Das Schauspielhaus Graz bringt Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ in einer unterhaltsamen und klug modernisierten Version auf die Bühne, die das Zeug hat, ein echter Publikumshit zu werden.
Der Krieg ist vorbei, aber die Nachwehen sind noch zu spüren: Bei Major von Tellheim ist nicht nur der Arm angeknackst, sondern auch Stolz und Ehre – von der leeren Geldbörse gar nicht zu sprechen. Er hat nicht mehr das Gefühl, dass er die Liebe oder gar die Hand seiner angebeteten Minna von Barnhelm verdient. Also hat er sich mit seinem treuen Diener Just im Gasthaus einer neugierigen Wirtin zurückgezogen. Als dort auch Minna mit ihrer Kammerjungfer Franziska und später auch Tellheims Wachtmeister Werner auftauchen, nimmt das erste Lustspiel der deutschsprachigen Theatergeschichte Fahrt auf.
Regisseurin Ulrike Arnold und Dramaturgin Anna-Sophia Güther haben den Klassiker aus dem historischen Kontext der Nachwehen des Siebenjährigen Krieges gelöst, versetzen die Handlung in ein wunderbar aus der Zeit gefallenes Hotel mit 1980er-Charme und fokussieren auf das Kernpersonal und deren finanzielle und romantische Nöte.
Sie spielen mit dem Originaltext, ohne ihn dabei zwanghaft zu modernisieren. Bühnenbildnerin Franziska Bornkamm hat dafür eine Flut an Kammern entwickelt, die wie in einer alten Klick-Kamera als Vignetten am Auge des Betrachters vorbeiziehen. Und wie das mit den Klick-Kameras damals auch war, bleiben die Bilder manchmal stecken und geben einen Blick in dunkle Abgründe frei.
Komödiantische Glanzleistungen
Vor allem aber bietet diese Grazer Version der „Minna“ den Schauspielern eine Bühne für komödiantische Glanzleistungen: Anke Stedingk schwankt in der Titelrolle famos zwischen blinder Verleibtheit und kühler Berechnung. Sebastian Schindegger suhlt sich als Tellheim wunderbar in seinem eigenen Mitleid. Sarah Sophia Meyer (Franziska) und Simon Kirsch (Paul Werner) vollführen einen herrlichen Slapstick-Tango der Leidenschaft. Und Annette Holzmann (Wirtin) und Thomas Kramer (Just) vervollständigen das tolle Ensemble.
Klug und vor allem unterhaltsam lotet diese „Minna“ das Verhältnis zwischen monetärem Besitz und Selbstwert sowie zwischen Freiheit und Liebesfähigkeit aus - stets hängt die Frage im Raum, wie teuer einem das Glück zu stehen kommt und wie rutschig der Weg dorthin ist.
Die Grazer Version versteht es dabei auch, sich über sich selbst lustig zu machen. So zwängt sich das unvermeidbare Happy End eines solchen Lustspiels etwa schon lange vor dem Ende des Stücks als riesiges Plüschherz in die Szenerie – und drängt dem Publikum damit auch eine spannende Frage auf: Ist die Liebe wirklich das bestmögliche Ende für diese Figuren, oder zahlen sie dafür vielleicht einen zu hohen Preis?
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