verwenden, es wäre nicht verkehrt. Musik mit der jeweiligen Geografie gleichzusetzen, hält James für altmodisch. Unverbesserliche Puristen müssen also durchatmen. „Lass uns nichts vormachen, im Zeitalter des Internets kann auch jemand im Iran Südstaaten-Country spielen. In Amerika gibt es grob die vier Großmärkte Los Angeles, New York, Chicago und Nashville. Nach Memphis kann, wenn er will, heute aber jeder von überall klingen.“
Dass James 2019 bei einem Bar-Konzert von Black Keys-Mastermind Dan Auerbach entdeckt und für gut befunden wird, führt schließlich zum von Auerbach produzierten Debütalbum „Singing For My Supper“, das zwar musikalisch gut, aber veröffentlichungstechnisch fatal ausfällt. Quasi am Tag der Erscheinung geht die ganze Welt in einen ungewiss langen Corona-Lockdown. So verwundert es nicht, dass der nicht minder gelungene Nachfolger 2022 „Strange Time To Be Alive“ heißt, mit dem der rothaarige Kuschelbär zumindest weitreichend vorstellig werden kann. Das Zweitwerk ist aber auch ruhiger, gediegener und - im positiven Sinne – älter. Die Vergleiche mit Raubein Tom Waits nehmen zu, was Early James noch immer zum Schmunzeln bringt.
Bei den Großen hospitiert
„Ich liebe Tom Waits, aber ich singe nicht wie er. Als ich das erste Mal seine Musik hörte, war ich schon 21 und habe meine ersten Songs geschrieben. Ein Freund hat mir ein paar krude Tracks von ihm vorgestellt. Bei einem habe ich mich sogar gefragt, ob er da beatboxt. Es klang so eigenartig. Mit der Zeit habe ich mir all seine Alben nachgekauft. Ich mag auch sein Crooner-Zeug, weil ich bei meiner Großmutter Wilma immer Dean Martin hörte und er manchmal nicht so weit davon entfernt ist.“ Musikentdeckungen sind für James relativ und nicht an eine bestimmte Zeit geknöpft. „Ich habe als Zwölfjähriger erstmals die Beatles gehört und dachte, die Band wäre modern. Ich hatte keine Ahnung, wie sie aussahen und woher sie kamen – es hat mir einfach gefallen. ,Hey Jude‘ und ,Let It Be‘ waren die coolsten Songs, die ich je gehört habe.“
Aktuell ist Early James wieder in Europa unterwegs. Der Kontinent ist längst zu seiner künstlerischen Wahlheimat geworden. „Hier sind die Leute viel enthusiastischer und freundlicher. In Europa freut man sich auf die Gigs und feiert den Abend. In den USA sind die Leute total übersättigt und bei den Festivals wirst du oft nicht einmal mehr eingeladen.“ Österreich besucht er dieser Tage gleich dreimal. Letztes Jahr reüssierte er in relativ kurzer Zeit gleich doppelt in Wien. Im Mai 2023 gab er seine Premiere im Wiener Chelsea, im Haus der Musik legte er dann im Herbst noch einen Top-Auftritt im gediegeneren Rahmen nach. Derzeit darf man sich berechtigte Hoffnungen auf neue Songs machen. Am 10. Jänner veröffentlicht er sein Drittwerk „Medium Raw“, das vorab schon viel verspricht. Es wäre doch gelacht, würde er kommende Großtaten still und heimlich verbergen.
Drei Österreich-Gigs
Im Zuge seiner Europatour kommt Early James dieser Tage für drei Konzerte nach Österreich. Am 13. November spielt er in der Zazibar in Salzburg, am 14. November im Röda in Steyr und am 15. November kehrt er ins Wiener Chelsea zurück. Unter www.earlyjames.com gibt es Tickets und weitere Informationen zu den Auftritten.
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