Christian Zaic eröffnete vor sechs Jahren eine Facebook-Gruppe, die der kollektiven Nostalgie dient: Grazer sammeln darin Erinnerungen und Fotos aus der Geschichte der Landeshauptstadt. Was der Auslöser für die Gründung war und warum nicht jeder Mitglied werden darf.
„Es ist ein bisschen wie das Fotoalbum, das man zu Hause bei den Eltern findet“, sagt Christian Zaic. Gemeint ist jene Facebook-Gruppe, die der 53-Jährige vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat und heute über 14.000 Mitglieder stark ist. Grazer sammeln darin Fotos und Geschichten aus längst vergangenen Zeiten der Landeshauptstadt.
Da fällt zum Beispiel eine alte Aufnahme vom Grazer Joanneumring ins Auge, datiert mit dem Jahr 1929. Darauf zu sehen die frühere Straßenbahnlinie 2 und ein Mann in schwarzem Anzug, Hut und weißen Handschuhen, der den Verkehr regelt. Kramt man etwas tiefer, in der Facebook-Gruppe, so finden sich aber sogar Abbildungen von der Pferdestraßenbahn vor der Elektrifizierung 1899.
„Es ist ein Bildungsauftrag in charmanter Form“, bringt es Zaic auf den Punkt. Dass daran ein so großes Interesse besteht, hat ihn selbst überrascht: „Ich war schon bei 300 Mitgliedern beeindruckt“, sagt er. Außerdem sei es die gemeinsame Nostalgie, die alle verbindet. Zaic war schon immer geschichtsinteressiert, heute postet er gerne Fotos aus privaten Alben.
Erinnerungen an die eigene Kindheit
Eine Kindheitserinnerung hat es Zaic besonders angetan: Geboren in Salzburg kam er im Sommer immer wieder nach Graz auf Besuch. Am Balkongeländer jener Siedlung im Norden der Stadt fuhr er mit Spielzeugautos auf und ab. Dieses Motiv von ihm als kleiner Bub habe ihn mitunter inspiriert, die Gruppe zu gründen. 1990 zog er nach Graz, heute ist er beruflich häufig in Budapest.
„Die Gruppe läuft ganz nebenbei, ich mache das gerne und aus Spaß“, sagt der 53-Jährige. Dennoch sieht er es als seine Aufgabe, täglich auf Facebook zu schauen und gewisse Diskussionen zu moderieren. „Man muss schon ein bisschen bei den Posts mitlesen, damit kein Blödsinn entsteht.“ Gerade bei rechtem Gedankengut ist er kritisch. „Ich muss nur selten eingreifen, aber ich scheue auch nicht davor zurück“, sagt Zaic.
Nicht jeder darf in die Gruppe
Auch bei der Aufnahme in die Gruppe Graz in alten Ansichten – Vintage Graz selektiert er gezielt und lässt Interessenten vorerst Fragen beantworten. Denn er sieht es als ihre Aufgabe, die Vergangenheit möglichst korrekt abzubilden. „Nicht alles war früher besser“, sagt er und erzählt unter anderem von einer Siedlung in Puntigam, die in der Nachkriegszeit als provisorisches Wohnlager für geflüchtete Personen diente.
Aus diesem kollektiven Gedächtnis sind über die Jahre viele persönliche Kontakte entstanden. So lud Zaic Mitglied Nummer 10.000 auf ein Eis ein – und im Graz Museum gibt es mittlerweile einen Stammtisch, bei dem mitgebrachtes Material wissenschaftlich analysiert wird. Viele in der Facebook-Gruppe sind aber einfach stille Beobachter und freuen sich über die Schmankerln, die veröffentlicht werden. „Nur ein Bruchteil postet regelmäßig“, erklärt Zaic. Der Rest schmökert in den Posts wie im Fotoalbum der Eltern.
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